Ein Kind um jeden Preis?
 

Eine Studie zum Adoptionskinderhandel

ERSTELLT VON GISELA WUTTKE Im Auftrag von terre des hommes Bundesrepublik Deutschland e.V. (1996)

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INHALT

VORWORT

KINDERHANDEL ZUM ZWECKE DER ADOPTION 
Einführung
1. Bestandsaufnahme
1.1 Kinderhandel bis 1989/90
1.2. Kinderhandel seit 1989/90
1.3 Praktiken der Kindesbeschaffung
1.4 Belege für Kinderhandel
2. Recht und Politik über Auslandsadoptionen
2.1 Das Adoptionsvermittlungsgesetz
2.2 Die strafrechtlichen Rahmenbedingungen von Kinderhandel und Kinderdiebstahl
2.3 Menschenhandel
2.4 UN-Konvention über die Rechte des Kindes
2.5 Haager Konvention
3. Denkmuster, die zu Kinderhandel führen bzw. ihn begünstigen
3.1 Wunschkinder aus der Dritten Welt
3.2 Fabiana, Tochter aus der fremden Welt
3.3 Unser Sohn aus Indien
NACHWORT
ANHANG: LITERATURAUSWAHL

 

 

VORWORT

Vom Juli 1995 bis März 1996 wurde im Auftrag von terre des hommes eine Studie zum Thema "Kinderhandel zum Zweck der Adoption" von der Journalistin Giesela Wuttke durchgeführt. Frau Wuttke wurde aufgrund ihrer langjährigen Beschäftigung mit diesen Themen und vorheriger Zusammenarbeit mit tdh für diese Aufgabe ausgesucht. Tdh verfolgte mit der Durchführung dieser Studie u.a. die Klärung folgender Fragen:

1. Formen, Ausmaß und Praktiken des Kinderhandels zwischen Süd und Nord 2. Entwicklung der Kinderhandelsszenerie aus dem ehemaligen Ostblock. 3. Erkennbare neue Trends, Märkte und Einbeziehung von Drittländern. 4. Klärung des Rechtsrahmens ,in dem sich die Varianten des Kinderhandels abspielen, d.h. auch Aufdeckung von Rechtslücken und Grauzonen sowie geplanter Rechtsveränderungen. 5. Denkstrukturen (d.h. Normen und Werte), die dem Kinderhandel zugrunde liegen.

Die Ergebnisse der Untersuchung dienen tdh als Diskussionsgrundlage zu Inhalten und Strategien der tdh-Arbeit gegen den internationalen Kinderhandel. Darüberhinaus erscheint es uns sinnvoll, den Teil über den Adoptionskinderhandel auch anderen Fachstellen der Adoptionsvermittlung zur Verfügung zu stellen, da sie auch dort von Interesse und Nutzen sein kann.

Die Studie zum Adoptionskinderhandel besticht durch ihre reichhaltige Materialsichtung, Datensicherung und Verwertung. Wohl zum ersten Mal gibt es eine vollständige Darstellung der in der BRD existierenden Kinderhandelsszenerie inklusive der dazu gehörenden Reaktionen seitens der Regierung, der staatlich anerkannten Vermittlungsorganisationen sowie der öffentlichen Meinung Darüber hinaus geht die Studie jenen Einstellungen der Beweber nach, die als eine der Entstehungsgründe des Kinderhandels anzusehen sind. Von großer Wichtigkeit ist die in der Studie ausführlichst dargestellte rechtliche Situation. Frau Wuttke beläßt es nicht bei der Beschreibung der ohnehin schon komplizierten Sachlage, sondern beleuchtet kritisch die Lücken und Schlupflöcher, die auch die mit Hilfe der Grünen und tdh verbesserte Gesetzgebung nach wie vor aufweist. Bisher konnten jedoch weder Gesetzesänderungen noch kritische Öffentlichkeitsarbeit den Trend nach zunehmenden Auslandsadoptionen stoppen. Obwohl unfreiwillige Kinderlosigkeit als bisher vermutetes dringendstes Motiv zur Auslandsadoption nicht die angenommenen Ausmaße zu haben scheint, ist die zunehmende Nachfrage nach Adoptivkindern Realität und wird beleuchtet durch die Tatsache, daß sich das Verhältnis Adoptivbewerber/Adoptivkind inzwischen auf 20-30:1 (1991 noch 10:1) eingependelt hat. Von den schätzungsweise 1100 ausländischen Adoptivkindern, die jährlich in die BRD kommen (1991 noch 800), gelangt nur ein ganz geringer Anteil über anerkannte Vermittlungsstellen in die Adoptivfamilien. Vor allem die Eröffnung der osteuropäischen "Märkte" veränderte die Adoptionsszenerie derart, daß das bislang seltene Adoptivkind aus Osteuropa inzwischen 40% der jährlichen Auslandsadoptionen ausmacht. Interessant ist auch das tendenzielle Ausweichen deutscher Adoptivbewerber auf ausländische Adoptionsvermittlungsorganisationen (vor allem US-amerikanische), die einen im Sinne der Bewerber "besseren Service" bieten als die anerkannten deutschen Vermittlungsstellen. Dazu gehört sicherlich auch das in den letzten Monaten publik gewordene Anbieten von Adoptivkindern im Internet als neueste aktuelle Entwicklung

Unter anderem weist Gisela Wuttke auf das Problem der Datenerhebung bzw. fehlender Statistiken im Bereich Auslandsadoptionen hin, was dazu führt, daß viele offizielle Stellen dazu neigen, das Problem zu bagatellisieren. Betrachtet man allerdings die in dieser Studie zusammengetragenen Auflistungen über Auslandsadoptionen, die eine steigende Tendenz verzeichnen, so erscheint das Verhalten der offiziellen Stellen vielfach wie ein "Nicht-Wissen-Wollen" mit System.

Die dargebotenen Zahlen stellen nicht nur die Größe des Problems dar. Sie zeigen deutliche Tendenzen in der Entwicklung des Themas und rechtfertigen damit das Hinterfragen der Verfahrensweisen von Auslandsadoptionen ebenso wie die zunehmend kritische Auseinandersetzung mit Personen, die privat ein Kind aus dem Ausland aufnehmen. Dabei zeigt sich mal wieder deutlich, daß die Kinder "Ware" auf einem Markt sind, der durch Angebot und Nachfrage geregelt wird Zusammenfassend läßt sich aus dieser Studie der Kinderhandel als ein "soziales Problem einer Gesellschaft (erkennen), in der Kinderlosigkeit und Armut eine ganz prekäre Verbindung eingegangen sind"(S. 53).

Als Quintessenz bleibt, daß es in der BRD einen fest etablierten Adoptionskinderhandelsmarkt gibt, für den auch in Zukunft mit Wachstum zu rechnen ist. Zwar liegt im internationalen Vergleich die BRD mit seinem 20%igen Anteil an Auslandsadoptionen noch im unteren Bereich, der "run auf das Kind" geht jedoch weiter. Zusammen mit der zunehmenden Verabschiedung der legalen Vermittler wächst der Schwarzmarkt und somit die Notwendigkeit weiterhin im Kampf gegen Kinderhandel aktiv zu sein.

Zuletzt ist darauf hinzuweisen, daß die zur Zeit. laufende Strafgesetzbuchnovellierung des Bundesjustizministeriums bereits auf einige der angesprochenen Probleme eingeht, so z. B. die Ausweitung der Strafbarkeit des Kinderhandels auf Verkäufer und Käufer und die Erhöhung des Strafmaßes. Noch ist das Gesetz allerdings nur in Vorbereitung und weitergehende Forderungen zur Eindämung des illegalen und halblegalen Kinderhandels sind zu stellen. Den Jugendämtern und anderen Vermittlungs- und Fachstellen empfiehlt sich von daher eine kritische Auseinandersetzung mit der anstehenden StGB-Novellierung, vor allem bezüglich möglicher Implementationsdefizite und der weiterhin dringenden Forderung an die Bundesregierung, die Haager Konvention schnellstens zu ratifizieren.

Annegret Winter-Stettin terre des hommes Bundesrepublik Deutschland e.v.

Einführung Die vorliegende Studie befaßt sich mit einem Phänomen, das als Kinderhandel die Inbesitznahme von Kindern als Adoptivkinder bezeichnet. Als Kinderhandel sollen im folgenden alle Formen der Vermarktung von Kindern untersucht werden, in denen sie zum Zwecke der Adoption gehandelt bzw. benutzt werden. Dabei folgt Kinderhandel - wie andere Ware auch - den üblichen Gesetzen des Marktes: Das Angebot folgt der Nachfrage, die Trends den Gegebenheiten, die Orte den Vorlieben, die Logik der Gewalt.

KINDERHANDEL ZUM ZWECKE DER ADOPTION

1. Bestandsaufnahme In der Bundesrepublik Deutschland leben mehr als 20.000 Kinder, die als "ausländische" Adoptivkinder in deutschen Familien Aufnahme fanden. Wieviel es tatsächlich sind, weiß niemand genau zu sagen, denn Adoptionen mit Auslandsberührung ("Auslandsadoptionen") bewegen sich auf einem Terrain, in dem die Grenzen zwischen Legalität und Illegalität häufig nur schwer zu ziehen sind. Wer "sein" Kind auf eigene Faust ("privat") oder über einen Kinderhändler vermittelt ("kommerziell") der Adoption zuführt, weiß, daß die Preisgabe von Wissen - etwa gegenüber dem Jugendamt - eine Adoption unter Umständen gefährden könnte, Nicht-Wissen hingegen die Chance auf Adoption erhöht. Das Verschweigen von Wissen ebenso wie das Nicht-Wissen-Wollen, um weiteren Fragen vorzubeugen, dient in den meisten Fällen dazu, die eigene Mittäterschaft bei der Vermittlung bzw. Adoption des "ausländischen" Adoptivkindes zu kaschieren bzw. die Frage nach der Verantwortung überhaupt gar nicht erst aufkommen zu lassen.

1.1 Kinderhandel bis 1989/90 Die vorliegenden amtlichen Statistiken dokumentieren dieses Nicht-Wissen in geradezu hilfloser Weise. So fragt die amtliche Adoptionsstatistik zwar nach einer Beteiligung ausländischer Staatsangehöriger, doch lassen sich daraus weder präzisierenden Erkenntnisse über das Herkunftsland des Kindes noch über seine biographische Geschichte ableiten. Auch der von der Bundesfamilienministerin Rita Süßmuth vorgelegte "Bericht über die Entwicklung der Adoptionsvermittlung" (1984-1986) bietet keine detaillierten Kenntnisse über die Herkunft des adoptierten Kindes, obwohl "die Lage dadurch gekennzeichnet (ist), daß dem zunehmenden Mangel an zur Adoption freigegebenen deutschen Kindern dadurch begegnet wird, daß Adoptionsbewerber sich um die Adoption ausländischer Kinder bemühen". So hatte sich die Zahl der zur Adoption "freigegeben" Kinder seit 1977 - mit dem Spitzenjahr 1978, in dem 11.224 Adoptionen registriert wurden - "kontinuierlich rückläufig" entwickelt, während die Zahl der adoptionswilligen Paare im gleichen Zeitraum "drastisch" gestiegen war. Im Ergebnis standen damit einem zur Adoption "freigegebenen" Kind 29 adoptionswillige, meist "unfreiwillig kinderlose" Paare gegenüber, von denen allerdings mehr als 90% einen Säugling oder ein Kleinkind zu adoptieren wünschten - wodurch sich die Adoptionschancen älterer oder behinderter Kinder, wie in einem einzigen Satz angemerkt, nicht gerade verbessern sollten.

"Ausweislich der amtlichen Jugendhilfestatistik", so der Bericht aus dem Bundesfamilienministerium, "wurden 1986 von deutschen Eltern insgesamt 6.633 (1982: 7.882) deutsche Kinder (einschließlich Verwandtenadoptionen) und gleichzeitig 1.004 (1982: 1.007) ausländische Kinder adoptiert. Fast jedes siebte (1982: achte) Kind, das von deutschen Eltern(sic!) adoptiert wurde, war somit ein ausländisches Kind, außerhalb des Verwandtenkreises betraf 1986 jede vierte Adoption (1982 noch jede fünfte) ein ausländisches Kind". Ohne auch nur mit einem Wort auf die bereits offenkundig gewordene Vermarktung von Kindern zum Zwecke der Adoption einzugehen - verwiesen wird in diesem Zusammenhang lediglich auf den im Juli 1984 erschienenen (ersten) Bericht über "Die Entwicklung der Adoptionsvermittlung im Bundesgebiet von 1977 bis Mitte 1984" -, wird angemerkt, daß die autorisierten Adoptionsvermittlungsstellen "die Vermittlung einer großen Zahl von ausländischen Kindern aus grundsätzlichen, in jahrzehntelanger Vermittlungspraxis erhärteten Erwägungen und Erfahrungen nach wie vor ablehnen." Begründet wird diese Haltung sowohl im Hinblick auf die unterschiedlichen Rechtsordnungen in den Herkunftsländern der Kindern, als auch auf die als schwierig beschriebene "Überbrückung der oft gravierenden ethnischen, kulturellen und sozialen Unterschiede", weshalb die Ausreise der Kinder nur nach einer abgeschlossenen sozialen und rechtlichen Vorbereitung und Vorklärung im Herkunftsland erfolgen sollte.

Nach Ansicht der autorisierten Adoptionsvermittlungsstellen habe sich nämlich das Bemühen für das "elternlose" oder aus anderen Gründen in Not geratene Kind vorrangig auf seinen Verbleib im Heimatland zu richten , zumal "in letzter Zeit wiederholt Vermittlungen ausländischer Kinder an deutsche Eltern(sic!) durch nicht autorisierte Privatpersonen festgestellt" worden seien. Der Bericht über die "Entwicklung der Adoptionsvermittlung im Bundesgebiet von 1977 bis Mitte 1984" führt zu diesem Problem näher aus: "Nicht selten stehen bei diesen Privatvermittlungen, die nach dem Adoptionsvermittlungsgesetz verboten sind, finanzielle Interessen der "Vermittler" im Vordergrund. Sie versuchen, den dringenden Wunsch mancher Adoptionsbewerber nach einem Kind geschäftlich auszunutzen..." Interessant und entlarvend zugleich ist hier die - wahrscheinlich zutreffende - Bewertung des "privaten" Vermittlers als profitgeleitete Person, während die Motivation und Verantwortung der Kaufeltern mit keinem Wort in Zweifel - nicht einmal in Betracht - gezogen wird. Im Gegenteil. Sie erscheinen neben dem von ihnen gekauften Kind als gleichrangig Betroffene, weil sie (verständlicherweise?) von dem "dringenden Wunsch" beherrscht werden, ein Kind adoptieren zu müssen, so daß der Eindruck entsteht, als ob sie und nicht die Mütter bzw. Familien der gehandelten Kinder vom Kinderhandel betroffen sind. Über diese Bewertung wird im Verlauf der Studie noch des öfteren zu sprechen sein. Sie ist m.E. der Schlüssel dafür, warum die persönliche, gesellschaftliche und politische Verantwortung für Kinderhandel nach wie vor entweder auf den "privaten" Vermittler oder - wechselseitig - auf die Dritte Welt gelenkt wird, die arm ist, korrupt und weit weg. Dagegen erscheint die Beteiligung der Kaufeltern und Experten (Rechtsanwälte, Familienrichter, Heimleiter und Hebammen) offenbar als dem Kindeswohl zuträglich - eine offenbar weit verbreitete Ansicht, die im übrigen immer dann Wirkung entfaltet, wenn "verlassene Mütter" die Herausgabe ihrer Kinder verlangen.

Über die biographische Geschichte der "ausländischen" Adoptivkinder erfahren wir in den genannten Berichten über die Entwicklung der Adoptionsvermittlung so gut wie nichts. Erst eine im Sommer 1988 von der Gemeinsamen Zentralen Adoptionsstelle der vier norddeutschen Länder (GZA) in Hamburg veranlaßte Untersuchung förderte das Wissen zutage, mit dem sich das Phänomen Kinderhandel deutlich erkennen ließ. So ermittelte die GZA Hamburg, die von Amts wegen über alle Auslandsadoptionen, die in Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein durchgeführt bzw. beantragt werden, unterrichtet werden muß, für die Jahre 1984-1987 insgesamt 1.046 Adoptionen mit Auslandsberührung, von denen 638 (61%) die Adoption eines Kindes aus der Dritten Welt auswiesen. Die meisten dieser Kinder kamen aus:

SÜDKOREA (141 Kinder) INDIEN (74 Kinder) PHILIPPINEN (64 Kinder) KOLUMBIEN (47 Kinder) CHILE (46 Kinder) BRASILIEN (36 Kinder) SRI LANKA (33 Kinder) THAILAND (33 Kinder) PERU (19 Kinder) und GHANA (13 Kinder).

506 (80%) der insgesamt 638 Adoptivkinder aus der Dritten Welt kamen also aus diesen zehn Ländern, allesamt Schwellenländer, die per definitionem ein jährliches Pro-Kopf-Einkommen (1978) von 1.100 bis 3.500 US-Dollar ausweisen. Dies bedeutet, daß 80% (506) aller Adoptivkinder aus der Dritten Welt aus nur zehn Ländern stammen, Ländern, die keineswegs zu den ärmsten Ländern dieser Welt (Least Developed Countries) gezählt werden, wo das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf weniger als 250 US-Dollar beträgt. Wie der Untersuchung der GZA (Hamburg) weiter zu entnehmen ist, liegt die Vermittlung von Adoptivkindern aus Südkorea, Indien, Kolumbien, Peru und den Philippinen "mehr oder weniger" in den Händen autorisierter Vermittlungsstellen, obwohl der Anteil von Privatadoptionen insbesondere in Indien, Kolumbien und auf den Philippinen als "weiterhin recht hoch" bezeichnet wurde. Nach Auffassung der GZA (Hambung) kann im übrigen immer dann von einer Privatadoption gesprochen werden, wenn weder im Herkunfts- noch im Aufnahmeland eine staatliche anerkannte Vermittlungsstelle beteiligt war, die Adoption also unter Umgehung jeder behördlichen Aufsicht vorgenommen wurde.

Tatsächlich wurde bei der näheren Prüfung von 300 der insgesamt 638 Adoptionsverfahren festgestellt, daß lediglich 134 (45%) Kinder unter Mitwirkung staatlicher oder staatlich anerkannter Vermittlungsstellen, 166 (55%) Kinder jedoch "auf eigene Faust" adoptiert worden waren, ohne daß die selbsternannten "Adoptiveltern" die von ihnen angestrebte Adoption damit möglicherweise selbst sabotiert hätten. Dies erstaunt umso mehr, als "die Adoptionsunterlagen bei Privatadoptionen (insbesond. Einwilligungserklärungen der Eltern, Geburtsurkunden der Kinder, Sozialberichte und Gesundheitsatteste, behördliche und gerichtliche Verfügungen) in der Regel kraß von jenen abweichen, die bei Einschaltung einer offiziellen Vermittlungsstelle beigebracht werden". terre des hommes hat aus diesem Grunde immer wieder betont, daß sich sein Engagement vor allem gegen Privatadoptionen richte, die sich "meistens gerade noch im Rahmen oder in der Grauzone der Legalität" bewegen, zugleich jedoch den Löwenanteil am Phänomen Kinderhandel zu verantworten hätten.

Trotz der zum Teil schwierigen (verschwiegenen) Aktenlage ließ sich der biographische Hintergrund dieser Kinder wenigstens in Grundzügen nachvollziehen. So kommt die Studie zu dem Ergebnis, daß 73% (218) der insgesamt 300 Adoptivkinder zum Zeitpunkt der Aufnahme in die deutsche Familie das 2. Lebensjahr noch nicht erreicht hatten, wobei 58 von ihnen bereits in den ersten zwei Monaten ihres Lebens aufgenommen worden waren. Dabei wurden die Einwilligungserklärungen zur Adoption des Kindes, soweit diese überhaupt vorlagen, regelmäßig innerhalb dieses Zeitraums abgegeben. Hier sei angemerkt, daß nach deutschen Adoptionsrecht eine solche Einwilligung frühestens acht Wochen nach der Geburt erteilt werden darf, um den Müttern eine gewisse Zeit zu geben, ihre Entscheidung gegebenenfalls noch einmal zu überdenken. Auch kann davon ausgegangen werden, daß nach einer Versorgung im eigenen Land - die nach Ansicht der autorisierten Vermittlungsstellen doch Vorrang haben sollte - gar nicht erst gesucht wurde. Die frühe Aufnahme in der Adoptivfamilie steht einem solchen Ziel diametral entgegen. Ziel aller Bemühungen ist in diesen Fällen offenbar die Aufnahme des Kindes in der "fremden" Familie, nicht der Verbleib des "fremden" Kindes in der eigenen Familie.

Darüber hinaus ergab die Untersuchung - entgegen der weit verbreiteten und gerne geglaubten Ansicht, daß es sich bei den adoptierten Kindern um "Waisenkinder" oder doch wenigstens um "verlassene" Kinder handele -, daß nahezu die Hälfte der adoptierten 300 Kinder Mütter bzw. eigene Familien hatten. Lediglich in 7% der untersuchten Fälle konnte die Mutter bzw. die Familie des Kinder nicht ermittelt werden, doch fehlt auch nicht der Hinweis darauf, daß einige der betroffenen Länder, zum Beispiel Südkorea, die vermittelten Adoptivkinder generell als "verwaist" kennzeichnet, ungeachtet des tatsächlichen sozialen Status des Kindes. Der Untersuchung zufolge lebten jedenfalls nur 150 (50%) der insgesamt 300 adoptierten Kinder vor ihrer Aufnahme in die deutsche Adoptionsfamilie in einem Heim, während die übrigen 122 Kinder (41%) bis dahin bei ihren Müttern bzw. in ihren Familien oder in Pflegefamilien gelebt hatten - ein deutliches Indiz dafür, daß die Mär vom "verlassenen" Kind allenfalls dazu dient, den eigenen Adoptionswunsch durchzusetzen bzw. öffentlich oder vor sich selbst zu legitimieren. Zu den Ursachen dieser Entwicklung äußert die GZA (Hamburg) die Vermutung, daß unfreiwillige Kinderlosigkeit - neben der bereits erwähnten rückläufigen Zahl von zur Adoption "freigegebenen" Kindern - offenbar "eine neue sozialpsychologische Geißel hochentwickelter Industriegesellschaften zu werden scheint". Allgemeinen Schätzungen zufolge handelte es sich dabei um 1 bis 3 Mio. betroffene Paare (Ehepaare), von denen eine wachsende Zahl - vielfach nach ebenso "unglücklichen" Versuchen in den verschiedenen Programmen der Reproduktionsmedizin - offenbar "wild" entschlossen war, das fehlende Kind aus der Dritten Welt zu adoptieren, auch, wenn der einmal eingeschlagene Weg geradewegs in den Kinderhandel führen sollte.

Daß der Unterschied zwischen Privatadoption und Kinderhandel tatsächlich nur graduell ist, wird durch die Untersuchung der GZA Hamburg unter anderem auch dadurch bestätigt, daß in 70 der 300 geprüften Adoptionsunterlagen "eindeutige Hinweise auf kommerzielle, illegale oder kriminelle Praktiken" gefunden wurden. Im Ergebnis bedeutet dies, daß 23% der im Untersuchungszeitraum überprüften Adoptionen bzw. 42% der als Privatadoptionen bezeichneten Adoptionen sowohl den gesetzlichen Bestimmungen der Bundesrepublik als auch denen in den Herkunftsländer der Kinder eklatant zuwiderlaufen, was allerdings dem Erfolg des Unternehmens - die Adoption eines Kindes aus der Dritten Welt - offensichtlich nicht hinderlich war. Sämtliche Adoptionen wurden vollzogen. Zwar beschränken sich die in der Studie gewonnenen Daten auf nur vier Bundesländer, doch dürfen ihre Ergebnisse nach übereinstimmender Ansicht dennoch als repräsentativ für das gesamte Bundesgebiet (Staatsgebiet der damaligen Bundesrepublik Deutschland) angenommen werden. Bis zum heutigen Tag sind die "Daten und soziale Hintergründe der Adoption von Kindern aus der Dritten Welt" der GZA Hamburg die einzige Quelle, mit der das Ausmaß von Kinderhandel - von Amts wegen - sichtbar und damit in die eigene Verantwortung genommen wurde.

Zweifellos hat das Kinderhilfswerk terre des hommes "bei der Bekämpfung des internationalen Kinderhandels Pionierarbeit geleistet" , obwohl auch terre des hommes die Adoption eines Kindes aus der Dritten Welt im Einzelfall befürwortete und durch eigene Vermittlungen förderte. So wurden von 1967-1986 insgesamt 2.300 Kinder über terre des hommes in deutsche Familien vermittelt, vor allem aus Südkorea, Indien, Sri Lanka, Vietnam, Kolumbien, Ecuador und den Philippinen. Dabei orientierte sich terre des hommes an einem Kriterienkatalog, der in der Schlußerklärung einer internationalen Konferenz über "Das Recht des Kindes auf eine Familie: Auf der Suche nach alternativen Strategien im Land" in Neu Delhi (1984) ausdrücklich bestätigt wurde. Dieser Kriterienkatalog umfaßt neben verschiedenen strukturellen und gesellschaftlichen Hilfen für verlassene Kinder und deren Mütter auch die Möglichkeit der Adoption ins Ausland. Diese wird allerdings nur dann in Erwägung gezogen, wenn die einzelnen Umstände, die zur Verlassenheit des Kindes geführt haben, ebenso sorgfältig geprüft wurden wie die Möglichkeiten seiner Rehabilitation in der Ursprungsfamilie. Erst, wenn auch die Suche nach geeigneten Adoptiv- und Pflegeeltern im Land selbst erfolglos geblieben war, sollte der dritte Schritt möglich sein: die Vermittlung eines (nachweislich) verwaisten oder verlassenen Kindes in eine ausländische Adoptivfamilie. Während Roland Müller die von terre des hommes vermittelten Auslandsadoptionen jedoch "ausdrücklich" auch als Projekthilfe verstanden wissen will , vertritt Peter Eisenblätter in Verlassene Kinder den Standpunkt, daß Auslandsadoptionen "an den vielschichtigen Problemen der Verlassenheit von Kindern, aufs Ganze gesehen, nichts ändern und daß sie deshalb auch keine wirkliche Lösung der Probleme darstellen" - ein Standpunkt, der nach seiner Kenntnis in den von Kinderhandel betroffenen Ländern auch von denen eingenommen wird, die selbst mit Adoptionen zu tun haben. So habe er in seinen Gesprächen immer wieder erfahren müssen, daß der in den westlichen Industrienationen hervorgerufene "Bedarf" an Adoptivkindern inzwischen "die ernsthafte Frage zu verdrängen droht, welche anderen und vorrangigen Probleme des Kampfes gegen die Verlassenheit von Kindern in den Projektländern eigentlich verwirklicht werden müßten". In einigen Ländern habe diese Entwicklung bereits zu der absurden Situation geführt, daß die Nachfrage nach Adoptivkindern größer sei als die Zahl von Kindern, die tatsächlich zur Adoption vermittelt werden können. Dies habe bei den terre des hommes-Projektpartnern den Eindruck entstehen lassen, "daß es immer weniger darum geht, die Länder in ihrem Kampf gegen die Verlassenheit von Kindern zu unterstützen, sondern, daß man etwas von ihnen haben will, nämlich Kinder".

Diese in den Jahren 1984-1986 von terre des hommes gemachten Erfahrungen lassen bereits erkennen, daß in den von Kinderhandel betroffenen Ländern ein regelrechter Markt entstanden war, auf dem Käufer (die sog. adoptionswilligen Paare) und Verkäufer (Händler, Vermittler, Heime) in Konkurrenz traten zu den Bemühungen und Zielen, die dem Verlassen von Kindern entgegenwirken sollten. Insbesondere der kalkulierte Einsatz von Geld führte dazu, daß Maßnahmen, die sich auf den Verbleib des Kindes im Heimatland richteten, zugunsten von Auslandsadoptionen ins Hintertreffen gerieten. Für die an Auslandsadoptionen beteiligten Heime - darunter auch zahlreiche kirchliche - schien es zwischenzeitlich allemal profitabler, "verlassene" Kinder ins Ausland zu vermitteln statt nach Möglichkeiten seiner Reintegration in die eigene oder seine Aufnahme in eine inländische Adoptivfamilie auch nur zu suchen. So trugen Auslandsadoptionen in den betroffenen Ländern auf geradezu tragische Weise dazu bei, sowohl Inlandsadoptionen zu verhindern als auch Heime und Heimeinweisungen von Kindern zu stabilisieren, "während das Ziel doch eigentlich sein müßte", so Peter Eisenblätter zu den Verlassenheit-fördernden Effekten von Auslandsadoptionen, "Heime abzubauen".

Aller Aufklärung zum Trotz setzte sich diese verhängnisvolle Entwicklung - wie wir gesehen haben: von der Politik weitgehend unberücksichtigt - in den kommenden Jahren fort. So spricht terre des hommes in seinem Themenheft Kinderhandel denn auch offen aus, was in den Beziehungen zwischen den reichen ("kinderlosen") Industriestaaten im Norden und den armen ("kinderreichen") Ländern im Süden unter dem Deckmäntelchen der humanitären Hilfe längst Realität geworden war: "Kinder als Ware. Kinderhandel". Aufgrund einschlägiger Erfahrungen in den Projektländern und untermauert durch die bereits zitierten Ergebnisse der Hamburger Untersuchung über "Daten und soziale Hintergründe der Adoption von Kindern aus der Dritten Welt" sah terre des hommes das Ziel einer Adoption - dem Kind eine Familie zu geben - nachgerade in sein Gegenteil verkehrt: Nicht um einem Kind zu helfen, würde adoptiert, sondern um ein Kind zu bekommen. Nichts schien da näher zu liegen, sich den eigenen Kinderwunsch "beinahe um jeden Preis" selbst zu erfüllen. "Beinahe jeder Preis heißt im Schnitt 30.000 DM. Ein Kind kostet hierzulande soviel wie ein Mittelklassewagen. Beinahe jeder Preis heißt aber auch, daß mit dem Einkauf von Kindern aus der Dritten Welt eben diese Kinder auf der Strecke bleiben. Kleine Kinder, gesunde Kinder, hellhäutige Kinder - die Nachfrage sorgt für das Angebot. Wo Menschen bereit sind, so viel Geld für ein Kind auf den Tisch zu legen, schaffen sie - bewußt oder unbewußt - den Anlaß, solche Kinder zu besorgen". Die Nachfrage bestimmt das Angebot, die Käufer die Ware, die Händler das Geschäft: "Ohne die Abnehmer bei uns", so Klaus Schmidt, der Vorsitzende von terre des hommes, anläßlich einer Pressekonferenz. "würden die kleinen schmutzigen Geschäfte gar nicht funktionieren".

Wer aber sind sie, die "Abnehmer", die sich ein Kind aneignen, als handele es sich dabei um einen fleischgewordenen Mittelklassewagen? Ein Kind aus der Dritten Welt zu adoptieren, auf eigene Faust oder vermittelt über eine Agentur, das erforderte, über hohe Summen hinaus, ein "standing", daß man erst einmal besitzen mußte. So lag das Alter der "Adoptivpflegeeltern" bei Aufnahme des ausländischen Kindes überwiegend zwischen 30 und 40 Jahren (67%), während 31,5% zu diesem Zeitpunkt bereits älter als 40 Jahre waren. "Der relativ hohe Anteil von Adoptivpflegeeltern von Kindern aus der Dritten Welt, die älter als 40 Jahre sind, ist insbesondere im Hinblick auf das Aufnahmealter der Kinder, die zu mehr als 90 Prozent jünger als vier Jahre sind, erstaunlich. Ist es doch weitgehend juristisch und entwicklungspsychologisch abgesicherte Praxis bundesdeutscher Adoptionsvermittlungsstellen, Säuglinge und Kleinkinder nicht an Bewerber zu vermitteln, die das 35. Lebensjahr überschritten haben. Die Annahme scheint begründet, daß unter den über 40jährigen Auslandsadoptiveltern viele zu finden sind, die sich privater Vermittler bei ihrer Adoption bedient haben, weil sie im Inland keine Chancen auf Vermittlung eines Kleinkindes mehr hatten."

Es überrascht daher vielleicht kaum noch, daß von den Adoptivpflegeeltern "fremder" Kinder "nach dem klassischen soziologischen Schichtenmodell" niemand(!) der sozialen Unterschicht angehört. Lediglich neun (3 %) der insgesamt 300 Adoptivpflegeeltern ließen sich nach Ausbildung, Beruf und Einkommen der unteren Mittelschicht zurechnen, während 65 (22 %) der mittleren Mittelschicht und 196 (65 %) der oberen Mittelschicht zuzurechnen waren, weitere 30 (10 %) jedoch zur Oberschicht zählten. Dabei war der Anteil derer, die zum Zeitpunkt der Aufnahme des ausländischen Adoptivkindes bereits leibliche bzw. adoptierte deutsche oder ausländische Kinder hatten, durchaus nicht so gering, wie gemeinhin vermutet wird. Von den untersuchten Adoptivpflegeeltern jedenfalls lebten 81 bereits mit Kindern, 219 hingegen waren ("wie zu vermuten ist unfreiwillig") kinderlos bzw. bereits in einem Alter, in dem die Aussicht auf ein eigenes Kind bereits unrealistisch geworden war. (Während die "Berichte über die Entwicklung der Adoptionsvermittlung" und die Untersuchung der GZA (Hamburg) die Zahl der "unfreiwillig kinderlosen" Paare (Ehepaare) auf 1,5 bis 3 Mio. schätzte, sprach Pro Familia von zehn bis zwanzig Prozent betroffener Paare (Ehepaare), "bei steigender Tendenz".

Auf der anderen Seite - im Schatten des neuen Elternglücks - verzeichnete terre des hommes eine wachsende Zahl von Müttern, die sich "einzig und allein durch ihre wirtschaftliche Lage gezwungen" sahen, sich von ihren Kindern zu trennen. Sie blieben verlassen zurück, ohne jede Chance, ihre Kinder einmal wiederzusehen. Dabei war der Anteil der Frauen, die sich "freiwillig" für die Abgabe ihres Kindes entschieden hatten, terre des hommes zufolge "äußerst gering", während bei zwei Dritten aller abgebenden Mütter "ein konkreter Zusammenhang mit ihrer wirtschaftlichen Situation" auszumachen war, sofern nicht die Diskriminierung lediger Mütter für die Entscheidung der Frauen ausschlaggebend war, und zwar unabhängig davon, ob der Schwangerschaft Liebe oder Vergewaltigung vorausgegangen war. Aus guten Gründen beschloß das Kinderhilfswerk daher im Juni 1987, seine Vermittlungstätigkeit weiter einzuschränken und von der Vermittlung von Kinder aus Süd-Korea zukünftig ganz abzusehen, da man zu der Überzeugung gekommen war, daß man diesen Kindern - statt sie ins Ausland zu vermitteln - "mit etwas mehr Mühe eine Zukunft bei ihren Müttern hätte sichern können". Damit aber war der Schnittpunkt dessen erreicht, so Bert Strebe, "an dem die fachkundig und gewissenhaft durchgeführte Adoptionsvermittlung im Interesse des Kindes umschlägt in etwas, das gefährlich nahe an der Verschiebung von Kindern im Interesse der potentiellen Adoptiveltern liegt". Das Kinderhilfswerk war entschieden, Auslandsadoptionen fortan nur noch in ("geprüften") Einzelfällen zu unterstützen, mit dem erklärten Ziel, "Adoptionen vermeidbar (zu) machen".

Daß diese Position von terre des hommes keineswegs "aus dem Bauch heraus", sondern infolge eines über die Jahre bzw. Jahrzehnte hinweg kontinuierlich entwickelten Lern- und Erfahrungsprozesses praktisch unvermeidbar geworden war, läßt sich auch durch eine sehr frühe Reportage im SPIEGEL belegen, der das Thema Kinderhandel am 12. Juli 1982 als Titelgeschichte präsentierte und die "Adoption auf Bestellung" damit erstmals in die öffentliche Verantwortung nahm. Dem SPIEGEL zufolge war zwischenzeitlich eine "blühende Multimillionen-Dollar-Exportindustrie" entstanden, in der die Ware Kind mit hohen Profitraten auf den Weltmarkt geworfen werde. Die Polizei erziele dabei allerdings nur "Zufallstreffer" , während die meisten Adoptionen schließlich selbst dann vollzogen würden, "wenn die Sache krumm und schief ist". Schon damals ist von einer "Adoptionswut" die Rede, und ebensowenig fehlt der Hinweis darauf, daß terre des hommes eine Auslandsadoption nur als "Notlösung" in Erwägung zieht, "nämlich, wenn dem Kleinkind in seiner Heimat nicht mehr geholfen werden kann und eine Adoption im Lande wegen sozialer oder religiöser Tabus" praktisch unmöglich ist. Da viele Adoptionsbewerber jedoch "nicht warten wollen, bis der Papierkrieg einer legalen Adoption ausgestanden ist", kämen Jahr für Jahr rund 1.000 Adoptivkinder "auf anderen, kommerziellen Wegen" in die Bundesrepublik, "im Schnellverfahren, unter Umgehung des anerkannten Adoptionsweges, auf Privatinitiative..." Im Gegensatz zum STERN, der das Thema erst spät aufgriff und dabei ganz offenbar vor allem bedacht war, sein Klientel zu bedienen, statt diesem seine "Wunschkinder aus der Dritten Welt" vorzuenthalten, gab der SPIEGEL die hier zum Ausdruck gebrachte kritische Betrachtungsweise des Phänomens Kinderhandel in keinem der später noch folgenden Beiträge auf - ein durchaus beachtenswertes Faktum, das keineswegs als SPIEGEL-typisch angenommen werden darf. Dennoch mag auch dieser Artikel dazu beigetragen haben, die Vermittlungstätigkeit der (legalen) holländischen Agenturen wie Flash, Burger-Meinster und "Kind und Zukunft" hierzulande zu popularisieren, zumal Namen und Adressen zu dieser Zeit noch wie bare Münze "gehandelt" wurden.

In diesem Zusammenhang sei endlich auch auf das rororo-Taschenbuch "Gekaufte Kinder. Babyhandel mit der Dritten Welt" hingewiesen, das 1986 erschien und eine detaillierte Zusammenschau des Phänomens Kinderhandel bietet. Wie Rolf P. Bach im Vorwort erläutert, war er - in seiner Funktion als Leiter der GZA (Hamburg) - zunächst "erstaunt, dann zunehmend irritiert über die ebenso makabren wie illegalen und kriminellen Praktiken des weltweiten Kinderhandels", die er jedoch für Ausnahmeerscheinungen hielt, bis schließlich nicht mehr zu übersehen war, "daß nur ein kleiner Teil der Adoptionen von Kindern aus Asien und Südamerika verantwortungsbewußt und legal durchgeführt", überwiegend jedoch der Grundsatz "Eltern für Kinder" in sein Gegenteil verkehrt würde. "Es werden "Kinder für Eltern" gesucht. Eltern, die bereit sind, auf den grauen und schwarzen Märkten in aller Welt nahezu jeden Preis für das begehrte Gut zu zahlen." Da ihm wissenschaftliches und statistisches Material nicht zur Verfügung stand, machte sich Rolf P. Bach daran, die ihm zur Verfügung stehenden amtlichen und persönlichen Erfahrungsberichte, Zeitungsberichte, Konferenzprotokolle, polizeilichen Ermittlungsakten sowie die "wenigen Untersuchungen, die es zumindestes über die legal adoptierten Kinder aus der Dritten Welt und ihren weiteren Lebensweg gibt", auszuwerten. Herausgekommen ist eine Zustandbeschreibung, die nach seinen eigenen Worten "mehr über die sozialpsychologische Verfassung unserer Gesellschaft aus(sagt), als uns lieb sein kann". Beschrieben und auf Fakten gestützt werden die Mittel und Wege aufgespürt, die über den "Königsweg" Auslandsadoption zu einem "eigenen" Kind führen, wobei auch "die selbsternannten Retter und ihre Motive" beleuchtet werden, die sich in alter (neuer) Kolonialistenmanier offenbar von nichts aufhalten lassen, was der Adoption "ihres" Kindes im Wege stehen könnte. Wer sich bis dahin noch hinter dem Glauben sicher wähnte, daß den Kindern in der Dritten Welt durch Adoptionen geholfen werden könnte, muß spätestens nach der Lektüre dieses Buches zur Kenntnis nehmen, daß diese vielmehr "wie kostbare Schößlinge" (Betty Jean Lifton) gehandelt werden, "von erfinderischen Reichen geerntet auf den Feldern der degenerierten Armen".

Auch in den von Heinz G. Schmidt gesammelten "Reportagen vom schmutzigsten Geschäft der Welt" ist vielerorts von Kinderhandel die Rede: zum Beispiel in Honduras, wo Senora Yolanda eines dieser "engordadoras" führt, jene Häuser, in denen Säuglinge für den Kindermarkt aufgepäppelt werden, damit sie "gutes Geld" bringen; oder in Peru, wo das Ehepaar Alcoser auf die "famose Idee" kam, die Kinder alleinstehender Mütter zu betreuen, um sie der Adoption zuzuführen; oder in Guatemala, wo die Militärs im Zuge der Aufstandbekämpfung die Kinder der indigenen Bevölkerung mit sich nehmen, um sie als "Waisenkinder" in Heime zu stecken - oder in eines der Hermann-Gmeiner Kinderdörfer, z.B. das in Retalhuleu. "Dieser Kindermarkt", so Heinz G. Schmidt in seinem Vorwort, "ist möglich, weil Armut und Unterdrückung nach Meinung vieler Zeitgenossen auf der nördlichen Halbkugel festgefügten Ordnungen entsprechen. Weil die südliche Halbkugel unserer Marktmacht ausgeliefert ist. Und weil wir die Folgen dieser ungerechten Verteilung mit Gleichgültigkeit betrachten. Und, wie einzelne Fälle in diesem Buch zeigen, auch wünschen. Unser Überlegenheitsgefühl kennt kein Maß."

Obwohl aber die Zahl der Adoptionen ausländischer Kinder in diesen Jahren kontinuierlich anstieg - so waren 784 der (1985) in der Bundesrepublik insgesamt adoptierten 4.103 Kinder ausländischer Herkunft - wurde das Thema Kinderhandel bis in die späten 80er Jahre in der Presse nur vereinzelt aufgegriffen. Allerdings finden sich hier und da auch Beiträge, die sich über den skandalösen Einzelfall hinaus auch an dem Phänomen Kinderhandel interessiert zeigten. So beschäftigt sich ein in der ZEIT veröffentlichter Beitrag von Rita Neubauer und Willi Germund insbesondere mit der Frage, "wie in Mittelamerika an Adoptionen verdient wird". Nach ihren Recherchen wurden allein drei Viertel (75 %) der 1987 in die USA adoptierten 250 guatemaltekischen Kinder "auf privater Ebene" vermittelt - mit Hilfe von Anwälten, die pro Kind 5.000 bis 10.000 Dollar Provision veranschlagen. Diese arbeiten dem Bericht zufolge mit "Engordadoras" (Mästerinnen) und Sozialarbeiterinnen zusammen, die die Mütter bzw. schwangeren Frauen vielfach bereits vor der Geburt veranlassen, ihre Kinder "in bessere Hände" zu geben. Daß es sich dabei um ein Geschäft handelt, ist so glasklar wie der abschließende Hinweis, daß Adoptionen "die soziale Problematik in der Region ohnehin nicht lösen können". Neben der FRANKFURTER RUNDSCHAU publizierten auch die STUTTGARTER NACHRICHTEN einige Beiträge, die das Thema Kinderhandel "über den Tellerrand hinweg" beleuchteten. So berichten die STUTTGARTER NACHRICHTEN anläßlich einer soeben (1986) in Sri Lanka aufgeflogenen "Baby-Bande" , daß das Bundeskriminalamt mit dem Verkauf ausländischer Babys an Deutsche bisher in keinen Fall beschäftigt gewesen sei, "obwohl einige "Lieferanten" und mindestens 40 "Abnehmer" von verkauften Babys Deutsche sind". Dabei geht Horst Zimmermann vor allem der Frage nach, warum die bestehenden internationalen Vereinbarungen bislang keine Wirkung gezeigt haben, weshalb "die meisten Baby-Käufer keine Bedenken" haben, ein Kind zu adoptieren, für dessen Besitz sie "mehrere zehn Tausender" hinzublättern bereit sind. In "Chiles Mafia organisiert auch den Handel mit Adoptivkindern" wiederum berichtet Ulrich Achtermann von einem schwunghaften Handel mit Babys aus dem Lande Pinochets, der über "halbseide Rechtsanwälte" abgewickelt würde, die für ihre Dienste bis zu 27.000 Mark verlangen. 2.500 chilenische Kinder (Babys) sollen auf diesem Wege exportiert (adoptiert) worden seien, wobei die offiziellen Statistiken "die wahre Dimension" des Kinderhandels allerdings nicht erkennen ließen, da diese nur die legal abgewickelten Adoptionen ausweisen. Immerhin wurden 1986 (offiziell) 683 chilenische Kinder ins Ausland adoptiert, davon allein 41 in die Bundesrepublik. So weiß auch Jürgen Dauth in der FRANKFURTER RUNDSCHAU darüber zu berichten, daß sich hinter den "scheinbar honorigen Fassaden" legaler Adoptionsvermittlungen eine moderne Form des Sklavenhandels entwickelt habe, der als "schwärzester aller Schwarzmärkte" mit den Kindern der Armut Geschäfte treibe. "Zwischen Oktober 1981 und März 1986 wurden 166 Kinder legal aus Guatemala exportiert, 79 nach den USA, 27 nach Belgien, 16 nach Italien, 13 nach Kanada, 12 nach Norwegen, 8 nach Schweden, 6 in die Bundesrepublik Deutschland und 5 nach Frankreich", wobei zu befürchten sei, daß einige dieser Kinder in Wirklichkeit nicht der Adoption, sondern der Prostitution zugeführt werden. Auch Monika M. Metzner nimmt die Geschäfte des "Grafen" Adelmann lediglich zum Anlaß, um in "Ein Kind um jeden Preis" den Spuren eines internationalen Kinderhandels nachzugehen, auch wenn sie vor der Konsequenz ihrer Aussage selbst wieder zurückzuschrecken scheint. Der von Sigrid Latka-Jöhring verfaßte Artikel "Kinder als Ware" wiederum rekurriert auf die von den GRÜNEN IM BUNDESTAG eingebrachte parlamentarische Anfrage "Zum Problem privater und kommerzieller Adoptionsvermittlung in der Bundesrepublik Deutschland (Kinderhandel)", die mit dem Ziel eingereicht worden sei, die Bundesregierung zu veranlassen, "ihren Informationsstand und ihren Handlungswillen offenzulegen". Von ihr soll im folgenden die Rede sein.

1.2. Kinderhandel seit 1989/90 Die Jahreswende 1989/90 stellt im Kontext von Kinderhandel eine erkennbare Zäsur dar. Während die Bundesregierung - offenbar provoziert durch das schamlose Auftreten von Adelmann und Konsorten - bestrebt war, der kommerziellen Vermittlung von Kindern durch eine Änderung des Adoptionsvermittlungsgesetzes "einen Riegel vorzuschieben" , verstärkte terre des hommes seine Bemühungen, die Bundesregierung über das Verbot kommerzieller Vermittlungen hinaus zu "Maßnahmen gegen Privatadoptionen/Kinderhandel" zu bewegen, die sich vor allem gegen die "zahlreichen Fälle" von Privatadoptionen richteten . Etwa zur gleichen Zeit reichten die Grünen im Bundestag eine in enger Abstimmung mit der GZA (Hamburg) und terre des hommes erstellte parlamentarische Anfrage ein, mit der das "Problem privater und kommerzieller Adoptionsvermittlung in der Bundesrepublik Deutschland (Kinderhandel)" endlich auch in die politische Verantwortung genommen werden sollte. So heißt es in der Vorbemerkung: "Die vorliegende Große Anfrage soll Aufschluß geben über Umfang und Erscheinungsformen des internationalen Kinderhandels, die Geschäftspraktiken der Händler und Agenturen, die Mittäterschaft der Adoptionsinteressenten, die Arbeit der autorisierten Vermittlungsstellen in der Bundesrepublik Deutschland und über Forderungen und Maßnahmen, die gegen den internationalen Handel mit Kindern ergriffen wurden oder noch ergriffen werden sollen."

ANTWORT DER BUNDESREGIERUNG AUF DIE GROßE ANFRAGE DER GRÜNEN IM BUNDESTAG: ZUM PROBLEM DER PRIVATEN UND DER KOMMERZIELLEN ADOPTIONSVERMITTLUNG IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND (KINDERHANDEL) Die Bundesregierung benötigte mehr als zehn Monate, um die ebenso umfangreiche wie detaillierte Anfrage zu beantworten. Obwohl sie darin die Tatsache des Kinderhandels selbst nicht in Zweifel zieht, verwehrt sie sich jedoch bereits in ihrer Vorbemerkung vehement gegen den ihrer Ansicht nach in der Öffentlichkeit entstandenen Eindruck, daß die Mehrzahl der hier lebenden Adoptivkinder aus der Dritten Welt "auf krummen Wegen" in die Bundesrepublik gekommen seien. "Das Gegenteil ist richtig. Selbst die "Privatadoptionen" kommen ganz überwiegend durch die Mitwirkung von in diesen Ländern tätigen kirchlichen Institutionen oder humanitären Hilfswerken zustande bzw. durch einzelne, sie unterstützende Personen. Hier besteht die generelle Einschätzung, daß es allen Beteiligten um das Wohl einzelner elternloser Kinder geht, die bei den nicht vorhandenen sozialen Infrastrukturen in diesen Ländern wenig Chancen für eine gedeihliche Entwicklung haben. Es erscheint wichtig, dies vorab zu betonen, nicht zuletzt im Interesse der vielen betroffenen Familien, die von einer einseitig informierten Öffentlichkeit zu Unrecht stigmatisiert werden können."

Die in dieser Bewertung vorgenommene Entlastung von Privatadoptionen von dem Vorwurf der Beteiligung an Kinderhandel kann als kennzeichnend für die von der Bundesregierung vertretene Politik gegen Kinderhandel angesehen werden. Solange kein Geld "im Spiel" ist bzw. dieses Geld nicht geradewegs in die Kassen kommerzieller Agenturen oder privater Kinderhändler fließt, wird unterstellt, daß es "allen Beteiligten um das Wohl einzelner elternloser Kinder" geht. Geradezu kurios wird es jedoch dort, wo die Bundesregierung die Intention der Großen Anfrage in ihr Gegenteil verkehrt, um sie sodann für sich selbst zu besetzen. So wollte sie erkannt haben, daß "die in der Anfrage aufbereiteten Tatsachenbehauptungen und Bewertungen zwischen Auslandsadoptionen und den Nöten, Mängeln und Bedrohungen, denen Kinder in Ländern der Dritten Welt ausgesetzt sind, einen Zusammenhang nahe(legen), der auf Beeinflussungsmöglichkeiten durch die Handhabung des Instruments der Adoption hinzudeuten scheint", wohingegen die Bundesregierung die Auffassung vertrat, "daß die gravierenden, auch oder insbesondere Kinder berührenden sozialen Probleme allenfalls in Einzelfällen durch Adoption solcher Kinder oder Verzicht auf eine derartige Adoption gelöst werden können." Im Kontext der Anfrage aber bleibt diese Antwort jedoch folgenlos. Sie scheint vielmehr die Funktion zu haben, überall dort, wo von Kinderhandel die Rede ist, in Abrede zu stellen, daß es um mehr geht als um "Einzelfälle".

Das "Problem privater und kommerzieller Adoptionsvermittlung" wird daher nur dort (indirekt) sichtbar, wo die Antworten der Bundesregierung nicht "grundsätzlich" , sondern in Verantwortung Dritter gegeben werden. So erfahren wir auf die Frage, wieviele Kinder die autorisierten Adoptionsvermittlungsstellen - terre des hommes, Internationaler Sozialdienst, Pro Infante, Eltern für Kinder und die Adoptions- und Pflegekindervermittlung des Caritas-Verbandes der Diözese Hildesheim - seit ihrer Gründung in die Bundesrepublik Deutschland vermittelt haben, daß:

· terre des hommes von 1967 bis Ende 1989 insgesamt 2.723 Kinder vermittelt hatte, wobei seit 1986 "ein stetiger Rückgang" zu verzeichnen war (1986: 114; 1987: 100, 1988: 69, 1989: 43 Kinder); · der Internationale Sozialdienst keine Angaben machen könne, da der Schwerpunkt seiner Tätigkeit "mehr im Koordinierungsbereich" läge; · der Verein Eltern für Kinder seit der Aufnahme seiner Vermittlungstätigkeit Ende des Jahres 1986 insgesamt 24 Kinder vermittelt hatte; · die Adoptions- und Pflegekindervermittlung der Caritas bis zum 31. Dezember 1989 57 Kinder und · Pro Infante in den Jahren 1980 bis 1989 insgesamt 772 Kinder vermittelt hatte, wobei über die Hälfte dieser Kinder (461) das 1. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten. Darüber hinaus fällt auf, daß die Vermittlungstätigkeit von Pro Infante seit 1985 einen steilen Aufwärtstrend aufwies (1985: 59, 1986: 72, 1987: 115, 1988: 118, 1989: 133) - möglicherweise (wenn auch nicht nur) in Korrelation zu der Entscheidung von terre des hommes, die Suche nach Alternativen Vorrang zu geben.

Die Gesamtzahl der in den Jahren 1984 bis 1987 in der Bundesrepublik adoptierten Kinder wiederum ergibt sich aus einer vom Statistischen Bundesamt erstellten Statistik, die allerdings - wie schon in der Untersuchung der GZA (Hamburg) angemerkt - keine Angaben über das Alter bzw. das Herkunftsland der adoptierten Kinder enthält. Nichtsdestotrotz läßt sich anhand dieser Statistik sozusagen mit einem Blick erkennen, daß der Anteil von Adoptionen mit Auslandsberührung kontinuierlich zunimmt, während die Zahl der Adoptionen insgesamt von Jahr zu Jahr geringer wird. So wurden

1982 insgesamt 9.145 Adoptionen vollzogen, darunter 1.117 Adoptionen ausländischer Kinder (12,2%); 1983 8.801 Adoptionen, darunter 1.041 ausländische (11,8%); 1984 8.543 Adoptionen, darunter 1.085 ausländische (12,7%); 1985 7.974 Adoptionen, darunter 1.066 ausländische (13,4%); 1986 7.875 Adoptionen, darunter 1.115 ausländische (14,2%); 1987 7.694 Adoptionen, darunter 1.136 ausländische (14,8%) und 1988 7.535 Adoptionen, darunter 1.238 ausländische (16,4%).

Zu berücksichtigen ist dabei, daß diejenigen ausländischen Kinder, die über ein falsches Vaterschaftsanerkenntnis adoptiert wurden, statistisch nicht als ausländische, sondern als deutsche Staatsangehörige gelten. Nach Ansicht der Bundesregierung gibt es allerdings "praktisch kaum eine Möglichkeit, bei Vorliegen eines entsprechenden Verdachts einen Nachweis zu erzwingen, da im Regelfall die tatsächlichen oder angeblichen leiblichen Mütter dieser Kinder den Behauptungen des angeblichen Vaters in formal korrekter Form zugestimmt haben". Immerhin gab das bayerische Landesjugendamtes an, daß es sich im Hinblick auf die Adoption philippinischer Kinder "in nahezu 50 Prozent der Fälle um Annahmen durch deutsche Stiefväter" handeln würde. Selbst unter der Annahme, daß einige der in Bayern verheirateten philippinischen Frauen eigene Kinder in die Ehe einbrachten, bleibt anzunehmen, daß eine nicht geringe Zahl deutscher Männer mit Rückgriff auf das Vaterschaftsanerkenntnis eine Adoption herbeiführten, ohne die (biologischen) Väter dieser Kinder zu sein.

Alle Fragen, die auf die Mittel und Wege von Privatadoptionen Bezug nehmen, werden von der Bundesregierung mit dem allgemeinen Hinweis zurückgewiesen, daß "Adoptionen durch Deutsche im Ausland ohne gerichtliche Mitwirkung grundsätzlich nicht wirksam sind". Sie will Privatadoptionen als Randerscheinung gewertet wissen, obwohl - von den einschlägigen Beobachtungen der GZA (Hamburg) war bereits die Rede - auch das Land Hessen von einer nicht unerheblichen Zahl von Privatadoptionen zu berichten weiß. So wurden dort in den Jahren 1984 bis 1989 offiziell nur 120 Kinder vermittelt, während der größte Teil der Kinder (299) "durch private Vermittlung nach Hessen" kam. Die Landesjugendbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen wiederum macht zwar keine Angaben über die Zahl von Privatadoptionen, doch führt sie Klage darüber, "daß sich aus den ausländischen Adoptionsunterlagen meist nicht ergebe, daß Einwilligungserklärungen der Eltern vorliegen, die inhaltlich den Anforderungen des § 1747 BGB entsprechen".

Nach den Motiven der Adoptionsinteressenten gefragt, gibt die Bundesregierung an, daß die humanitären Motive der 60er und 70er Jahre zwischenzeitlich in den Hintergrund getreten und durch "die Verwirklichung des biologisch nicht erfüllbaren Kinderwunsches" ersetzt worden sei. Diese Feststellung bleibt jedoch ohne Konsequenzen. Vielmehr nimmt die Bundesregierung die "Gelegenheit zum Anlaß, zu bekräftigen, daß der dringende Wunsch eines Paares Anerkennung verdient", soweit die gesetzlichen Vorschriften eingehalten und dem Kindeswohl Vorrang eingeräumt wird. Sie sieht "keinerlei Hinweise" dafür gegeben, daß - wie es in der Frage heißt - "eine nicht abzuschätzende Zahl" adoptionsinteressierter Paare (Ehepaare) auch illegale und kriminelle Praktiken akzeptieren bzw. selbst auszuüben bereit sind, um sich ihren Kinderwunsch privat zu erfüllen. Tatsächlich waren dem Bundeskriminalamt jedoch bereits vier Fälle gemeldet worden, die auf eine kommerzielle bzw. private Vermittlung von Kindern hinwiesen. Daß es sich hierbei nur die Spitze des Eisbergs handeln könnte, wurde von der Bundesregierung nicht in Erwägung gezogen und mit Blick auf das am 1. Dezember 1989 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des Adoptionsvermittlungsgesetzes bereits als praktisch gelöst angesehen.

Ich räume der am 27.7.1990 vorgelegten Antwort der Bundesregierung in der Beschreibung der neueren Entwicklungen der Adoption bzw. Vermarktung von Kindern zum Zwecke der Adoption deswegen einen so breiten Raum ein, weil die darin enthaltenen Daten und Ausführungen in den folgenden Jahren weder von der Bundesregierung noch vom Bundesfamilienministerium fortgeschrieben bzw. aktualisiert wurden. Weder sah sich die Bundesregierung aufgrund der Ergebnisse der Großen Anfrage dazu veranlaßt, die von ihr mit Verständnis bedachte "Verwirklichung des biologisch nicht erfüllbaren Kinderwunsches" in den Kontext von Kinderhandel zu stellen, noch waren die in der Anfrage aufbereiteten "Probleme der privaten und kommerziellen Adoptionsvermittlung (Kinderhandel)" dem Bundesfamilienministerium Anlaß und Verpflichtung, einen weiteren Bericht über die Entwicklung der Adoptionsvermittlung vorzulegen, der die Zeit nach 1989/90 einer kritischen Würdigung unterzogen hätte. Da die Große Anfrage wegen der mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten verbundenen Verkürzung der Legislaturperiode um zwei Monate nicht mehr im Parlament zur Sprache gebracht werden konnte, konnte die Bundesregierung die aus der Anfrage zu ziehenden Konsequenzen wieder der Praxis überlassen. Die von terre des hommes geforderten "Maßnahmen gegen Privatadoptionen/Kinderhandel" gingen der Bundesregierung offenbar zu weit.

JAHRESBERICHT(E) DER GZA HAMBURG "Wenden Sie sich doch an die GZA in Hamburg", riet mir Herr Scholz vom Bundesfamilienministerium, als ich ihn um Stellungnahmen, Berichte und Untersuchungen aus dem Hause der Ministerinnen Süßmuth, Lehr, Merkel und Nolte bat. "Ich kann Ihnen da leider nicht weiterhelfen." Fast scheint es so, als sei die Zeit stehengeblieben. "Exakte Daten und nähere Erkenntnisse über die sozialen Hintergründe der Adoption von Kindern aus der Dritten Welt", so Rolf P. Bach 1991 in einem Beitrag über "Entwicklung, Ausmaß und Ursachen des Handels mit Adoptivkindern aus der Dritten Welt", "sind bisher kaum bekannt, geschweige denn erforscht" , eine Feststellung, die auch im Jahre 1995 noch Gültigkeit für sich beanspruchen kann. Wären da nicht die sorgfältig geführten Statistiken und Beobachtungen der GZA (Hamburg), wir hätten kaum einen Anhaltspunkt, um der weiteren Entwicklung in der Adoptionsvermittlung folgen zu können. Tatsächlich führt die GZA (Hamburg) in ihrem Jahresbericht 1994 über "Adoptionen mit Auslandsberührung" aus, daß sie in diesem Berichtsjahr über insgesamt 324 Adoptionen mit ausländischer Beteiligung unterrichtet worden sei, der bislang höchsen Zahl seit Bestehen der Einrichtung (1993: 309; 1992: 252). "Die Steigerungsrate gegenüber den Vorjahr beträgt 5%, nachdem die Fallzahl von 1992 auf 1993 bereits um 20% angestiegen war." "Drastisch gestiegen" ist auch der Anteil sog. Stiefkind- und Verwandtenadoptionen (rund 65%). Zu den Ursachen wird ausgeführt, daß diese zum einen im verstärkten Zuzug und auch dauernden Aufenthalt vor allem von Asylbewerbern, Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen und deutschstämmigen Aussiedlern aus Osteuropa zu suchen seien, andererseits jedoch "auch die Eheschließungen mit ausländischen Ehepartner (hier müßte es eigentlich heißen: Ehepartnerinnen, G.W.), insbesondere aus Südostasien und Osteuropa, weiterhin zuzunehmen" scheinen. Hingewiesen wird darüber hinaus auch auf die Problematik eigentlich adoptionsfremder Motive wie Versorgungs-, Ausbildungs- und Schutzfunktion, vor allem in Kriegs- und Bürgerkriegssituationen. "Die Tatsache, daß zunehmend Kinder und Jugendliche aus der Türkei (Kurdistan), den neugegründeten Staaten des ehemaligen Jugoslawien und den ökonomisch maroden Staaten Ost- und Südosteuropas adoptiert werden (sollen), mag die - auch moralischen - Schwierigkeiten erkennbar werden lassen, denen Gerichte und Behörden dabei gegenüberstehen", warum auch die von der GZA (Hamburg) geäußerten Bedenken bei den beteiligten Jugendämtern und Vormundschaftsgerichten "nicht selten auf Unverständnis" stoßen.

Von den insgesamt 324 adoptierten Kindern besaßen 284 eine ausländische Staatsangehörigkeit oder waren staatenlos (1993: 278; 1992: 212). Lediglich 7% dieser Kinder kamen aus einem europäischen oder nordamerikanischen (Bundes-)Land (1993: 13%; 1992: 4%), deren Adoption allerdings fast "ausschließlich auf privaten Kontakten der Adoptiveltern beruhen". Aus den südost-europäischen Staaten Griechenland und Türkei kamen (1994) rund 9% aller ausländischen Adoptivkinder. Im Vergleich zu den Vorjahren läßt sich damit ein "deutlicher Anstieg" feststellen (1993: 4%), der nach Ansicht der GZA (Hamburg) jedoch im wesentlichen "auf der sehr viel häufigeren Adoption türkischer Kinder beruht (1994: 25; 1993: 13; 1992: 11)". Dabei handele es sich allerdings ausschließlich um Kinder, die zum Zeitpunkt ihrer Adoption bereits in der Bundesrepublik lebten, darunter eine steigende Zahl kurdischer Kinder und Jugendlicher, die - offenbar aus einem Schutzgedanken heraus - von ihren in der Bundesrepublik lebenden Verwandten adoptiert wurden. Die Adoption eines türkisches Kindes durch deutsche Staatsangehörige in der Türkei scheint indes nach wie vor eine "absolute Ausnahme" zu sein, eine Ausnahme zudem, die nach türkischer Rechtspraxis gar nicht vorgesehen ist.

Den Löwenanteil aber besetzen zwischenzeitlich die aus den ehemals kommunistisch regierten Staaten Ost- und Südosteuropas adoptierten Kinder, deren Anteil seit Anfang der 90er Jahre deutlich zugenommen hatte. So kamen 1994 insgesamt 125 (rd. 43%) aller ausländischen Adoptivkinder aus diesen Staaten (1993: 34%; 1992: 27%), die meisten (40) aus Polen (1993: 43; 1992: 30). Hierbei handelte es sich nach Ansicht der GZA (Hamburg) zum einen um die Kinder polnischer Frauen, die in der Bundesrepublik "eingeheiratet" hatten, zum anderen aber auch um Kinder, die von "deutschstämmigen" Aussiedlerinnen und Aussiedlern in die Bundesrepublik nachgeholt wurden. Nichtsdestotrotz wird der Anteil der Fremdadoptionen als "weiterhin nennenswert" angesehen. "Die seit Jahren in diesem Zusammenhang festzustellenden Mißbräuche des kommerziellen Handels mit polnischen Adoptivkindern bestehen fort. 1994 hat es in Polen eine ganze Reihe von Ermittlungs- und Strafverfahren gegen einheimische Kinderhändler gegeben."

Den zweiten Platz auf der Rangliste osteuropäischer Adoptivkinder nehmen erneut die GUS-Staaten ein, darunter vor allem russische Kinder (33), gelegentlich jedoch auch Kinder aus Kasachstan, aus der Ukraine und den (nicht zur GUS zählenden) baltischen Staaten (1993: 25). Kinderhandel scheint bei diesen Adoptionen kaum auszuschließen zu sein. Hinsichtlich der von den Parlamenten der Ukraine (1993) und Rußlands (1994) verabschiedenen Adoptionsgesetze zeigt sich die GZA (Hamburg) allerdings skeptisch, "ob und inwieweit diese Neuregelungen die weiterhin anzutreffenden Fälle des offenkundigen Kinderhandels einschränken können" , zumal auch ein in St. Petersburg (Leningrad) geführtes Gespräch mit der Leiterin der Adoptionsvermittlungsstelle "nur wenige konstruktive Anhaltspunkte" habe erkennen lassen, die auf eine "tatsächliche Veränderung der teilweise unhaltbaren Zustände dort sprechen".

Darüber hinaus wurden 23 Kinder aus Staaten adoptiert, die dem ehemaligen Jugoslawien zuzurechnen sind. 14 dieser Kinder besaßen die Staatsangehörigkeit Rest-Jugoslawiens (Serbien, Montenegro, Kosovo), 6 die bosnische und 3 die kroatische (1993: 19; 1992: 10). Wie die GZA (Hamburg) feststellte, handelte es sich bei diesen Kindern "überwiegend" um solche, die bereits in der Bundesrepublik lebten. Schon im früheren Jugoslawien war die Adoption eines jugoslawischen Kindes nur eigenen Staatsangehörigen oder gemischt-nationalen Ehepaaren, von denen ein Ehepartner jugoslawischer Staatsbürger sein mußte, gestattet. Diese Praxis wurde von den Folgestaaten ausdrücklich anerkannt. Alle Versuche von Hilforganisationen oder Privatpersonen, Kinder aus dem bosnischen Kriegsgebiet legal zu adoptieren, scheiterten daher an rechtlichen Grenzen, woran auch "der massive Druck durch die weltweite Medienberichterstattung" nichts habe ändern können.

Nach wie vor ist demgegenüber die Adoption rumänischer Kinder "vergleichsweise häufig" anzutreffen (1994: 19; 1993: 18; 1992: 19 Kinder), wenn auch "die gröbsten Auswüchse des Kinderhandels in und aus Rumänien" seit Inkrafttreten des rumänischen Adoptionsvermittlungsgesetzes (1992) zumindestens eingeschränkt werden konnten. In der Bundesrepublik Deutschland zum Beispiel sind nur der ISD (Frankfurt) und das Bayerische Landesjugendamt autorisiert, rumänische Kinder zu vermitteln - ein übrigens zeitraubendes und aufwendiges Verfahren, obwohl die Zusammenarbeit mit dem rumänischen Adoptionskomitee (RAK) "unter den gegebenen Umständen" als durchaus zufriedenstellend beschrieben wird. Als "mittlerweile größtes Problem" scheinen sich allerdings die Verkaufsversuche rumänischer Eltern bzw. Kinderhändler darzustellen, die sich meist im Rahmen eines Asylverfahrens in der Bundesrepublik aufhalten und "in der Regel" der Volksgruppe der Roma angehören. So sind der GZA (Hamburg) im zurückliegenden Jahr (1994) erneut "etliche solcher Fälle" bekannt geworden, die selbst dann, wenn die Kinder vor einem Verkauf bewahrt und in Adoptivfamilien untergebracht werden konnten, "für alle Beteiligten außerordentlich bedrückend, juristisch oftmals schwierig zu handhaben und für die Medien eine willkommene Gelegenheit (darstellen), die Probleme des Handels mit Adoptivkindern zu skandalisieren", und, wie vermutet werden darf, die vorurteilsgeladene Stimmung gegen (rumänische) Roma noch zu verschärfen.

Wie dem Jahresbericht der GZA (Hamburg) zu entnehmen ist, wurden 1994 nur einige wenige Kinder aus Bulgarien (2), Ungarn (1) "und neuerdings auch wieder aus Albanien" (5) adoptiert (1994: 8; 1993: 4; 1992: 5), obwohl die Adoption eines albanischen Kindes seit 1992 praktisch ausgeschlossen sein dürfte.

Der Anteil der aus den außereuropäischen Entwicklungs- und Schwellenländern adoptierten Kinder wird von der GZA (Hamburg) als "weitgehend" konstant beschrieben (1994: 112; 1993: 119; 1992: 106), jedoch zeichnen sich die geographischen Verschiebungen im Bereich interstaatlicher Adoptionen hier besonders deutlich ab. So kamen 1994 insgesamt 29 Kinder (10%) aus Lateinamerika, 51 (18%) aus Asien und 32 (13%) aus Afrika. Während die meisten lateinamerikanischen Länder bemüht sind, die Vermittlung von Adoptivkindern zumindestens auf eine administrative Basis zu stellen, "gilt dies weiterhin in keiner Weise für Brasilien. Dort floriert ein gut organisierter Dienstleistungssektor für ausländische Adoptionsinteressenten, der als ausgesprochen lukrativer Kindermarkt bezeichnet werden muß". Nach Ansicht der GZA (Hamburg) scheinen die bisherigen Ansätze des brasilianischen Gesetzgebers sämtlich "an der Lobby der Anwälte zu scheitern", die sich in der Adoptionsvermittlung eine goldene Nase verdienen. In diesem Geschäft kommt den brasilianischen Jugendrichtern eine Schlüsselposition zu. Während nämlich die einen aus Kinderhandel die Konsequenz ziehen, Auslandsadoptionen prinzipiell nicht mehr zuzulassen, sind andere am Transfer von Kindern monetär beteiligt ."In geradezu absurder Verdrängung der Realität müssen Adoptionsinteressenten in Brasilien neuerdings ein Papier unterzeichnen, in dem sie bestätigen, daß ihnen bekannt ist, daß eine Adoption in Brasilien völlig kostenfrei ist". In geringerem Umfang sind diese Erscheinungsformen von Kinderhandel auch aus Paraguay, Guatemala, Honduras und El Salvador bekannt geworden, nicht jedoch, wie die GZA (Hamburg) ausdrücklich betont, für Mexiko.

Von den insgesamt 51 aus Asien adoptierten Kinder kamen 1994 nurmehr 5 aus Indien, 18 von den Philippinen, 9 aus Thailand und 3 aus Vietnam. Die im vorangegangenen Jahr auffallend große Zahl vietnamesischer Kinder (1993: 8, 1992: 2) hat sich damit als Trend nicht bestätigen können. Auch die Zahl der indischen (1993: 9; 1992: 9) und thailändischen Kinder (1993: 16; 1992: 17) lag in den zurückliegenden Jahren über der des Jahres 1994, während die Zahl der philippinischen Kinder nahezu gleich geblieben ist (1993: 17, 1992: 11).

Deutlich höher als in den vorangegangen Jahren ist demgegenüber die Zahl afrikanischer Adoptivkinder (1994: 32; 1993: 17), unter denen der Anteil ghanaischer (8) und kenianischer Kinder (6) besonders auffällt. Unter diesen lebten jedoch "etliche" bereits vor ihrer Adoption in der Bundesrepublik. Auch ist nach Ansicht der GZA (Hamburg) nicht davon auszugehen, "daß die Adoption afrikanischer Kinder, zumindest aus den Staaten Schwarzafrikas, in den nächsten Jahren massiv zunehmen wird. Die nordafrikanischen Staaten des islamischen Rechtskreises lassen Adoptionen ohnehin in aller Regel aus religiös-rechtlichen Gründen nicht zu." Eine Ausnahme scheint hier allenfalls Marokko zu sein, auch wenn die Zahl der aus Marokko adoptierten Kinder bundesweit (noch) sehr gering ist.

Resümierend kommt die GZA (Hamburg) zu dem Ergebnis, daß die in den letzten zwei Jahrzehnten bevorzugten Herkunftsländer von Adoptivkindern anderen Ländern den Vorzug geben mußten. "Dies gilt in Asien beispielsweise für Indien, Sri Lanka und Thailand, in Lateinamerika für Peru, Chile, Bolivien und Paraguay, in Afrika vor allem für Äthiopien. Hier wirken sich die vielfachen und teilweise rigiden gesetzgeberischen Maßnahmen aus, die nicht zuletzt aufgrund der evidenten Mißstände bei interstaatlichen Adoptionen ergriffen worden sind. Dies bedeutet aber keineswegs, daß sich die Situation betroffener Kinder in diesen Staaten grundlegend verändert hätte, etwa dadurch, daß soziale Hilfen für Kinder und ihre Familien wesentlich verbessert oder etwa inländische Adoptions- und Pflegekindschaftsprogramme aufgebaut worden wären. Derartig positive Entwicklungen lassen sich nur in einigen wenigen Ländern feststellen, etwa in Chile, Indien und Äthiopien..."

Im Hinblick auf die seit 1989/90 im Einzugsbereich der GZA (Hamburg) insgesamt adoptierten Kinder sei auf die beigefügten Statistiken verwiesen. Neben einer zusammenfassenden Gesamterhebung der Jahre 1980-1987 bzw. 1988-1991 werden darin die Jahre 1992, 1993 und 1994 im einzelnen aufgeführt, so daß die Entwicklungen und Trends im Bereich der Auslandsadoption auch zahlenmäßig gut nachvollzogen werden können. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, daß sich seit 1988 tatsächlich gravierende Veränderungen ergeben haben, die - aus Gründen der Anschauung und in der vergleichenden Rückschau - im folgenden nochmals aufgeführt werden sollen:

HERKUNFTSLÄNDER 1980-1987 1988-1991 1992 1993 1994 Äthiopien 8 7 3 1 1 Brasilien 48 49 9 13 10 Chile 71 35 6 4 2 Ghana 14 17 3 9 8 Indien 147 43 9 9 5 Indonesien 42 15 1 1 0 Jugoslawien 78 50 10 16 14 Kenia 0 2 1 1 6 Kolumbien 82 34 11 8 6 Korea (Republik) 263 27 0 2 0 Paraguay 11 12 0 3 0 Peru 41 21 4 6 2 Philippinen 90 92 11 17 18 Polen 42 105 30 43 40 Rumänien 9 37 19 18 19 Russ. Föderation 0 0 0 14 28 Sri Lanka 61 17 0 3 3 Thailand 54 48 17 16 9 Türkei 98 62 11 13 25

Es lohnt sich, nochmals einen Blick in einen der früheren GZA-Jahresberichte (1992) zu werfen, zumal für das Jahr 1991 keine amtliche Adoptionsstatistik vorliegt. Mit Änderung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes zum 1.1.1991 wurde nämlich auch der gesamte statistische Apparat umgestellt, so daß für dieses Jahr noch nicht einmal die Gesamtzahl aller ausländischen Adoptivkinder beziffert werden kann. Multipliziert man jedoch die von der GZA (Hamburg) genannten Zahlen mit 5 , so läßt sich - hochgerechnet anhand der Bevölkerungszahlen - relativ sicher ermitteln, wie groß die Zahl der Kinder gewesen sein muß, die in diesen Jahren in die Bundesrepublik adoptiert wurden. Damals (1992) waren der GZA (Hamburg) lediglich 252 Adoptionen (1994: 324) mit Beteiligung ausländischer Staatangehöriger gemeldet worden, von denen lediglich 4% (1994: 7%) aus Europa bzw. Nordamerika kamen (1991: 10%; 1990: 6%). Die Hinwendung der Adoptionsinteressenten von der Dritten Welt nach Osteruopa wird schon in dieser Ziffer deutlich sichtbar.

So war auch die Zahl derjenigen Kinder, die eine türkische, griechische oder jugoslawische Staatsangehörigkeit besaßen, rückläufig (1992: 8%; 1991: 13%; 1990: 16%). Allerdings erhielt die GZA (Hamburg), nachdem die Medien über systematische Vergewaltigung und Schwängerungen bosnischer Mädchen und Frauen berichtet hatten, "täglich Dutzende" von Anfragen, ob man diese Kinder nicht aufnehmen bzw. adoptieren könne. Dies war jedoch - wie bereits dargelegt - auf legalem Wege nicht möglich. In der Öffentlichkeit führte dies wiederum zu einer Vielzahl negativer Reaktionen, u.a. auch von Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, die sich offenbar der von den Medien erzeugten Sogwirkung von Adoptionen als "humanitäre Aktion" kaum noch entziehen konnte. Das Konfliktpotential derartig motivierter Adoptionswünsche offenbarte sich im übrigen auch in einer Vielzahl empörter Leserbriefe, die laut TAZ einem von der Verfasserin dieser Studie geschriebenen (adoptions-)kritischen Artikel zugingen, in dem die medial inszenierten Aufforderungen zur massenhaften Adoption in den Kontext von Kinderhandel gestellt wurden.

Es deutete sich bereits an, daß der Trend zum osteuropäischen Adoptivkind bereits absolut dominierend geworden war. So kamen im Berichtsjahr 1992 mehr als ein Viertel (27%) aller ausländischen Adoptivkinder aus diesen Staaten (1991: 26%; 1990: 24%, 1989: 11%), die meisten wiederum aus Polen (1992: 30; 1991: 44; 1990: 33 Kinder). "Die Zahl polnischer Adoptivkinder übertrifft mittlerweile die aus allen anderen Staaten der Welt um ein Vielfaches". Der ISD führt zu dieser Entwicklung aus: "Immer wieder erhielten wir ... Kenntnis von Kindern, die von deutschen Bewerbern unter Umgehung des gesetzlich vorgeschriebenen Weges adoptiert und in die Bundesrepublik Deutschland verbracht wurden". Wie der ISD feststellen konnte, handelte es sich in diesen Fällen um ganz bestimmte Heime, in denen "bestechliche Personen Kinder ohne die Einhaltung der vorgeschriebenen Maßnahmen an ausländische Bewerber übergaben und bis zu 20.000 US-Dollar für ein Kind gezahlt wurden" - einer der als typisch zu nennenden Fälle von Privatadoptionen, die jedoch nach Ansicht der Bundesregierung nur zum Wohle des Kindes erfolgen.

An zweiter Stelle lagen zu diesem Zeitpunkt "weiterhin" Adoptionen rumänischer Kinder (1992: 19; 1991: 20; 1990: 16 Kinder), darunter allerdings eine große Zahl von Adoptionsverfahren, die bereits bis Mitte 1991 in Rumänien durchgeführt worden waren. "Zum damaligen Zeitpunkt hatte die rumänische Regierung jegliche Adoptionen durch Ausländer gestoppt, um dem kommerziellen und kriminellen Handel mit rumänischen Adoptivkindern Einhalt zu gebieten". In diesem Zusammenhang scheint mir folgende Passage bedeutungsvoll. Während nämlich der ISD mit Bewerbungen für ein rumänisches Adoptivkind überschüttet wurde, traf von Seiten des Rumänischen Adoptionskomitees jedoch kaum ein Vorschlag ein. Einmal mehr mehr zeigt sich auch an diesem Beispiel, daß es letztlich die privaten und kommerziellen Adoptionen sind, die die betrofffenen Staaten zu derart restriktiven Maßnahmen veranlassen, die auch verantwortungsbewußt durchgeführte Adoptionen letzlich fast unmöglich werden lassen.

Im Gegensatz zu Rumänien schien es in diesem Jahr (1992) jedoch keine weiteren Anhaltspunkte für Kinderhandel in Ungarn zu geben. Noch im vorangegangenen Jahr (1991) hatte die GZA (Hamburg) einige Fälle registriert und die ungarische Botschaft verständigt, die sich in der Sache sehr besorgt gezeigt hatte. Auch die bulgarischen Behörden hatten zwischenzeitlich (1992) ein umfassendes Dekret über die Adoption bulgarischer Kinder durch ausländische Staatsangehörige erlassen. "Auffällig ist dabei, daß erstmals in den Adoptionsbestimmungen eines Staates an vorderster Stelle darauf hingewiesen wird bzw. werden mußte, daß Adoptionen "zum Zwecke medizinischer Experimente oder der Organtransplantation" nicht erlaubt seien", was nach Ansicht der GZA (Hamburg) "ein bezeichnendes und nicht eben rühmliches Licht auf die internationale Adoptionsszenerie wirft".

Noch "sehr viel problematischer" stellte sich die Situation jedoch in Albanien dar, aus dem bereits wenige Monate nach Öffnung der Grenze "über 1.000 Kinder mehr oder weniger spurlos verschwunden" waren. Wie eine von der Regierung eingesetzte Untersuchungskommission feststellte, wurden diese Kinder - in ihrer Mehrzahl Heimkinder - "mit Hilfe von Bestechung und Urkundenfälschung zu Adoptionszwecken außer Landes geschafft". 200 dieser 1.000 geraubten Kinder sollen nach Kenntnis der Kommission in die Bundesrepublik gebracht worden sein. Infolgedessen wurde im Sommer 1992 verfügt, Adoptionen an ausländische Staatsangehörige bis auf weiteres zu verbieten. Im Einzugsbereich der GZA (Hamburg) wurden in diesem Jahr dennoch "drei Adoptionsverfahren für albanische Kinder eingeleitet", weshalb davon auszugehen ist, daß eine erhebliche Dunkelziffer existiert, auch wenn viele dieser Adoptionen "erst etliche Jahre nach Aufnahme des Kindes in die deutsche Familie eingeleitet werden, um etwaige Maßnahmen deutscher Jugendämter und Vormundschaftsgerichte auszuschließen".

Als "absolut unübersichtlich" und "höchst problematisch" aber stellte sich in diesem Jahr die Situation in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion dar. So waren 1992 12 Kinder aus diesen Staaten - überwiegend aus Rußland, Weißrußland, der Ukraine und aus Kasachstan - adoptiert worden (1991: 11; 1990: 1). Dabei lagen "oftmals" weder die erforderlichen Personenstandsurkunden noch Einwilligungserklärungen der leiblichen Eltern bzw. des Vormundes vor. Ein Gericht wurde regelmäßig nicht eingeschaltet. "Auch liegen der GZA Dokumente vor, aus denen hervorgeht, daß ausländische Adoptionsinteressenten in Rußland ohne allzu große Schwierigkeiten für noch vergleichsweise geringe Summen (5.000 US-Dollar) ein Kind kaufen können. Gleichzeitig warten, jedenfalls in den Großstädten, viele einheimische Adoptionsbewerber vergeblich auf die Vermittlung eines Kleinkindes." Diese Aussage zeigt einmal mehr, daß die Entscheidung von terre des hommes, vorrangig nach Adoptionsmöglichkeiten im eigenen Land zu suchen, selbst in der ehemaligen Sowjetrepubliken aussichtsreich wären, wenn man sich nur darum bemühen würde.

Der in den folgenden Jahren dramatisch zu Buche schlagende Rückgang von Adoptionen von Kindern aus den außereuropäischen Entwicklungs- und Schwellenländern zeichnete sich zu Beginn der 90er Jahre bereits ab. So wurden 1992 "nur noch" 106 Kinder und Jugendliche aus diesen Staaten adoptiert (1991: 116; 1990: 117), während ihre Zahl in den Jahren 1984-1987 noch bei 638 gelegen hatte. Der signifikante Rückgang von Adoptivkindern aus der sog. Dritten Welt war nach Ansicht der GZA (Hamburg) darauf zurückzuführen, daß "die gesetzlichen und administrativen Maßnahmen vieler Regierungen dieser Staaten in den letzten Jahren Früchte zu tragen" begannen - insbesondere in Chile, Indien, Indonesien, Kolumbien, Paraguay, Thailand und auf den Philippinen" Allerdings ließ sich auch feststellen, daß rechtliche Reglementierungen manchmal nur vorübergehend abschreckend wirkten, wie in Indien, Kolumbien und Thailand. In Peru und Sri Lanka wiederum führte der Krieg im Innern zu teilweise "schwankenden" Vermittlungszahlen, die keine Prognosen zuließen. Im Hinblick darauf ließe sich Krieg also auch als doppelbödiger Schauplatz zur Erfüllung eines "fremden" Kinderwunsches beschreiben.

Bei den Adoptionen aus Lateinamerika nimmt - wie im Jahresbericht 1994 - Brasilien den größten Raum ein. Zwar verfügt Brasilien zu diesem Zeitpunkt bereits seit 2 Jahren über ein Adoptionsvermittlungsgesetz, doch scheitert dieses nach wie vor daran, daß keine Institutionen existieren, die einem Jugendamt oder einer Adoptionsvermittlungsstelle vergleichbar wären. Darüber hinaus lassen sich in den jeweiligen brasilianischen Bundesstaaten erhebliche Unterschiede in der Rechtsanwendungspraxis feststellen. So habe sich unter den ausländischen Adoptionsinteressenten schnell herumgesprochen, in welchen Bundesstaaten die Möglichkeiten einer Adoption "am ehesten und einfachsten" möglich ist, wobei der Einsatz von Geld "in erheblicher Größenordnung" als gang und gäbe bezeichnet wird. Dabei agieren die auf Adoptionen spezialisierten Rechtsanwälte faktisch als Adoptionsvermittler. "Diese berechnen für ihre Bemühungen, je nach Bundesstaat, zwischen 7.000 und 12.000 US-Dollar. Hinzu kommen völlig überhöhte Kosten für Aufenthalt, Transport, Übersetzungen und die voradoptive Unterbringung der Kinder in privaten Heimen oder Pflegestellen. Dafür werden regelmäßig zwischen 50 und 100 US-Dollar pro Tag verlangt, was in etwa dem durchschnittlichen Monatseinkommen einer brasilianischen Familie entspricht."

Während die einzige deutsche Adoptionsvermittlungsstelle, die brasilianische Kinder vermittelt, sich vergeblich darum bemüht, die ihr angebotenen Adoptivkinder in deutsche Familien zu vermitteln, haben diese sich bereits privat auf den Weg ins gelobte (Kinder-)Land gemacht. So erhielt die GZA (Hamburg) Ende des Jahres 1992 "einen ausführlichen anonymen Brief von einer Gruppe von Adoptiveltern, in dem diese detailliert die Praktiken in Brasilien schildern und dabei auch deutsche Vermittlungspersonen und Helfer nennen". Aufgrund der Anonymität dieser Aussagen sei es jedoch "außerordentlich schwierig, die nach dem Adoptionsvermittlungsgesetz zuständigen Ordnungsbehörden in Deutschland zu Ermittlungen zu bewegen. Werden dennoch Ermittlungen eingeleitet, so bestreiten die betroffenen Personen selbstredend jede Mitwirkung an diesen nach deutschem Recht illegalen Vermittlungen."

AMTLICHE ADOPTIONSSTATISTIK(EN) Wie der amtlichen Adoptionsstatistik für das Jahr 1993 (1992) zu entnehmen ist, wurden in diesem Jahr insgesamt 303 (297) lateinamerikanische Kinder adoptiert, von denen 171 (159) zum Zeitpunkt der Adoption jünger als 3 Jahre waren. Den Löwenanteil stellen demnach auch bundesweit die brasilianischen Kinder.

Brasilien 143 (142) Kinder Peru 35 (36) Kinder Kolumbien 28 (29) Kinder Bolivien 25 (18) Kinder Chile 17 (27) Kinder Mexiko 11 (10) Kinder Paraguay 8 (4) Kinder Guatemala 6 (8) Kinder sonst. 31 (23) Kinder

Für den asiatischen Kontinent, aus dem insgesamt 403 (451) Kinder kamen, von denen 139 (162) zum Zeitpunkt ihrer Adoption jünger als 3 Jahre waren, weist diese Statistik folgende Zahlen bzw. Länder aus:

Afghanistan 3 (5) Kinder Armenien - (-) Kinder Indien 148 (168) Kinder Israel 1 (1) Kind Kambodscha - (-) Kinder Korea 2 (6) Kinder Pakistan 8 (20) Kinder Philippinen 76 (87) Kinder Sri Lanka 26 (28) Kinder Thailand 58 (58) Kinder Vietnam 12 (13) Kinder sonst. 69 (65) Kinder

Für die afrikanischen Länder, aus denen insgesamt 99 (96) Kinder adoptiert wurden, von denen 57 (27) zum Zeitpunkt ihrer Adoption jünger als 3 Jahre waren, werden folgende Zahlen und Herkunftsländer genannt:

Äthiopien 22 (27) Kinder Kamerun 1 (11) Kinder Marokko 22 (-) Kinder Tunesien 3 (1) Kinder sonst. 51 (57) Kinder

Die regionalen Verschiebungen und Trends aber werden vor allem in Osteuropa deutlich, woher insgesamt 470 (562) bzw. (inkl. Türkei) 547 (644) der adoptierten Kinder kamen, von denen 159 (247) bzw. (inkl. Türkei) 206 (236) zum Zeitpunkt ihrer Adoption jünger als 3 Jahre waren. Hier weist die Statistik folgende Zahlen und Herkunftsländer aus:

Bosnien-Herzegowina 5 Kinder (1 Kind) Jugoslawien 79 Kinder (117 Kinder) Kroatien 9 Kinder (1 Kind) Polen 109 Kinder (123 Kinder) Rumänien 206 Kinder (291 Kinder) Russ. Föderation 56 Kinder (29 Kinder) Türkei 77 Kinder (82 Kinder) Ukraine 6 Kinder (- Kinder) sonst. 62 Kinder (54 Kinder)

ANTWORT DER BUNDESREGIERUNG AUF DIE KLEINE ANFRAGE DER GRUPPE BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: ILLEGALE VERMITTLUNGEN OSTEUROPÄISCHER KINDER INS AUSLAND Obwohl eine so große Zahl von "Adoptivkindern" unmöglich auf offiziellen Wegen in die Bundesrepublik gelangt sein kann, stellt sich die Bundesregierung unwissend. So erklärt sie in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage über "Illegale Vermittlung osteuropäischer Kinder ins Ausland" der parlamentarischen GRUPPE BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN von jeder Erkenntnis ungetrübt, daß sie "über keine eigenen Erkenntnisse über Fälle von Kinderhandel und illegalen Adoptionsvermittlungen" verfüge. Doch will sie davon erfahren haben, daß in Albanien illegale Adoptionen aufgedeckt worden seien, die allerdings "hauptsächlich nach Griechenland, Italien und in die USA verbracht wurden". Daß nach den Recherchen der bereits zitierten albanischen Untersuchungskommission wenigstens 200 Kinder in die Bundesrepublik gelangten, wird von der Bundesregierung durch den stilistischen Kunstgriff "hauptsächlich" nicht nur dem (Ver-)Schweigen überantwortet, sondern sogar in Abrede gestellt. "Der Bundesregierung liegen keine bestätigten Hinweise über Verkäufe oder illegale Vermittlungen von Kindern aus den in Rede stehenden Ländern (Rußland und Albanien, G.W.) in die Bundesrepublik Deutschland vor."

ANTWORT DER BUNDESREGIERUNG AUF DIE GROßE ANFRAGE DER GRUPPE BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: MENSCHENRECHTSVERLETZUNGEN AN KINDERN UND JUGENDLICHEN IN BRASILIEN Diese von der Bundesregierung wieder und wieder vertretene Auffassung findet sich auch in ihrer Antwort auf eine Große Anfrage über "Menschenrechtsverletzungen an Kindern und Jugendlichen in Brasilien" der parlamentarischen Gruppe Bündnis 90/Die Grünen, wo sie auf die Frage: "Gibt es Erkenntnisse über illegale Adoptionen und Kinderhandel mit brasilianischen Kindern nach Deutschland?" allen Ernstes erklärt, ihr sei "nur ein(sic!) konkreter Sachverhalt von Kinderhandel mit brasilianischen Kindern nach Deutschland im Februar 1992 bekannt" geworden, da "illegale Adoptionen u.a. gewöhnlich deswegen unbekannt bleiben dürften, weil brasilianische Staatsangehörige für den Aufenthalt im Bundesgebiet bis zu drei Monaten ohne Aufnahme von Erwerbstätigkeit kein Visum benötigen." Nun wurde nicht nach illegaler Erwerbstätigkeit oder Visabestimmungen gefragt, sondern nach Erkenntnissen über illegale Adoptionen und Kinderhandel. Immerhin ist ihr zu Ohren gekommen, daß "nach einer brasilianischen Quelle jährlich etwa 3.000 Kinder illegal aus Brasilien geschafft worden sein sollen, nach Deutschland allerdings nur ein verschwindend kleiner Teil". Wie im Falle Rumäniens ("hauptsächlich") wird also auch im Falle Brasiliens ("ein verschwindend kleiner Teil") auf die bewährte Methode zurückgegriffen, das Problem zu bagatellisieren und damit als praktisch bedeutungslos darzustellen, eine Methode, die schließlich in der Behauptung gipfelt: "Deutsche Adoptiveltern wählen in der Regel den offiziellen Weg..."

ZENTRALE ADOPTIONSSTELLE BERLIN Diese fast schon als lachhaft zu bezeichnende Behauptung mag sich im Schutz der Illegalität - sozusagen in Kollaboration mit den Kaufeltern - noch in Sicherheit wiegen. Sobald man aber die legale Seite der Realität betritt, erscheint der angeblich eingeschlagene offizielle Weg deutscher Adoptiveltern nur noch als einer unter vielen. So konnte mir Frau Kannenberg von der Zentralen Adoptionsstelle (Berlin) zwar keine Berichte oder Statistiken zur Verfügung stellen , doch berichtete sie darüber, daß die Adoption russischer und polnischer Kinder - trotz einer insgesamt rückläufigen Bewegung - nach wie vor häufig zu Bedenken Anlaß gebe. Darüber hinaus würden immer wieder auch bulgarische und rumänische Kinder adoptiert, die von ihren zwischenzeitlich in Berlin (vermutlich in der Prostitution) untergetauchten Müttern zur Welt gebracht und unmittelbar darauf von interessierten Adoptionsbewerbern entgegengenommen werden.

LANDESWOHLFAHRTSAMT WÜRTTEMBERG-HOHENZOLLERN Auch der Landeswohlfahrtsverband Württemberg-Hohenzollern in Stuttgart kann bestätigen, daß die "atypischen" Fälle bei den Auslandsadoptionen immer mehr zum Regelfall werden. "Zu welchen unorthodoxen Maßnahmen manche Elternpaare greifen, um an ihr Wunschkind heranzukommen", weiß Gerhard Klaißle aus der Praxis zu berichten: "Ein deutsches Bewerberpaar wollte unbedingt ein Kind aus Jordanien adoptieren. Da im Islam aber eine Adoption aus religiösen Gründen verboten ist, sind die beiden kurzerhand zum islamischen Glauben übergetreten und haben das Kind als Pflegekind mit nach Deutschland genommen, um es hier zu adoptieren". Seit 1990 warten in Württemberg-Hohenzollern jährlich mehr als 2.500 Paare (Ehepaare) auf ein Adoptivkind. Dies entspricht einem Verhältnis von 100:5. Jedes fünfte der insgesamt 1.100 adoptierten Kinder besaß eine ausländische Staatsangehörigkeit. Dabei erweise sich die Hoffnung auf eine Auslandsadoption jedoch vielfach auch als trügerisch. "Werden im Ausland plötzlich unlautere Machenschaften im Zusammenhang mit Adoptionen aufgedeckt, wie jüngst in Brasilien geschehen, wird das laufende Verfahren abgebrochen, so daß es in diesem Fall unter Umständen durchaus zwischen zwei und vier Jahren dauern kann, bis wieder ein Kindervorschlag weitergegeben werden kann." Als schwierig erweisen sich in der Praxis der Adoptionsvermittlung insbesondere auch die sog. Stiefvateradoptionen und die Aufnahmen von Kindern aus Krisengebieten. Mit Blick auf die Haager Konvention äußerte sich der Landeswohlfahrtsverband Württemberg-Hohenzollern daher zuversichtlich, daß Adoptionen zukünftig nur noch "zum Wohle des Kindes und unter Wahrung seiner völkerrechtlich anerkannten Grundrechte" erfolgen, womit er sich ausdrücklich der Resolution von terre des hommes anschloß, mit der die Bundesregierung aufgefordert wurde, die Konvention unverzüglich zu ratifizieren.

BAYERISCHES LANDESJUGENDAMT Wie der Dokumentation einer Fachtagung über "Auslandsadoptionen" des Bayerischen Landesjugendamtes zu entnehmen ist, hat sich das Verhältnis von Adoptionsbewerbern und Adoptivkindern im Freistaat Bayern zwischenzeitlich auf 50:1 hochgeschraubt, womit die Schere zwischen Wunsch und Wirklichkeit in Bayern noch weiter auseinanderklafft als im Bundesdurchschnitt (30:1). Infolgedessen stieg der Anteil der Auslandsadoptionen fast "zwangsläufig" an. "In der Bundesrepublik Deutschland beträgt die Zahl der jährlich durchgeführten Auslandsadoptionen in den letzten Jahren jeweils über 1.100. So stieg der Anteil der Auslandsadoptionen in Bayern von 1988 mit 15.9% auf 19,2% im Jahre 1990". Während in den zurückliegenden Jahren vor allem Kinder aus Rumänien "wie wild" adoptiert wurden, verzeichnet die Nachfrage - seit ihre Vermittlung in geordnete Bahnen gelenkt werden konnte - "derzeit" eine rückläufige Tendenz. Tatsächlich entschlossen sich nach gründlicher Information nur 57 von 300 Adoptionsinteressenten, ihren Wunsch nach einem rumänischen Adoptivkind aufrechtzuerhalten. Die Zahl der tatsächlich vermittelten Kinder aus Rumänien ließ jedoch viele Wünsche unerfüllt. So vermittelte das Bayerische Landesjugendamt bis Anfang Juli 1994 lediglich 12 Kinder im Alter zwischen 11 Monaten und knapp 5 Jahren, wobei es sich bei zweien dieser Kinder um sog. "Altfälle" handelte, also Adoptionen, die erst nach Aufhebung des Adoptionsverbotes in Zusammenarbeit mit dem Rumänischen Adoptionskomitee abgeschlossen werden konnten.

LANDSCHAFTSVERBAND RHEINLAND Die Daten - immer wieder die Daten, oder vielmehr: die fehlenden Daten! Auch Frau Eschweiler von der Zentralen Adoptionsstelle (Köln) kann da "leider" nur auf eine Statistik zurückgreifen, die sie auf eigene Initiative hin einmal angefertigt hatte, als die Zeit es "gerade mal" erlaubte. Von "problematischen" Fällen weiß auch sie zu berichten, doch wurden diese nicht in einer Weise dokumentiert oder aufbereitet, die eine öffentliche Verwendung erlauben würden. Allerdings erinnert sie sich lebhaft an die Jahre 1990/1991, in denen "sicherlich 20 von 50 Adoptionen" rumänische Kinder betrafen - Adoptionen, die privat herbeigeführt wurden, weil es kein (Adoptions-)Recht gab, daß die betroffenen Kinder vor kommerzieller Vermittlung und privater Inbesitznahme geschützt hätte. Wie der Jahresbericht des Landschaftsverbandes Rheinland ausweist, wurde die Zentrale Adoptionsstelle 1993 in insgesamt 189 (1992: 192) Fällen um Stellungnahme gebeten, von denen sich 146 (136) auf die Aufnahme eines ausländischen Kindes bezogen, "fast die Hälfte" aus Europa. "Bei den aus Asien und Amerika stammenden Kindern überwog der Anteil der zum Zweck der Adoption ins Inland geholten Kinder deutlich. Dagegen lag der Anteil der durch Verwandte/Stiefeltern adoptierten afrikanischen Kinder im Verhältnis etwas höher, wobei die Zahl der adoptierten Kinder aus Afrika insgesamt unbedeutend war". Die von Frau Eschweiler angefertigte Statistik für das Jahr 1993 (1992) weist hinsichtlich der Staatsangehörigkeit der Kinder aus Süd- bzw. Südosteuropa folgende Zahlen aus:

Albanien - (2 Kinder) Bulgarien 1 (2 Kinder) Bosnien 2 (2 Kinder) CSFR - (1 Kind) Estland - (1 Kind) Griechenland 1 (1 Kind) Jugoslawien* - (2 Kinder) * Ohne genaue Angabe der Republik Kroatien 3 (3 Kinder) Lettland - (1 Kind) Litauen 1 (- Kinder) Mazedonien 7 (1 Kind) Polen 12 (10 Kinder) Rumänien 9 (17 Kinder) Rußland 2 (8 Kinder) Serbien 4 (1 Kind) Türkei 9 (11 Kinder) Ukraine 1 (3 Kinder) Weißrußland 2 (- Kinder) insgesamt: 54 (66 Kinder)

Bei den aus Asien adoptierten Kindern weist die Statistik für 1993 (1992) folgende Zahlen aus:

Afghanistan - (1 Kind) China, VR - (2 Kinder) Indien 21 (22 Kinder) Iran 1 (7 Kinder) Israel - (2 Kinder) Jordanien 1 (- Kinder) Kambodscha 2 (1 Kind) Laos 1 (- Kind) Libanon - (1 Kind) Pakistan - (1 Kind) Philippinen 6 (8 Kinder) Taiwan 2 (- Kinder) Singapur - (2 Kinder) Sri Lanka 7 (6 Kinder) Südkorea 1 (3 Kinder) Thailand 6 (8 Kinder) Vietnam 3 (7 Kinder) insgesamt 53 (71 Kinder)

Bei den aus Afrika adoptierten Kindern weist die Statistik für 1993 (1992) folgende Zahlen aus:

Ägypten 1 (- Kinder) Algerien 1 (- Kinder) Angola 1 (- Kinder) Athiopien 5 (3 Kinder) Burkina Faso - (1 Kind) Gambia - (1 Kind) Kamerun 1 (- Kinder) Kenia 1 (1 Kind) Marokko 9 (1 Kind) Niger 1 (- Kinder) Südafrika 1 (- Kinder) Ghana - (1 Kind) Madagaska - (1 Kind) Ruanda - (1 Kind) insgesamt 21 (10 Kinder)

Bei den aus Lateinamerika adoptierten Kindern weist die Statistik für 1993 (1992) folgende Zahlen aus:

Argentinien - (1 Kind) Bolivien 5 (3 Kinder) Brasilien 14 (5 Kinder) Chile 1 (4 Kinder) Paraguay - (1 Kind) Costa Rica 2 (- Kinder) El Salvador 1 (3 Kinder) Guatemala 1 (1 Kind) Kolumbien 8 (5 Kinder) Mexiko 1 (3 Kinder) Peru 5 (4 Kinder) Venezuela 2 (- Kinder) staatenlos 3 (- Kinder) insgesamt 43 (30 Kinder)

Wollte man in Anbetracht dieser Statistik eine Hitliste aufstellen, würde sie folgende Rangliste ausweisen:

Indien 21 (22 Kinder) Brasilien 14 (5 Kinder) Polen 12 (10 Kinder) Ex-Jugoslawien 9 ( 8 Kinder) Marokko 9 (1 Kind) Türkei 9 (11 Kinder) Kolumbien 8 (5 Kinder) Sri Lanka 7 (6 Kinder) Ex-Sowjetunion 6 (13 Kinder) Philippinen 6 (8 Kinder) Thailand 6 (8 Kinder) Äthiopien 5 (3 Kinder) Bolivien 5 (3 Kinder) Vietnam 3 (7 Kinder)

Unabhängig von der jeweils geltenden Rechtslage läßt sich also feststellen, daß sich einige der klassischen Adoptivländer - Indien, Brasilien, Kolumbien, Sri Lanka, Philippinen, Thailand, Äthiopien, Bolivien und selbst Vietnam - in der internationalen Konkurrenz um die Ware Kind durchaus behaupten konnten, die "Aufsteiger" geographisch jedoch sämtlich dem osteuropäisischen Raum zuzuordnen sind, wobei bei den Kindern aus dem ehemaligen Staatsgebiet der UdSSR noch nicht einmal in jedem Fall die "genaue" Staatsangehörigkeit des Kindes festzustellen war.

LANDSCHAFTSVERBAND WESTFALEN-LIPPE Auch der Landschaftsverband Westfalen-Lippe kann diese Entwicklung nur bestätigen. "Kinder aus dem Ex-Ostblock stark gefragt", heißt es etwa in einer Pressemitteilung der Zentralen Adoptionsstelle in Münster, mit der über die aktuellen Entwicklungen in der Adoptionsvermittlung in Westfalen-Lippe informiert wurde. Danach waren auch im westfälisch-lippischen Raum rumänische Kinder "weiterhin am meisten gefragt", auch wenn sich ihre Zahl - infolge rechtlicher Restriktionen - von 1992 (31) auf 1993 (16) nahezu halbiert hatte. Unter den insgesamt 108 (1992: 152) vermittelten ausländischen Kinder befanden sich in diesem Jahr jedoch "erstmals" auch 7 Kinder bulgarischer, serbischer, bosnischer, kroatischer bzw. mazedonischer Herkunft, weitere 13 Kinder kamen aus Rest-Jugoslawien, Polen und Albanien. Aufgrund dieser Zahlen rechnete der Leiter der Zentralen Adoptionsstelle, Matthias Münning, damit, daß für die kommenden Jahre eine Stabilisierung und vielleicht sogar Ausweitung dieses Trends zu erwarten sei. "Leider gibt es immer wieder skrupellose Deutsche, die sich auf einem "grauen" Vermittlungsmarkt den Wunsch nach einem Kind erfüllen und dabei Armut und Elend in den Herkunftsländern ausnutzen", wobei er die Gesetze in der Bundesrepublik als "viel zu stumpf" kritisierte.

Nach einer für das Jahr 1992 vorgelegten detaillierten Statistik ließ sich gegenüber dem Vorjahr feststellen, daß es im Kontext von Auslandsadoptionen "langfristige Trends und Änderungen in bezug auf die Herkunftsländer der Kinder gibt. 1990 und 1991 führten Indien und Brasilien die Liste an; 1992 steht Rumänien auf Platz 1, gefolgt von Indien, und Brasilien folgt erst auf Platz 5 der Liste...". Insgesamt wurden (1992) 257 Adoptionen bearbeitet. 199 (77%) dieser Kinder wiesen eine ausländische Staatsangehörigkeit auf, weitere 14 besaßen eine doppelte Staatsangehörigkeit, eines galt als "staatenlos". Bei drei Kindern ließ sich die Staatsangehörigkeit nicht (mehr) feststellen. Möglich, daß man sie nicht offenlegen wollte. Eine deutsche Staatsangehörigkeit besaßen demgegenüber nur 52 der adoptierten Kinder. Hier sei daran erinnert, daß der Anteil ausländischer Adoptivkinder zwischen 1960 und 1971 in Westfalen-Lippe bei noch nicht einmal drei Prozent gelegen hatte. Allerdings wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die statistischen Unterlagen für 1991 und früher einen genauen Vergleich nicht zulassen, da diese nicht umfassend und detailliert genug geführt worden sind. Dieser Hinweis nährt den bereits an anderer Stelle beklagten Umstand, daß das amtliche Nicht-Wissen über Kinderhandel System hat. Solange nämlich die Erfassung der in den Zentralen Adoptionsstellen bearbeiteten Fälle letztendlich allein der Initiative der MitarbeiterInnen und LeiterInnen überlassen bleibt, werden wir schließlich immer nur wissen, was die Zeit und das Engagement dieser Personen zuläßt.

Hinsichtlich der Herkunftsländer dieser Kinder - unter Auslassung der westeuropäischen und nordamerikanischen (Bundes-)Länder - weist die Statistik (1992) der Zentralen Adoptionsstelle in Münster in der Rangfolge folgende Länder aus:

Rumänien (33 Kinder) Indien (20 Kinder) Polen (20 Kinder) Türkei (20 Kinder) Brasilien (19 Kinder) Jugoslawien (16 Kinder) Philippinen (8 Kinder) Rußland (7 Kinder) Äthiopien (6 Kinder) Peru (5 Kinder) Thailand (5 Kinder) Chile (4 Kinder) Kolumbien (4 Kinder) Bolivien (3 Kinder) Iran (3 Kinder) Marokko (3 Kinder) Zaire (3 Kinder) Bulgarien (2 Kinder) Ghana (2 Kinder) Korea (2 Kinder) Libanon (2 Kinder) Mexiko (2 Kinder) Sri Lanka (2 Kinder); jeweils ein Kind kam aus Afghanistan, Albanien, CSFR, Dominikanische Republik, Ecuador, Lesotho, Paraguay, Ungarn und Vietnam, 3 Kinder waren unbekannter (ungenannter) Herkunft, eines war staatenlos.

Nach "subjektiver Einschätzung" (Landschaftsverband Westfalen-Lippe) wurden 1992 wenigstens 5 der insgesamt 152 vermittelten Auslandsadoptionen durch Agenturen oder Personen abgewickelt, die dafür weder autorisiert und beauftragt waren. Weitere 128 wurden zwar unter Beteiligung des Jugendamtes durchgeführt, doch befanden sich auch unter diesen eine unbestimmte Zahl von Privatadoptionen, "die häufig zunächst im Ausland durchgeführt" und den Jugendämtern erfahrungsgemäß erst gemeldet werden, wenn das Unternehmen Adoption nicht mehr rückgängig zu machen ist. Nur 6 der insgesamt 152 Fremdadoptionen wurden nach Kenntnis der Zentralen Adoptionsstelle (Münster) über "freie Träger", weitere 13 "unter Beteiligung internationaler Vermittlungsstellen" vermittelt. Bei den sog. Stiefelternadoptionen wiederum fällt auf, daß diese in 76 von 80 Fällen vom Stiefvater beantragt wurden, womit sich erneut die Frage nach dem (falschen) Vaterschaftsanerkenntnis aufdrängt. Die Tatsache, daß die adoptierten Kinder "in etwas mehr als der Hälfte der Fälle" zum Zeitpunkt der Adoption jünger als 2 Jahre waren, 87 von ihnen sogar jünger als ein Jahr, weitere 30% (68 Kinder) jünger als 6 Jahre und nur 15% (33 Kinder) älter als 6 Jahre, dürfte ein weiterer Hinweis darauf sein, wie groß der Bedarf nach einem Säugling bzw. Kleinkind tatsächlich einzuschätzen ist. Interessant scheint mir darüber hinaus auch zu sein, daß nur 7 der adoptierten Kinder in der Stadt Münster aufgenommen wurden, während einige kleinere Städte im Umfeld - Borken (9 Kinder), Steinfurt (11 Kinder), Gütersloh (12 Kinder), Minden-Lübbecke (21 Kinder), Olpe (21 Kinder) und Unna (21 Kinder) - eine viel größere Zahl von Adoptivkindern ausweisen.

ZENTRALE ADOPTIONSSTELLE RHEINLAND-PFALZ Im Oktober 1993 legte die Zentrale Adoptionsstelle Rheinland-Pfalz aus Anlaß ihres 20jähriges Bestehen einen als Rückblick verfaßten (internen!) Bericht über ihre zurückliegende Vermittlungstätigkeit vor, mit dem beabsichtigt war, "in groben Zügen" darzustellen, "wie das Landesjugendamt sich bemüht hat, den sich ständig wandelnden Arbeitsinhalten zum Wohl der betroffenen Kinder gerecht zu werden." Der Bericht versteht sich "schon angesichts der knappen Personalressourcen" nicht als wissenschaftlicher Beitrag, sondern eher als dokumentarisches Anliegen über die Gestaltung der eigenen Tätigkeiten, die jedoch "bis jetzt" erst teilweise ausgewertet werden konnten. Nichtsdestotrotz lassen sich aus den im Anhang beigefügten Statistiken interessante Einblicke gewinnen, "wie sich Adoptionswege zu ausländischen Kindern über Jahre hin darstellen oder wie häufig Adoptiveltern eine unterschiedliche Staatsangehörigkeit aufweisen. Gewisse gesellschaftlich nicht immer nur positiv zu wertende Bezüge zum Ausland finden manchmal ihren Niederschlag in einer Adoptionsstatistik". So weist die vorliegende Statistik über Adoptionen mit Auslandsberührung über die Jahre 1974-1992 tatsächlich einen markanten Aufwärtstrend aus:

Jahr Adoptiveltern deutscher Staatsangehörigkeit 1974 3 1975 4 1976 9 1977 68 1978 52 1979 65 1980 71 1981 71 1982 57 1983 67 1984 79 1985 91 1986 75 1987 93 1988 83 1989 69 1990 68 1991 66 1992 57 gesamt 1.148

Insgesamt wurden von der Zentralen Adoptionsstelle Rheinland-Pfalz 2.392 Adoptionen ausländischer Kinder abgewickelt. Die Statistik über Zahl und Staatsangehörigkeit dieser Kinder ist einigermaßen aufschlußreich:

Jahr Anzahl 1974 68 1975 68 1976 66 1977 146 1978 122 1979 130 1980 116 1981 138 1982 123 1983 147 1984 129 1985 162 1986 125 1987 162 1988 153 1989 137 1990 130 1991 136 1992 134 gesamt 2.392

Als beliebteste außereuropäische (inkl. osteuropäische) Herkunftsländer nennt diese Statistik folgende Länder:

Länder seit 1974 seit 1989/90 Äthiopien 22 Kinder 5 Kinder Bolivien: 95 Kinder 23 Kinder Brasilien 120 Kinder 33 Kinder Chile 21 Kinder 2 Kinder Indien 221 Kinder 40 Kinder Jugoslawien 83 Kinder 21 Kinder Kolumbien 40 Kinder 3 Kinder Korea 136 Kinder 2 Kinder Peru 50 Kinder 8 Kinder Philippinen 88 Kinder 38 Kinder Polen 55 Kinder 34 Kinder Rumänien 70 Kinder 64 Kinder Sri Lanka 52 Kinder 6 Kinder Thailand 70 Kinder 25 Kinder Türkei 74 Kinder 20 Kinder UdSSR/GUS 11 Kinder 9 Kinder Staatenlos 9 Kinder 4 Kinder

INTERNATIONALER SOZIALDIENST FRANKFURT Abschließend sei noch auf den Tätigkeitsbericht 1994 des Internationalen Sozialdienst (Frankfurt) hingewiesen Dort wird ausgeführt, daß sich in 1994 nahezu 1.500 Adoptionsbewerber an den ISD (Frankfurt) gewandt hätten, um sich nach Möglichkeiten einer internationalen Adoption zu erkundigen. Unter diesen sei - über das bekundete Interesse an einem Adoptivkind aus Osteuropa, Südostasien, Indien oder Lateinamerika hinaus - "ein steigendes Interesse an der Adoption von Kindern aus afrikanischen Krisengebieten" zu verzeichnen gewesen, eine auch von den Zentralen Adoptionsstellen beobachtete Entwicklung, die möglicherweise durch den Krieg in Ruanda ausgelöst wurde. Zu den einzelnen Ländern führt der ISD aus:

Republik Korea "Die Vermittlung koreanischer Kinder in die Bundesrepublik Deutschland ist seit Jahren eingestellt worden, da die Notwendigkeit hierfür - aus koreanischer Sicht - nicht mehr besteht". Nichtsdestotrotz werden, wie wir den Angaben der Zentralen Adoptionsstellen entnehmen können, nach wie vor Kinder aus Korea adoptiert, wenn auch nur in geringer "Stückzahl". Es darf daher angenommen werden, daß diese privat oder kommerziell vermittelten wurden.

Philippinen In bezug auf die Aufnahme bzw. Adoption philippinischer Kinder wird vor allem auf die Probleme von interkulturellen Adoptionen hingewiesen. So war der ISD (Frankfurt) in diesem Jahr wieder an der Rückführung von Adoptivpflegekindern beteiligt, "welche die Trennung von den leiblichen Eltern bzw. die Eingewöhnung in die hiesigen kulturellen Gegebenheiten nicht leisten konnten". Leider wird nicht reflektiert, welchen Beitrag die Adoptiv(pflege)eltern zu diesem schwierigen Prozeß interkultureller Anpassung beigesteuert haben. Insgesamt hatte der ISD (Frankfurt) 235 Fälle von Adoptionen aus den Philippinen zu bearbeiten, von denen allerdings nur 39 eine Fremdadoption betrafen.

Thailand "Die Zahl der sog. Fremdadoptionen stagniert. Dies ist damit zu erklären, daß der ISD - wegen der geringen Vermittlungsaussichten von thailändischen Kindern an deutsche Bewerber - seit 1991 keine Bewerbungen mehr für Fremdadoptionen annimmt; es werden nur noch die laufenden Fälle bearbeitet". Dies waren 1994 insgesamt 115 laufende Verfahren, darunter 59 Stiefkindadoptionen, 33 Verwandtenadoptionen und 18 Fremdadoptionen. Unklar bleibt im übrigen, warum thailändische Kinder nur geringe Chancen auf Vermittlung haben sollen.

Vietnam "Wegen der noch nicht stabilen Arbeitskontakte mit Vietnam" war der ISD bislang nur bei Verwandtenadoptionen beteiligt. Wie wir den Statistiken der Zentralen Adoptionsstellen entnehmen können, wurden vietnamesische Kinder bisher tatsächlich nur sehr vereinzelt adoptiert.

Sri Lanka, Nepal, Pakistan und Indonesien Anfragen für Kinder aus diesen Ländern werden vom ISD an die zuständigen Auslandsvertretungen bzw. Fachstellen weitergeleitet.

Hongkong und Taiwan Hier war der ISD nur "in vereinzelten Fällen beratend und koordinierend tätig".

Indien Wie in den vergangenen Jahren zeigten die deutschen Adoptionsinteressenten auch 1994 "ein lebhaftes Interesse an der Aufnahme einer indischen Adoptivkindes", doch sind die indischen Vermittlungsstellen "nach wie vor gehalten, der Inlandsadoption den Vorrang zu geben". Insgesamt wurden 1994 daher lediglich 20 Kinder in eine Familie (deutsch oder indisch) vermittelt, von denen die Mehrzahl älter als 3 Jahre war. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang allerdings auch darauf, daß sich in diesem Jahr erneut "adoptierte Kinder und Jugendliche auf der Suche nach ihren Wurzeln" begeben hätten, wobei das Schicksal der leiblichen Mutter eine besondere Rolle spiele. Dabei sei die Chance auf ein Wiedersehen allerdings gering, zumal die indischen Behörden in diesen Fällen eher abweisend reagieren.

Rumänien Seit 1992, jenem Jahr, als eine Kooperationsvereinbarung mit dem Rumänischen Adoptionskomitee (RAK) geschlossen werden konnte, wurden im ISD 900 Adoptionsbewerbungen bearbeitet und 50 Kinder vermittelt. Informationen über die Biographie und Familie des Kindes würden von rumänischer Seite allerdings "nur sehr spärlich bzw. gar nicht" zur Verfügung gestellt. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang darauf, daß seit einem Jahr offenbar "vermehrt Kinder nach Deutschland vermittelt werden, die an einer Hepatitis-B-Erkrankung leiden bzw. Hepatitis-B-Überträger sind. Die Adoptionsbewerber und der ISD erfuhren erst nachträglich von dieser Tatsache".

Lateinamerika In diesem Jahr (1994) sprachen 816 Adoptionsinteressenten vor, die ein Adoptivkind aus Lateinamerika zu adoptieren wünschten, wobei "deutlich zu erkennen gewesen (sei), daß die verschiedenen Länder Mittel- und Südamerikas weiterhin bestrebt sind, internationale Adoptionen nur noch über zentral zuständige Fachstellen zu ermöglichen". Interessant auch der Hinweis, daß "nur in sehr begrenztem Umfang" Interesse an einem Adoptivkind aus Ecuador angemeldet worden sei. Der ISD äußert in diesem Zusammenhang die Vermutung, "daß dies mit den sprachlichen und kulturellen Unterschieden und auch der räumlichen Entfernung" zusammenhängen könnte, eine nicht ganz einsichtige Vermutung, die doch ebenso für Kolumbien und Brasilien gelten müßte - zwei der am meisten nachgefragten Herkunftsländer lateinamerikanischer Adoptivkinder.

Osteuropa und GUS-Staaten Hier hat der ISD innerhalb des Gesamtverbandes "die führende Rolle bei der Entwickung der Zusammenarbeit" übernommen. Dies wird vor allem mit der großen Zahl von Spätaussiedlern begründet, doch wird zumindestens bei den "Stiefvateradoptionen" auch die wachsende Zahl osteuropäischer Ehefrauen zu berücksichtigen sein, worauf der ISD in seinem Tätigkeitsbericht jedoch nicht weiter eingeht. Insgesamt erhielt der ISD im Verlauf des Jahres 1994 42 Anfragen für ein russisches Kind, 32 für ein polnisches Kind, 17 für ein ungarisches Kind und 7 für ein albanisches Kind. Die Zusammenarbeit mit den GUS-Staaten gestalte sich in der Praxis jedoch häufig als übermäßig "zeit- und arbeitsaufwenig", zumal die einzelnen Republiken jeweils nach eigenen Bestimmungen und Gesetze verfahren. Während z.B. Adoptionen ukrainischer Kinder durch Ausländer seit 1993 - nachdem in Lwow ein Babyhändlerring aufgeflogen war, der mindestens 114 Neugeborene an westliche Adoptionsinteressenten verkauft haben soll - nicht mehr möglich sind, vermitteln die drei baltischen Republiken offenbar nur litauische Kinder. Das moldawische Adoptionskomitee wiederum stellt an eine Vermittlung ins Ausland scheinbar derartig hohe Forderungen und Bedingungen, daß der ISD sich "aus finanziellen und personellen Gründen" entschloß, von der Vermittlung moldawischer Kinder Abstand zu nehmen. Diese wenigen Beispiele zeigen, daß die Vermittlung eines Kindes aus Osteuropa bzw. den GUS-Staaten auf offiziellen Wegen - auf diese und jene Weise - bereits von Kinderhandel geprägt sind. Nichts spricht dafür, daß der Trend nach Osteuropa in den kommenden Jahren abflauen wird - ein Trend, der private Wege geht, weil der Kinderwunsch nicht warten will.

ADOPTIONSVERMITTLUNG DES CARITASVERBANDES FÜR DIE DIÖZESE HILDESHEIM e.V. Frau Westermann vom Caritasverband für die Diözese Hildesheim e.V. ließ mir einen Kurzbericht über die Adoptionsvermittlungstätigkeit von peruanischen Kindern zukommen (Stand: Oktober 1994), aus dem hervorgeht, daß bis Ende 1993 insgesamt 72 Kinder aus Peru vermittelt wurden, also jährlich etwa 5-8. 51 dieser Kinder waren zu diesem Zeitpunkt unter 1 Jahr alt, 13 Kinder 1-3 Jahre und 8 Kinder 4-8 Jahre. Sämtliche Kinder kommen aus einem Heim, das von einer Ordensgemeinschaft in der Diözese Hildesheim geleitet wird. Die Adoptionsvermittlung des Caritasverbandes betont, daß das Ziel des Fördervereins "nicht in erster Linie die Adoptionsvermittlung" sei. So bemühten sich die peruanischen Ordensschwestern "um die Schaffung menschenwürdiger, mütter- und kindgerechter Verhältnisse vor Ort; z.B. werden Kleinprojekte gefördert, der Aufbau von Schulen und Gemeindezentren, Gesundheitsstationen im Urwald usw... Erst wenn von den Schwestern abgeklärt worden ist, daß es für ein bestimmtes Kind keine andere Möglichkeit der Hilfe gibt, wird unsere Vermittlungsstelle eingeschaltet." Besonders aufschlußreich scheint mir jedoch der Passus zu sein, der sich auf die derzeitige rechtliche Situation in Peru bezieht: "Aktuell ist, daß der peruanische Staat im Frühjahr 1993 ein neues Adoptionsgesetz erlassen hat. Dieses sieht u.a. die Einrichtung einer zentralen Adoptionsbehörde vor sowie den Vorzug der Inlandsadoption vor der Vermittlung an Ausländer. Das bisher langwierige Adoptionsverfahren wird vereinfacht und in seiner Dauer verkürzt. Die Peruanische Regierung wird jedoch Kinder nur noch an Länder vermitteln, mit denen sie ein Abkommen mit den dortigen Regierungen bzw. deren bevollmächtigten Adoptionsbehörden oder Institutionen geschlossen hat. Damit will Peru im Sinne der Haager Konvention regeln, wer im Herkunftsland und im Aufnahmeland die Verantwortung für die Vermittlung trägt und welche Verfahrensweisen einzuhalten sind, damit die Kinder bei einer grenzüberschreitenden Adoption vor Kinderhandel und Mißbrauch geschützt werden. Zwischen Peru und Deutschland gibt es ein solches Abkommen noch nicht. Daher kommen offiziell keine peruanischen Kinder in die Bundesrepublik und der Caritasverband hat z.Z. in diesem Bereich seine Arbeit einstellen müssen. Wir haben jedoch ein Interesse, weiterhin an der seriösen und fachlich verantwortbaren Vermittlung peruanischer Kinder mitzuarbeiten und sind an der Suche nach Lösungen im o.g. Sinne beteiligt." Das bedeutet, daß alle peruanischen Kinder, die von diesem Zeitpunkt an (Frühjahr 1993) vermittelt wurden, nicht offiziell, sondern - von wem auch immer - privat oder kommerziell vermittelt wurden.

ELTERN FÜR KINDER Der Verein Eltern für Kinder e.V. wiederum übersandte mir eine Statistik "über das Alter der Kinder bei Ankunft im Aufnahmeland" (Stand: 22.8.1995), aus der zu entnehmen ist, daß der Verein seit 1989 insgesamt 217 Kinder aus Thailand (31), Brasilien (140), Sri Lanka (12), Dom. Republik (1), Indien (15), GUS (17) und Kambodscha (1) vermittelt hat, davon 43 Kinder unter einem Jahr und 26 bis zwei Jahren. Aus den Staaten der ehem. Sowjetunion vermittelt Eltern für Kinder erst seit 1993 (1993: 8; 1994: 4; 1995: 5), zur gleichen Zeit knickt die Vermittlung brasilianischer Kinder deutlich ein (1993: 27; 1994: 10; 1995: 6). Überhaupt läßt sich bei Eltern für Kinder ein deutlicher Rückgang der Vermittlungstätigkeit feststellen. Mit 16 vermittelten Kinder bis zum 22.8.1995 scheint sich Eltern für Kinder - nach dem Spitzenjahr 1991 (51) - zahlenmäßig offenbar wieder eher dem Beginn seiner Vermittlungstätigkeit (1989: 10) anzunähern.

SOZIALDIENST KATHOLISCHER FRAUEN Der Sozialdienst katholischer Frauen in Dortmund erhielt seine Anerkennung als Auslandsadoptionsvermittlungsstelle erst 1992, also zu einem Zeitpunkt, als Auslandsadotionen bereits erklärungsbedürftig geworden waren. Leider ist der mir zugesandten Broschüre "Auslandsadoption Bolivien" (1994) nicht zu entnehmen, wieviele bolivinaische Kinder der Sozialdienst katholischer Frauen bisher vermittelt hat. Er legt jedoch Wert auf die Feststellung, daß es sich dabei "erklärtermaßen" um elternlose Kinder handelt, denen im Herkunftsland "keine angemessenen Hilfen zuteil werden können". Die Möglichkeit einer Adoption im Inland wird zumindestens erwogen.

PRO INFANTE Die Aufstellung von Pro Infante (1989) über das Alter der Kinder bei ihrer Ankunft im Aufnahmeland ist zu entnehmen, daß von insgesamt 115 vermittelten Kindern 91 (34 Jungen / 57 Mädchen) noch keine drei Jahre alt waren. Die Gruppe der 3- bis 5jährigen ist mit 3 Jungen / 18 Mädchen deutlich kleiner. Die drei ältesten vermittelten Kinder (1 Junge / 2 Mädchen) waren laut Statiktik zwischen 6 und 9 Jahre alt.

EVANGELISCHER VEREIN FÜR ADOPTIONS- UND PFLEGEKINDERVERMITTLUNG RHEINLAND e.V. Der Verein mit Sitz in Düsseldorf-Wittlaer ist erst seit 1991 in der interstaatlichen Adoptionsvermittlung tätig. Seither wurden - in Kooperation mit dem Arbeits- und Sozialministeriums Äthiopiens - insgesamt 40 Kinder im Alter bis zu acht Jahren vermittelt (Stand: November 1995). "Bei den vermittelten Kindern handelt es sich überwiegend um Findelkinder, die gesundheitlich schwer beeinträchtigt sind und in ihrem von Hunger und Bürgerkrieg schwer gebeutelten Land keine Überlebenschance hätten. Die Mehrzahl von ihnen ist unter fünf Jahren alt. Jedoch werden auch einzelne sechs- bis zwölfjährige Kinder vermittelt. Alle Kinder haben gravierende Mangelerfahrungen physischer wie psychischer Art." Die Adoptionsinteressenten tragen einen Verwaltungskostenbeitrag in Höhe von 400 Mark, "der zur Deckung der Kosten in der Geschäftsstelle dient. Dort nicht benötigte Gelder fließen vollständig in die sozialmedizinische Arbeit in Äthiopien selbst." Darüber hinaus erhebt der Verein keine weiteren Gebühren, verrechnet werden lediglich "Fremdgebühren", die für Übersetzungen oder Beglaubigungen anfallen. Der Verein trägt sich mit der Absicht, seine bisher auf Äthiopien beschränkte Zusammenarbeit auf "ein oder zwei weitere Partner in anderen Ländern" auszudehnen.

ERGEBNIS Da sich die aktuellen Trends und Entwicklungen aufgrund der äußerst lückenhaften Datenlage nur bruchstückhaft skizzieren lassen, soll zunächst noch einmal auf jene Zahlen verwiesen sein, die noch vor wenigen Jahren (1991) als wahrscheinlich angenommen werden durften. Danach ging man davon aus, daß zwischenzeitlich ca. 20.000 Adoptivkinder aus Entwicklungs- bzw. Schwellenländern in deutschen Adoptiv(pflege)familien leben, von denen - wie die bereits zitierte Untersuchung der GZA (Hamburg) ergeben hatte - in den Jahren 1984-1987 mehr als die Hälfte (55 Prozent) privat vermittelt worden war. "Heute", so Rolf P. Bach über "Entwicklung, Ausmaß und Ursachen des Handels mit Adoptivkindern aus der Dritten Welt" (1991), dürfte der Anteil der offiziell vermittelten Adoptivkinder "noch erheblich geringer geworden (sein), da seither einige der renommierten Auslandsvermittlungsstellen in der Bundesrepublik Deutschland ihre Vermittlungstätigkeit eingestellt, weitgehend eingeschränkt oder auf Gruppen von Kindern konzentriert haben, an denen durchschnittliche Adoptionsinteressenten wenig Gefallen finden, weil es sich bei ihnen um ältere, chronisch kranke oder behinderte Kinder handelt".

Diese Vermutung läßt sich im Ergebnis meiner Recherchen bestätigen. So werden nach Angaben des bayerischen Landesjugendamtes zwischenzeitlich jährlich mehr als 1.100 ausländische Kinder adoptiert, eine Zahl, die noch 1991 bei 800 gelegen hatte. 22.000 sollen es insgesamt bereits sein. "Der Markt ist unersättlich. Allein in Deutschland hoffen etwa 21.000 als adoptionswillig registrierte und vom Jugendamt für geeignet befundene Paare auf ein Baby fremder Eltern. Und noch viel größer ist die Zahl derer, die in den Akten der Behörden nicht auftauchen, weil sie ohnehin die strengen Eignungstests für eine Adoption hierzulande nicht bestehen könnten und deshalb von vornherein versuchen, den Nachwuchs auf grauem Wege zu beschaffen". Tatsächlich soll sich das Verhältnis zwischen Adoptionsinteressenten und Adoptivkind offiziell bereits auf etwa 30:1 eingependelt haben, ein Verhältnis, das bis dahin (1991) mit 9:1 bzw. 10:1 angegeben wurde. Diese Entwicklung scheint mir umso bemerkenswerter, als eine im Auftrag des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF) erstellte repräsentative Untersuchung über Kinderlosigkeit ergeben hatte, daß das Ausmaß der ungewollten Kinderlosigkeit, "bezogen auf Frauen, die in einer Sexualpartnerschaft ohne Anwendung empfängnisverhütender Methoden leben", wesentlich geringer ist, als bisher vermutet wurde. So kam die europaweit angelegte Studie zu dem überraschenden Ergebnis, daß die Zahl der ungewollt kinderlosen Frauen (Frauen!) lediglich bei 2,2 Prozent liege, während bislang davon ausgegangen wurde, daß mindestens 6-15 Prozent aller Paare (Paare!) ungewollt kinderlos sind. Als Erklärung gaben die Autoren der ESIS (Europäische Studien zu Infertilität und Subfekundität)-Studie an, daß bisher offenbar auch gewollt kinderlose Paare, Frauen ohne Sexualpartnerschaft und empfängnisverhütende Frauen in die Berechnungen einbezogen wurden. Außerdem sei man bisher immer schon dann von Sterilität ausgegangen, wenn nach zwölf Monaten keine Schwangerschaft eingetreten war, eine Zeitspanne, die schlechterdings bei 20 Prozent aller Geburten (Geburten!) gegeben sei.

Sollten sich die Ergebnisse dieser Studie tatsächlich als aussagefähig erweisen, wären sie nicht zuletzt auch als Hinweis darauf zu interpretieren, daß die Zahl der nicht kinderlosen Paare, die sich um die Adoption eines "fremden" Kindes bemühen, offenbar sehr viel höher ist, als allgemein angenommen wird. Hinsichtlich der weiterhin steigenden Nachfrage nach einem Adoptivkind scheint sich damit anzudeuten, daß das "Wunschkind aus der Dritten (und zunehmend auch der Zweiten) Welt" nicht unbedingt nur Kinderlosigkeit zu erfüllen hat, sondern darüber hinaus auch Bedürfnisse weckt oder befriedigt, über die hier - abgesehen von den vielzitierten altruistischen Motiven - nur spekuliert werden kann. Die wachsende Zahl kinderloser Paare, die immer wieder als Erklärung für die wachsende Zahl von Adoptionen bzw. Auslandsadoptionen herangezogen wird, läßt sich jedenfalls im Lichte dieser Studie nicht länger aufrechterhalten.

Die gravierensten Veränderungen aber sind wohl durch die regionalen Verschiebungen entstanden, die durch die Öffnung Osteuropas ausgelöst wurden. Denn die "neuen Märkte im Osten" bieten die Ware Kind noch billiger feil als die herkömmlichen, abgesehen davon, daß diese Länder räumlich und kulturell näher liegen als die weit entfernten lateinamerikanischen, asiatischen und afrikanischen Märkte. Im Zuge dessen zog die "Karawane des internationalen Adoptionstourismus", kaum hatte sich der "eiserne Vorhang" gelüftet, hoffnungsschwanger nach Osten, frustriert darüber, daß die "klassischen" Herkunftsstaaten eine Adoption durch Ausländer immer stärker reglementierten oder sogar unter Verbot gestellt hatten. So wurden nach dem Sturz Ceausescus in nur wenigen (18) Monaten so viele (15.000) rumänische Heimkinder in die USA bzw. nach Europa vermittelt, daß sie allein ein Drittel der (weltweit) gesamten Auslandsadoptionen verkörperten. Infolge dieser Entwicklung stellt das osteuropäische Adoptivkind - in der Bundesrepublik bisher eher eine Randerscheinung - heutzutage bereits einen Anteil von 40 Prozent pro Jahr. Einmal mehr läßt sich daran erkennen, "daß die internationale Adoptionsstatistik ein getreuliches Abbild der politischen Landkarte unserer Welt" widerspiegelt, eine Landkarte im übrigen, deren Grenzen im Kontext des Kinderhandels mehr und mehr nach Osten überschritten werden.

"New kids from the bloc" meldete im Zuge dieses Trends auch der US-amerikanische News & World Report. So verzeichneten die amerikanischen Statistiken, daß die Zahl rumänischer Kinder von 1986 (-) auf 1991 sprunghaft gestiegen war (2.287 Kinder), während die Zahl der südkoreanischen Kinder im gleichen Zeitraum von 6.188 auf 1.534 zurückfiel. "Korea's down, Russia's up" ist einem guide to hot spots zu entnehmen. "Adoption agencies are forging programs to match orphans in Moscow with American parents. The Kremlin approved a handful of adoptions last year, and more are likely in the post-Communist era..." Das britische Observer Magazine wiederum kommt in "Be my Baby" ganz unverhohlen mit einem Global Guide To Adoption daher, der die Welt - um der kinderlosen Leserschar Kosten und Wege zu ersparen - in Most Sympathic Countries, Possible Countries und Very Difficult Countries teilt, wobei die osteuropäischen Länder - mit Ausnahme Rumäniens - (noch) der dritten Gruppe zugeordnet wurden.

Schlußendlich kommt auch die von Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger in Auftrag gegebene Studie über Kinderhandel zu dem Schluß, daß davon auszugehen sei, "daß der Handel mit Menschen zu den unterschiedlichsten Zwecken in der Zukunft eine Wachstumsbranche auf den Schwarzmärkten bleiben wird. Dies gilt sicher auch für den Handel mit Kindern". Auch wenn der Anteil inter-staatlicher Adoptionen im internationalen Vergleich nach wie vor gering zu sein scheint - Schätzungen zufolge liegt ihr Anteil in der Bundesrepublik Deutschland bei etwa 20 Prozent -, so lassen die neueren Entwicklungen doch erkennen, daß der "Run aufs Kind" (terre des hommes) weiter andauern bzw. sogar noch zunehmen wird. "Denn offensichtlich", so die vom Bundesjustizministerium herausgegebene Studie über Kinderhandel weiter, "ist die Nachfrage nach Kindern tendenziell steigend. Der auf die Adoption gestützte Kinderwunsch kann nämlich in westlichen Industriestaaten nicht mehr in den dafür vorgesehenen und zugelassenen bzw. aus pädagogischen und jugendwohlfahrtszentrierten Überlegungen heraus als angemessen betrachteten Adoptionsverfahren zufriedengestellt werden. Die auf dem gesetzlichen Wege erfolgenden Adoptionsvermittlungen tendieren nämlich national gesehen und im internationalen Vergleich gegen Null, während die Anzahl Adoptionswilliger steigt oder doch auf einem hohen Niveau konstant bleibt. Die bloßen Zahlen, die das legale "Angebot" an Kindern einerseits und die Nachfrage nach Kindern andererseits kennzeichnen, verweisen auf ein ganz erhebliches Schwarzmarktpotential".

"Die Untersuchung hat gezeigt, daß rechtspolitischer Bedarf vorhanden ist und daß die Gesetzgeber dazu aufgerufen sind, den Kinderschutz in diesem Feld zu verstärken."

1.3 Praktiken der Kindesbeschaffung Wenn von kommerziellen bzw. Privatadoptionen die Rede ist, sind Adoptionen gemeint, deren Vermittlung unter Umgehung der offiziellen bzw. anerkannten Adoptionsstellen durch "Babyhändler" oder Agenturen bzw. "privat" herbeigeführt werden. Die definitorischen Grenzen zwischen kommerziellen und Privatadoptionen sind gleichwohl schwer zu ziehen. Während nämlich die kommerzielle Adoption über Geld definiert wird - Geld, das regelmäßig in die Taschen der "Babyhändler" und ihrer Helfershelfer fließt -, scheint Geld bei Privatadoptionen weder eingesetzt noch verdient zu werden. Dennoch kosten auch Privatadoptionen Geld - Geld, das in die Taschen von Juristen, Hebammen, HeimleiterInnen usw. fließt. Wie eine solche Adoption in die Wege geleitet wird, soll das folgende Beispiel verdeutlichen:

"Ein relativ gut situiertes Ehepaar wünscht sich nach jahrelangem Aufbau seiner Existenz sehnlichst ein Kind und stellt fest, daß es leibliche Kinder nicht (oder nur mit großem Risiko) bekommen kann. Es entschließt sich deshalb zur Adoption und wendet sich ans Jugendamt, wo es die enttäuschende Nachricht erhält, daß es kaum Aussichten hat: 20 Paare bewerben sich gleichzeitig um ein Adoptivkind. Das Ehepaar sucht nach weiteren Lösungsmöglichkeiten und wird aus anderen Quellen darüber informiert, daß es in armen Ländern Millionen von Kindern gebe, die verlassen sind und Eltern brauchen. Es bleibt bei seinem Wunsch und erfährt des weiteren, daß eine Auslandsadoption über anerkannte Vermittlungsstellen ebenso schwierig ist (weil auch diese sehr lange Wartezeiten haben), daß jedoch auch andere, direktere Wege zum Ziele führen: Private Adresse, Kirchen, Botschaften könnten weiterhelfen. Was liegt näher, als sich den tiefverwurzelten Kinderwunsch auf eine Weise zu erfüllen, die gleichzeitig geeignet erscheint, das Elend anderer Menschen zu verringern? Eine privat durchgeführte Auslandsadoption bietet sich an."

So oder so ähnlich kommen Privatadoptionen zustande , wobei sich die Mittel und Wege im Laufe der Jahre immer mehr verfeinert und ergänzt haben. "Sie variieren je nach Ort, Zeitpunkt und Umfang des Geschäfts und reflektieren darüber hinaus die jeweilige Rechtslage im Empfänger- und Herkunftsland" des Kindes. Allgemein üblich, so Rolf Bach über die "Methoden des Handels mit Adoptivkindern", sei die Fälschung von Urkunden, soweit diese für eine rechtmäßige Adoption benötigt werden. Es handelt sich dabei im wesentlichen um Geburts- und Personenstandsurkunden, um Sozialberichte (home studies), um Einwilligungserklärungen der Mütter bzw. Eltern und hier und da sogar um Totenscheine, die ausgestellt werden, um Neugeborene außer Landes bringen zu können. Zu dem Repertoire des illegalen Kindsbeschaffung zählt auch die Bestechung, mit der die Helfershelfer und (häufig schlecht bezahlten) staatlich Bediensteten motiviert werden, ein Adoptivkind zu beschaffen bzw. die Adoption zu beschleunigen. "Daß es trotz aller Widrigkeiten doch weitergeht, begründet sich darin, daß immer mehr erhöhte Bestechungsgelder und Gewinnspannen die Helfer verführen". Nicht abzuschätzen ist im Kontext von Kinderhandel die Zahl derer, die auf offener Straße entführt werden, um den Nachschub an Adoptivkindern zu sichern. Die Kindesentführung wurde (wird) vor allem - aber nicht nur - in den Randzonen der Megastädte Asiens und Lateinamerikas angewandt. Die Entführung bzw. Adoption des "Baby Bruna" war ein solcher Fall, einer unter Tausenden, bei denen es den Eltern (nur) mit Unterstützung der Medien gelang, ihr Kind zurückzubekommen. Zu den höchst effektiven Methoden, mit denen sich die geltenden Adoptionsgesetze leichthin umgehen lassen und die zudem dazu beitragen, die Kosten für die Kindsbeschaffung möglichst gering zu halten, zählt jedoch zweifellos das falsche Vaterschaftsanerkenntnis, eine nach deutschem Recht legaler Trick, um sein vorgeblich nicht-eheliches Kind als eigenes anzuerkennen und und für ehelich erklären zu lassen. "Weil das Kind durch die Ehelicherklärung bereits den Familiennamen und die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat, handelt es sich bei der nachfolgenden Adoption durch die Ehefrau nicht mehr um eine sog. Auslandsadoption" , sondern um die Adoption eines deutschen Kindes - ein wichtiger Hinweis für die Interpretation der für Auslandsadoptionen ausgewiesenen Zahlen und Daten, zumal diese Methode offenbar auch von den privaten und kommerziellen Vermittlern und "Babyagenturen" höchste Bevorzugung genießt. Ich weise in diesem Zusammenhang nur darauf hin, daß jeder beliebige Sextourist über ein solches (falsches) Vaterschaftsanerkenntnis als privater Vermittler auftreten kann, der sein Klientel nur noch über eine Kleinanzeige finden muß. Zu den neueren Entwicklungen ist festzustellen, daß sich offenbar immer mehr junge Frauen entschließen, schwanger zu werden, um ihr Kind nach der Geburt zur Adoption "freizugeben" bzw. ihr Ungeborens noch vor der Geburt zur Adoption anbieten. Fälle wie diese sind z.B. aus Brasilien und Bulgarien bekanntgeworden, doch werden in jüngster Zeit auch in einer ungarischen Klinik nahe der rumänischen Grenze Kinder geboren, die unmittelbar nach der Geburt von einem "Onkel" übernommen und an westliche Adoptionsinteressenten (Kaufeltern) verkauft werden. Eine gewissse Berühmtheit erlangten zwischenzeitlich auch die an der E 55 abgelegten Kinder, deren Mütter als Prostituierte arbeiten.

In der rechtpolitischen Debatte hat man sich mit diesen (illegalen) Methoden der Kindesbeschaffung nichtsdestotrotz "nur ganz am Rande befasst", wie der Autor der Studie "Kinderhandel", Prof. Hans-Jörg Albrecht, nach Sichtung der kriminologischen Literatur feststellen mußte. Wie es scheint, hält sich das Recht (allein) an das, was den Strafverfolgungsstatistiken zu entnehmen ist. Die Perspektive der Normentstehung und Normimplementierung fand bislang jedenfalls keine Berücksichtigung. Dennoch bleibe unbestritten, "daß ein erheblicher grauer und schwarzer Markt für Kleinkinder entstanden ist, der, wie jeder Schwarzmarkt, durch außerordentlich hohe Preise (für den Nachweis von Adoptionsgelegenheiten) gekennzeichnet ist. Freilich ist gerade in diesem Feld die Trennung von legitimer oder legaler Vermittlung einerseits und dem grauen oder schwarzen Markt nicht leicht. Die Größenordnung des Problems läßt sich daran ermessen, daß allein in Kolumbien über 100 ausländische Adoptionsagenturen offiziell(sic!) registriert sein sollen, in Indien mehr als 300. Der Schwarzmarkt entsteht in diesem Bereich nicht durch eine "Produktillegalität" wie im Falle illegaler Drogen, sondern durch die erhebliche Nachfrage, die innerhalb der vorgesehenen und zugelassenen Verfahren nicht mehr zufriedengestellt werden kann, also durch "Verfahrensillegalität"."

Grund genug, die Mittel und Wege der illegalen Kindsbeschaffung nochmals etwas genauer ins Auge zu fassen. Wie wir sehen werden, ist Geld tatsächlich immer im Spiel. Die "Babyhändler" treten jedoch häufig nicht als "Babyhändler", sondern als ehrbare Bürger auf: Onkel, Rechtsanwälte, HeimleiterInnen. Die Adoption bleibt in diesen Fällen Privatsache.

KLEINANZEIGEN Da sind zum einen die Kleinanzeigen, mit denen sich die "Babyhändler" und privaten Vermittler, die Adoptiveltern und Adoptionsinteressenten gegenseitig ins Gespräch bringen. Zwar sind diese seit Inkrafttreten des Adoptionsvermittlungsgesetzes 1989 eher selten geworden, doch lassen sie sich bei aufmerksamer Lektüre insbesondere der Regionalzeitungen und Anzeigenblättchen leicht aufspüren. Die folgenden Kleinanzeigen wurden sämtlich im Jahre 1991 geschaltet: "Adoptivbewerber suchen ernsthaft 2 Adoptivkinder bis 5 Jahre gerne aus dem Ausland. Wir wollen ihnen ein liebevolles Zuhause geben" (Chiffre) ; "Erfahrungsaustausch - wir möchten gern ein Kind aus Rumänien adoptieren. Wer hat Erfahrung und kann sie an uns weitergeben? Wir sind für jeden Hinweis dankbar" (Chiffre) ; "Kinderadoption? Wir helfen. Zuschriften u. Nr. Z 035 a. d. Mini-Markt Ostfriesl., Postfach 1408, 2960 Aurich" . Die Anzeigen sind ihrer Art nach ausgesprochen typisch, geben sie doch - auf den ersten Blick - keinen Hinweis darauf, daß mit ihr eine illegale Vermittlung von Adoptivkindern in die Wege geleitet werden soll. Man trifft sich, bespricht sich, faßt Vertrauen, tauscht Adressen, zeigt sich erkenntlich, bezahlt für Informationen, die die Aussicht auf eine Adoption wahrscheinlich(er) werden lassen. Eine höchst private Angelegenheit, die auf die Verschwiegenheit aller Beteiligten baut.

WAHRHEITSWIDRIGE VATERSCHAFTSANERKENNUNG Diese höchst effektive Methode der Kindbeschaffung wurde hierzulande durch den "Babyhändler" Adelmann zu Adelmannsfelden eingeführt und hat sich im Laufe der Jahre weitgehend verselbständigt. Sie bietet zwei Varianten. Entweder adoptiert der "Vater" das Kind im Heimatland der Mutter, die vor Gericht aussagt, daß der "Vater" der rechtmäßige Vater des Kindes sei - wobei es sich bei der "Mutter" allerdings keineswegs zwangsläufig um die wirkliche Mutter des Kindes handeln muß -, oder die Mutter reist mit dem Kind in die Bundesrepublik ein, um es hier direkt dem "Vater" zu übergeben - wobei die "Mutter" auch in diesem Fall keineswegs zwangsläufig die Mutter des Kindes sein muß. Der "Vater" erkennt auf einer notariell beglaubigten Urkunde seine angebliche Vaterschaft für das nicht-eheliche Kind an und läßt es später für ehelich erklären. Die Ehefrau wiederum adoptiert nach einer gewissen Zeit das legitimierte Kind ihres Mannes und wird dadurch Kindesmutter. Die wirkliche Mutter - sofern es sich nicht um eine bezahlte "Reise-" bzw. "Transportmutter" handelte - hat die Bundesrepublik zu diesem Zeitpunkt bereits längst wieder verlassen. Das wahrheitswidrige Vaterschaftsanerkenntnis wird offenbar immer häufiger bereits während der Schwangerschaft "eingefädelt". In diesem Fällen reist die Mutter des Kindes noch während ihrer Schwangerschaft in die Bundesrepublik ein, um das Kind schließlich in einer hiesigen Klinik zur Welt zu bringen. Nach der Geburt, spätestens jedoch innerhalb von drei Monaten, verläßt die Mutter des Kinder die Bundesrepublik wieder oder taucht unter. Dieses Verfahren wurde bereits vor einigen Jahren auch gegenüber srilankanischen Frauen angewandt, die sich auf sog. Babyfarmen auf ihre Geburt vorbereiteten, während die "Väter" und deren Ehefrauen bereits im Wartesaal Platz genommen hatten. Man erspart sich auf dem umgekehrten Weg allerdings die Unbequemlichkeiten eines Aufenthalts im fremden Land und hat zudem das Kind, hinter der Glasscheibe einer Neugeborenenstation, in sicherer Verwahrung. So waren MitarbeiterInnen der Jugendamtes Mönchengladbach im Januar 1990 auf Annoncen in der Tagespresse gestoßen, die Kinderhandel vermuten ließen. Tatsächlich konnte die Siegburger Kripo zwei Männer überführen, die philippinische Frauen zur Entbindung in die Bundesrepublik eingeschleust hatten, um deren Kinder an private Adoptionsinteressenten zu verkaufen. Der Verkauf der Kinder kam nicht zustande, die Frauen wurden abgeschoben, "die beiden Siegburger Männer" erkennungsdienstlich behandelt. Strafrechtliche Konsequenzen hatte der Fall nicht.

VORTÄUSCHUNG EINER GEBURT In diesem Fall reisen die Adoptionsinteressenten (Kaufeltern) in ein Land ihrer Wahl ein und bekommen in einer Privatklinik einen Säugling ausgehändigt, dessen Geburtsbescheinigung auf ihren Namen ausgestellt ist. Die angeblichen Eltern lassen die Geburt "ihres" Kindes sodann in das örtliche Personenstandsregister eintragen, um das Eltern-Kind-Verhältnis (wahrheitswidrig) offiziell zu dokumentieren. Diese Methode wird vorwiegend - aber nicht nur - in Lateinamerika angewandt. Ob die tatsächlichen Mütter von der Abgabe und Übertragung ihrer Kinder an fremde "Eltern" überhaupt in Kenntnis gesetzt werden oder ihnen weisgemacht wird, daß ihr Kind "tot" auf die Welt gekommen sei, bleibt in den meisten Fällen ungewiß.

DOKUMENTEN- UND URKUNDENFÄLSCHUNG Häufig werden die für eine legale Adoption benötigten Dokumente und Urkunden von den Adoptionsinteressenten (Kaufeltern) selbst - z.B. die sog. home-studies oder Referenzen, die ihre Glaubwürdigkeit und Seriösität unterstreichen sollen - oder von Dritten ("Babyhändler", Rechtsanwälte, Ärzte, auch Pfarrer ) ausgestellt, die aber deswegen keineswegs der Wahrheit entsprechen müssen. In Falle von Auslandsadoptionen werden vor allem Praktiken vermutet, die - mit der Einreise von ausländischen Kindern und der Herstellung der Reisedokumente - die Anwendung von § 267 StGB nach sich ziehen, oder - soweit es die Veranlassung der Eintragung falscher Daten in die einschlägigen Register geht - den Tatbestand der mittelbaren Falschbeurkundung erfüllen könnten. "Die Probleme", so Prof. Hans-Jörg Albrecht in seinen Erörterungen über Strafvorschriften mit Bezügen zum Kinderhandel, "liegen darin, geht es um Vorgänge internationaler und privater Adoption, primär in der praktischen Durchsetzung und der Nachweisbarkeit."

CASH AND CARRY Häufig machen sich die Adoptionsinteressenten (Kaufeltern) auch selbst auf den Weg. Dabei fungieren die Medien mehr oder weniger unfreiwillig als Wegweiser. So erschien erst vor kurzem in dem Nachrichtenmagazin FOCUS ein Bericht über die abgelegten Kinder slowakischer Prostituierter, die in tschechischen Waisenhäusern "auf ihre Adoption warten". Insgesamt sollen es 1200 "Kleinkinder" sein, die in den als überfüllt beschriebenen Waisenhäusern versorgt werden müssen. "Viele Mütter kommen ohne Dokumente oder mit gefälschten Papieren zur mir", berichtet Schwester Hadrabova. "Die einen flüchten schon eine Stunde nach der Geburt, die anderen bringen ihr Baby noch selbst in eines der Kinderheime". Focus nennt sowohl den Namen der Klinik ("Childrens Home") als auch den des Ortes (Teplice), zumal die Kinder "zu 99%" von Deutschen gezeugt wurden, "vor allem aus der ehemaligen DDR und Bayern". Reportagen wie diese üben auf die lauernden Adoptionsinteressenten (Kaufeltern) einen besonderen Reiz aus, sehen sie sich doch damit in ihrem Vorhaben geradezu aufgefordert, ihr Wunschkind direkt vor Ort in Augenschein zu nehmen. Dies war auch in Rumänien der Fall, als die Medien nach dem Sturz Ceausescus über die beklagenswerte Situation rumänischer Heimkinder berichteten, von denen ja, wie wir wissen, in den ersten Monaten und Jahren wenigstens 15.000 ins Ausland adoptiert wurden.

TOTENSCHEIN Diese Methode wurde sowohl in einer spanischen als auch in einer türkischen Privatklinik angewandt. In diesen Fällen teilte man den Müttern mit, ihr soeben geborenes Kind sei "tot" oder kurz nach der Geburt gestorben. Die Leiche des Kindes wird ihnen in der Regel vorenthalten. Auf hartnäckiges Fragen hin zeigt man ihnen manchmal auch die Leiche eines Säuglings, der eigens zu diesem Zweck aus dem Kühlraum geholt wird. Während die Mütter die Klinik mit einem Totenschein in der Hand verlassen, erhalten die Adoptionsinteressenten (Kaufeltern) bzw. privaten Vermittler eine Geburtsurkunde, in denen ihr eigener Name eingetragen ist. "Von den 10.000 DM, die die Adoptiveltern Herrn A. zur Abgeltung seiner Unkosten übergeben, zahlen die Eheleute 2.000 DM auf das eigene Konto (der privaten Vermittler, G.W.) ein. Der Rest wird in die Türkei überwiesen." Mit Zustimmung der "Eltern" A. wird das "tote" Kind später in der Bundesrepublik von den Kaufeltern adoptiert. Die Totenschein-Methode wurde (wird) jedoch auch in anderen Ländern angewandt, so in Griechenland , Mexico , Indien und Kolumbien , und - wie vor kurzem aufgedeckt wurde - auch in der Ukraine, wo die Zahl der "toten" Kinder für den Adoptionsmarkt auf mindestens 114 geschätzt wird. .

VERKAUF VON KINDERN Dieser Variante der Kindesbeschaffung liegt meist eine soziale oder wirtschaftliche Notlage junger bzw. armer Frauen zugrunde. In manchen Fällen werden die soeben niedergekommenen, meist jungen Mütter mit "guten Worten" unter Druck gesetzt, ihr Baby zur Adoption freizugeben, um diesem "eine bessere Zukunft" zu geben. Hier und da werden auch geringe Geldbeträge eingesetzt. Fälle wie diese wurden auch in Sri Lanka (1986) ruchbar, wo junge Mütter zur Abgabe ihrer Kinder veranlaßt wurden, weil sie diese - wie ihnen gesagt wurde - nicht selbst ernähren konnten. Es ist darüber hinaus offenbar auch vorgekommen, daß Mütter, die ihre Krankenhausrechnung nicht bezahlen konnten, erpreßt wurden, ihre Kinder zur Adoption "freizugeben". Ebenso ist bekannt, daß ledige Mütter "mit falschen Versprechungen" in die Bundesrepublik gelockt wurden, wo sie alsdann gezwungen wurden, ihre Kinder zur Adoption freizugeben. Da die Mütter mit Touristenvisum einreisen und in der Regel in der Bundesrepublik niemanden kennen, an die/den sie sich in ihrer Notlage wenden können - abgesehen davon, daß sie weder über deutsche Sprachkenntnisse noch über größere Geldbeträge verfügen -, haben die "Babyhändler" und Kaufeltern leichtes Spiel.

KINDESENTFÜHRUNG In diesen Fällen wird die Identität des entführten Kindes durch gefälschte Dokumente verändert bzw. ausgelöscht. In ihren Identitätsdokumenten erscheinen diese Kinder schließlich als leibliche Kinder der Personen, die sie den Entführern abkaufen. Solche Entführungen bzw. Verkäufe von Kindern sind in den vergangenen Jahren in Thailand und auf den Philippinen aufgedeckt worden. Schlagzeilen machten auch Kindesentführungen in Albanien, wo in den vergangenen Jahren mehr als 3000 Kinder spurlos verschwanden. In der Bundesrepublik ist (1993) ebenfalls ein Fall von Kindesentführung bekanntgeworden. So verurteilte das Berliner Landgericht zwei "Kinderhändler" zu einer Haftstrafe von 2 Jahren und sechs Monaten, nachdem diese gestanden hatten, ein einjähriges Kind aus einem Spandauer Asylbewerberheim entführt und für 12.000 Mark an ein holländisches Paar verkauft zu haben. Offenkundig war dieser Fall der Anlaß für die bereits zitierte Studie aus dem Hause der Bundesjustizministerin gewesen sein, die den "Stand des empirischen Wissens im Bereich des (kommerziellen) Handels mit Kindern" zum Gegenstand ihrer Untersuchung hat. Auf die dort angestellten Erörterungen des Falls sei hier jedoch nur verwiesen.

DAS (UN-)RECHT AUF PRIVATADOPTION Spätestens hier stellt sich die Frage, wie um alles in der Welt zu rechtfertigen ist, was als Kinderhandel in Erscheinung tritt und als Adoption veredelt zum Wohle des Kindes Recht wird. Die als Not empfundene eigene Kinderlosigkeit? Der öffentliche Kindermangel? Der unerfüllte Kinderwunsch? "In höchster argumentativer Not", so Rolf P. Bach in einer anläßlich des Weltkindertages 1993 vorgelegten Bestandaufnahme über den internationalen Kinderhandel, wird auf kritische Nachfrage hin "gerne zu dem verbalen Rettungsanker gegriffen, daß es dem Kind doch in Deutschland allemal besser gehe als in seinem Heimatland". Mit dieser Rechtfertigung ließe sich allerdings auch begründen, "daß sich deutsche Adoptionsbewerber in etwa 170 Staaten der Erde, denen es wirtschaftlich schlechter geht als uns, bedienen dürfen". Was sie ja auch tun - wo auch immer sich die Gelegenheit bietet, wo auch immer sie sich sicher sein können, daß das Recht vorbeischaut, wo auch immer sie mit Verständnis rechnen können.

"Es ist ein Symptom unserer Gesellschaft, daß jeder meint, er habe das Recht auf alles, und alles sei käuflich, auch das Elternglück. Wenn es aufgrund einer veränderten Lebensplanung damit nicht klappt, besorgt man sich ein Kind und redet sich ein, es aus dem Elend gerettet zu haben, weist Annegret Winter-Stettin in einem Interview "über Sinn und Unsinn der Auslandsadoption" derartige Avancen an das wohlhabende Klientel zurück. "Tatsächlich geht es dabei um die Befriedigung eigener Bedürfnisse". Hinsichtlich der Mittel und Wege der illegalen Kindesbeschaffung geht es "also im Grundsatz darum", so Hans-Jörg Albrecht (Universität Dresden) in der bereits zitierten Studie des BMJ über Kinderhandel, "akzeptierte von nicht akzeptierbaren Wegen der Befriedigung des Wunsches nach Kindern zu unterscheiden" . Aus diesem Blickwinkel heraus erscheint Kinderhandel schließlich nahezu zwangsläufig als das, was es ist: "als Teil eines internationalen Marktgeschehens, das den Gesetzen von Angebot und Nachfrage gehorcht und von den Gewinnchancen für die Anbieter einerseits und die Gewinn- und Problemlösungserwartungen der Nachfrager andererseits getrieben wird". Die damit zum Ausdruck gebrachte problemorientierte Sichtweise wird offenbar auch von Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger geteilt, die sich in diesem Zusammenhang folgendermaßen äußerte: "Kinder sind in unserer Gesellschaft immer noch auch Objekt egoistischer Wünsche Einzelner, die rückhaltslos gegen die Interessen des Kindes durchgesetzt werden. Hier brauchen wir dringend einen Bewußtseinswandel in unserer Gesellschaft. Dazu kann das Strafrecht nur einen bescheidenen, aber notwendigen Beitrag leisten."

1.4 Belege für Kinderhandel

Belege für Kinderhandel sollen im Rahmen dieser Studie nur insoweit berücksichtigt werden, als sie entweder aktenkundig bzw. öffentlich geworden sind oder auf neue Entwicklungen und Trends hinweisen.

KINDERHANDEL VOR DEUTSCHEN GERICHTEN bzw. IN KENNTNIS DES BUNDESKRIMINALAMTES Aus den bereits dargelegten Gründen beschäftigen sich die deutschen Gerichte im Regelfall nicht mit Kinderhandel, es sei denn, der Handel wird über einen "Babyhändler" bzw. aus Gewinnsucht abgewickelt. Dies wird, darauf wurde ebenfalls bereits hingewiesen, im Falle von Privatadoptionen gemeinhin nicht unterstellt. So läßt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage der Grünen im Bundestag wissen, daß dem Bundeskriminalamt (BKA) lediglich vier Fälle von Kinderhandel bekannt geworden seien, von denen wahrscheinlich drei auf die Vermittlungstätigkeiten des (Grafen) Adelmann zu Adelmannsfelden zurückzuführen waren. Im ersten Fall erhielt das BKA Ende 1988 von der philippinischen Botschaft in Bonn die Mitteilung, daß eine deutsche Staatsangehörige "wegen des Verdachts des Handels mit philippinischen Säuglingen festgenommen worden" sei. Hierbei handelte es sich zweifellos um Frau Kress, einer Tante des Herrn Grafen. In dem anderen lag eine Mitteilung des Grenzschutzamtes Frankfurt am Main vor, daß eine philippinische Staatsangehörige mit einem Kleinkind festgestellt worden sei, "bei der sich der Verdacht ergab, daß das Kind für eine Adoption bestimmt sei". Tatsächlich ergaben Folgeermittlungen, daß der zwischenzeitlich identifizierte Vermittler (Adelmann) in "mindestens drei Fällen philippinische Kinder an adoptionswillige deutsche Eltern(sic!) vermittelt" habe. Er befand sich zu diesem Zeitpunkt in Frankreich in Auslieferungshaft. In einem weiteren Fall lag eine Mitteilung der Interpol Wien vor, nach der besagte Tante auch an der Vermittlung eines philippinischen Säuglings nach Österreich beteiligt gewesen sein soll. In diesem Fall war es zu einem Streit über die Höhe der Vermittlungsprovision gekommen, weshalb ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Erpressung eingeleitet (und wieder eingestellt) worden war. Der vierte dem BKA bis dahin bekannt gewordene Fall betraf einen chilenischen Staatsangehörigen, der - in Begleitung zweier paraguayischen Begleiterinnen und ihrer Kinder - bei seiner Einreise, aus Brasilien kommend, in Verdacht geraten war, "daß die benutzten Pässe falsch waren bzw. die mitreisenden Kinder "verkauft" werden sollten". Ein von der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main eingeleitetes Verfahren wegen des Verdachts der Hehlerei wurde jedoch später wieder eingestellt.

Aufsehen erregte vor allem der Fall des Jungen Edson, der gemeinsam mit seinem Bruder Christian über Adelmann an eine deutsche bzw. schweizerische Familie vermittelt worden war. Die Mutter, Frau Gonocruz, hatte sich auf eine von Adelmann geschaltete Annonce beworben, die ihr die Aussicht auf ein "neues Leben" zu versprechen schien: Einmalige Gelegenheit: Eine menschenwürdige humanitäre Organisation mit Sitz in Europa möchte armen, ledigen Müttern helfen, ein neues Leben zu beginnen. In der Bundesrepublik angekommen, wurde sie so lange festgesetzt, bis sie in die "Freigabe" ihrer Kinder eingewilligt hatte. Frau Gonocruz gab nicht auf und erstattete Anzeige wegen Kindesentziehung. Während jedoch das Bundesgericht in Lausanne bereits Anfang 1992 entschied, daß Christian zu seiner Mutter zurückzuführen sei, setzten die Frankfurter "Pflegeeltern" Schumacher auf Zeit, eine Strategie, mit der sie sich beim Amtsgericht Frankfurt schließlich durchsetzen konnten. Von besonderer Bedeutung waren in diesem Fall auch die sich widersprechenden psychologischen Gutachten, wobei die Gutachterin Elisabeth Rohr ihre Sicht der Dinge auch öffentlich zu inszenieren verstand. Ihr in der TAZ erschienener Beitrag "Wenn Kinder zu Objekten werden..." blieb jedoch nicht unwidersprochen. Die von Elisabeth Rohr bevorzugte Version: Willie ist ein vierjähriger philippinischer Junge und kein Einzelfall. Hin- und hergeschoben zwischen leiblicher Mutter, Familiengericht und Jugendamt, soll über sein Wohl entschieden werden. Ein Bericht über "staatlich legalisierte Kindesmißhandlung" und die Notwendigkeit der Ratifizierung der UN-Kinderkonvention wurde von Rolf P. Bach wie folgt konterkariert: "Willie" heißt Edson, ist ein 7jähriger philippinischer Junge und kein Einzelfall. Verkauft von einem berüchtigten deutschen Kinder- und Organhändler. Festgehalten von seinen Kaufeltern, die die erstandene Ware nicht wieder hergeben wollen. Ein Bericht über private Kindesmißhandlung und die Notwendigkeit der Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention.

Das Verfahren über die Herausgabe des Kindes drehte sich schließlich nur noch um sich selbst. Auch eine auf Initiative des Deutschen Caritasverband am 9. Juni 1993 in Bonn veranstaltete Pressekonferenz mit hochkarätiger Besetzung vermochte offenbar nichts mehr daran zu ändern, daß der Kampf von Frau Gonocruz bereits "zum Wohle des Kindes" bzw. seiner Kaufeltern entschieden war. Im Mai 1994 gab Frau Gonocruz auf. Sie überließ ihren Sohn den Schumachers. Hierin zeigt sich, trotz aller Unterstützung des Jugendamtes (Frankfurt) wie auch des Caritasverbandes (Karlsruhe), wie chancenlos die betroffenen Mütter vor deutschen Gerichten stehen, wenn sie um die Herausgabe ihrer Kinder kämpfen - ganz zu schweigen von der großen Zahl derer, die als verlassene Mütter in den Heimatländern der Kinder zurückbleiben. Stellvertretend sollen hier die 21 peruanischen Mütter genannt werden, die den Fall der Familie Alcoser vor Gericht brachten, die am Stadtrand von Lima ein Waisenhaus für Findelkinder und Kinder alleinerziehender Mütter eingerichtet hatten. Diese waren in Verdacht geraten, mehr als 300 "Adoptivkinder" nach Frankreich, in die Niederlanden und die Bundesrepublik Deutschland vermittelt zu haben. Keine dieser Mütter sah ihr Kind je wieder. Die Untersuchungen verliefen im Sande, weil "die schwierige Rechtslage zwischen Peru und den drei europäischen Ländern" eine Rückführung der Kinder nicht zuließ.

DAS KREUZ MIT DER KINDESENTZIEHUNG Des Straftatbestands der Kindesentziehung (§ 235 StGB) macht sich nach geltendem Recht nur strafbar, wer "eine Person unter achtzehn Jahren durch List, Drohung und Gewalt ihren Eltern, ihrem Vormund oder ihrem Pfleger entzieht". Als entzogen gilt eine Person unter 18 Jahren immer dann, "wenn das Recht zur Erziehung, Beaufsichtigung und Aufenthaltsbestimmung durch räumliche Trennung für eine gewisse, nicht nur vorübergehende Dauer so beeinträchtigt wird, daß es nicht mehr ausgeübt werden kann". Ein besonders schwerer Fall liegt vor, wenn der Täter bzw. die Täterin aus Gewinnsucht handelte. So wurde das am Berliner Landgericht anhängige Verfahren gegen zwei (ausländische) "Babyhändler" als "besonders schwerer Fall" gewertet, weil das entführte Kind nachweislich verkauft werden sollte. Der objektive Tatbestand verlangt, daß die Kindesentziehung tatsächlich mit List, Drohung oder Gewalt durchgeführt wird. Dabei ist gleichgültig, gegen wen diese Mittel angewendet werden. Allerdings fehlt es bei einem "bloßen" Diebstahl von Säuglingen an List, da Säuglinge nicht überlistet werden können. Bei der Drohung wiederum - also das Inaussichtstellen eines Übels - wird vorausgesetzt, daß der oder die Drohende "den Eintritt des Übels als von seinem (ihren) Willen abhängig darstellt", er oder sie sich also zum "Herr des Geschehens" macht. Gegenüber einem Säugling wird der Täter bzw. die Täterin demgemäß keine Drohung anwenden müssen, womit auch das zweite Kriterium zur Erfüllung des § 235 StGB hinfällig wird. Als Gewalt gilt hingegen praktisch "jedes Mittel, mit dem auf den Willen oder das Verhalten eines anderen durch ein gegenwärtiges, empfindliches Übel eine Zwangswirkung ausgeübt wird". Wir sehen jedoch, daß auch das sehr weit definierte Kriterium der Gewalt in in vielen Fällen gar nicht greift, um einen Täter bzw. eine Täterin wegen Kindesentziehung zur Verantwortung zu ziehen. Dies hat zur Folge, daß "die Entführung eines Kleinkindes in einer Tasche als Reaktion des Staates nur die Bestrafung wegen des Diebstahls der Tasche, nicht aber wegen der Wegnahme des Kindes nach sich zieht". Infolgedessen stand im Berliner Fall nur der Tatbestand des Verkaufs zur strafrechtlichen Beurteilung an. Was Wunder, das die ungezählten Fälle der Privatadoption regelmäßig nicht zur Kenntnis genommen werden!

"Soweit die Reaktion auf den kommerziellen Kinderhandel betroffen ist und damit vor allem die Anwendung der Tatbestände des Adoptionsvermittlungsgesetzes, wurde die Polizei und die Staatsanwaltschaft bereits als "hilflos oder desinteressiert" bezeichnet", so Hans-Jörg Albrecht in "Kinderhandel" über die gebundenen Hände des Rechts . Das im Falle von entführten Säuglingen bzw. Kleinkindern als "strafrechtliche Lücke" bezeichnete Dilemma - man könnte auch sagen: Versäumnis -, nach dem der bloße Akt des sich Bemächtigens nicht strafwürdig ist, wurde von Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger unlängst zum Anlaß genommen, einen Gesetzentwurf vorzubereiten, der gegen Kindesentziehung und kommerziellen(sic!) Kinderhandel wirksam werden kann. Der Entwurf sieht vor: "bei Kindesentziehung durch Dritte die tatbestandseingrenzenden Merkmale "List, Drohung und Gewalt" in § 235 StGB zu streichen und damit auch die Fälle "heimlichen Kinderdiebstahls" zu erfassen sowie diese Einschränkung auch bei den Fällen entfallen zu lassen, in denen ein nicht oder nicht allein personensorgeberechtigter Elternteil ein Kind in das Ausland verbringt und von dort nicht zurückführt; den Versuch der Kindesentziehung unter Strafe zu stellen sowie einen neuen Verbrechenstatbestand zur Bekämpfung eines kommerziellen und organisierten Kinderhandels einzuführen".

Darüber hinaus kündigt die Bundesjustizministerin an, daß die Bundesrepublik das Haager Adoptionsübereinkommen voraussichtlich im Frühjahr" (das Jahr wird nicht genannt, vermutlich 1995) zeichnen und anschließend das Ratifizierungsverfahren einleiten wird. Es scheint mir von größter Wichtigkeit zu sein, daß sich terre des hommes sowohl hinsichtlich der Gesetzesinitiative als auch hinsichtlich der Ankündigung mit Frau Leutheusser-Schnarrenberger in Verbindung setzt, um zu erreichen, daß Privatadoptionen zukünftig rechtlich gleichrangig mit kommerziellen Adoptionen bzw. Kindesentziehungen leiblicher (sorgeberechtiger) Elternteile behandelt werden. Dabei ist allerdings das Problem zu berücksichtigen, daß das Bundeskriminalamt von der Entziehung des Kindes und seiner Verbringung in die Bundesrepublik Deutschland in der Regel überhaupt nichts erfährt. Woher sollen auch die verlassenen Mütter bzw. Familien der entführten-verkauften-gekauften, adoptierten Kinder wissen, wohin ihre Kinder verschleppt wurden? Solange diese jedoch nicht als vermißt gemeldet werden, bleibt es den hiesigen Behörden überlassen, eine illegale Adoption als Kinderhandel zu erkennen. "Wir bekommen kaum Informationen, weil sich Opfer nicht als Opfer fühlen und Täter nicht als Täter", beschreibt Sabine Manke von Interpol Lyon das Dilemma. Wenn ein Kind aus der Dritten Welt adoptiert wird, glaubten alle Beteiligten, "ein gutes Werk zu tun".

KINDERHANDEL OHNE KONSEQUENZEN Als Beispiel einer Adoption, die - obwohl privat bzw. kommerziell vermittelt - vom Jugendamt gleichwohl ohne jede Beanstandung abgewickelt wurde, sei die Adoption eines Kindes durch Thomas Gottschalk und seiner Frau Thea genannt. Obwohl diese Adoption als Kinderhandel durch die Presse ging und die Grüne Abgeordnete Ruth Paulig MdL den Fall durch eine parlamentarische Anfrage aufgriff, sah sich weder die bayerische Landesregierung noch die Staatsanwaltschaft aufgefordert, die vom Jugendamt Starnberg legalisierte Adoption in irgendeiner Weise zu korrigieren. Dabei war sowohl der Name des Vermittlers (Dietrich Fürstenberg) als auch der Preis (10.000 Mark), den Gottschalk für die Adresse der Mutter gezahlt hatte, bereits in aller Munde. Der "Fernseh-Star" zu dem Fall befragt: "Auch dabei hatte ich schon ein schlechtes Gewissen. Ich wußte einfach nicht, an wen ich da geraten war. Für Adoptionen ist das Jugendamt zuständig. Es weiß über alles Bescheid, auch über die 10.000 Mark." Den Kontakt zur "werdenden Mutter" nahm Gottschalk übrigens über einen ihm verwandtschaftlich verbundenen Pfarrer auf. "Gottschalk übernahm Krankenhauskosten, Pflegekosten, alles nahm seinen legalen Weg." Daß die schwangere Frau noch vor der Geburt 30.000 Mark von ihm erhielt, d.h. 10.000 Mark vor und 20.000 Mark nach der Geburt, wurde offenbar als Privatsache des Kaufvaters angesehen. Dies kann auch der Antwort der bayerischen Landesregierung entnommen werden. So weist sie darauf hin, daß soundsoviel Fragen "rein private Vorgänge der persönlichen Lebensführung" der Familie G. beträfen, obwohl die Abgeordnete Paulig ausschließlich auf Daten zurückgegriffen hatte, die bereits in der Presse nachzulesen waren. Das Landratsamt Starnberg jedenfalls soll zunächst keine Anhaltspunkte über den kommerziellen Hintergrund der Vermittlung gehabt haben. Es erhielt erst mehrere Wochen später Kenntnis davon - wie zu vermuten ist, aus der Boulevardpresse. Dennoch blieb alles so, wie es war. "Das Adoptionsverfahren, soweit es die Unterbringung des Kindes betrifft, widerspricht im vorliegenden Fall nicht dem Adoptionsvermittlungsgesetz. Die aufnehmenden Adoptiveltern handeln auch bei einer Geldzahlung an einen Adoptionsvermittler nicht ordnungswidrig. Das Adoptionsvermittlungsgesetz (AdVermiG) in seiner Fassung vom 02.07.76 sah insoweit keine Sanktion für die Adoptionsbewerber vor. Die Neufassung des Adoptionsvermittlungsgesetzes vom 27.11.89 regelt erstmals in § 14a ausdrücklich die Straffreiheit der aufnehmenden Adoptiveltern für den Fall des sogenannten Kinderhandels." Für die bayerische Landesregierung war die Zahlung von Geld deshalb bedeutungslos. Nach dem Buchstaben des Gesetzes sei es nämlich lediglich Aufgabe des Kreisjugendamtes, "das Wohl des Kindes im Auge zu behalten und festzustellen, ob sich zwischen ihm und den Adoptionspflegeeltern ein Eltern-Kind-Verhältnis entwickelt. Für beides ist die Höhe früherer Geldleistungen ohne jede Bedeutung."

PRIVATE WEGE DER KINDESBESCHAFFUNG Derzeit ermittelt die Münchener Staatsanwaltschaft gegen das Ehepaar W. aus München, die im Mai d.J. einen 15 Tage(sic!) alten argentinischen Säugling gekauft haben. "Nach den bisher bekannt gewordenen Details hatte das Münchner Ehepaar die 15 Tage alte Tochter einer 22jährigen ledigen Mutter aus der Stadt Goya mit Hilfe bestechlicher Beamter in einem Standesamt und auf dem Flughafen von Buenos Aires außer Landes gebracht. Im Standesamt war das Mädchen auf den Namen der Deutschen registriert worden". In diesem Fall waren die Ermittlungen von den argentinischen Behörden aufgenommen worden. Die Polizei habe die Täter schnell gefaßt, doch sei ihr Einsatz von der Justiz "wieder zunichte gemacht worden", da der Richter die Beschuldigten gegen Kaution frei ließ. Horacio Colombo, Innenminister der Provinz Corrietes: "Wir würden gern selbst das Baby in Deutschland suchen, aber leider haben wir diese Möglichkeit nicht. Wir müssen das der Justiz überlassen." Insgesamt sollen 24 argentinische Kinder verkauft worden sein, wieviele in die Bundesrepublik gelangten, ist ungewiß. Für den Bundesgrenzschutz ist es nämlich außerordentlich schwierig, Kinderhandel zu erkennen, da die gefälschten Papiere "teilweise qualitativ sehr gut" sind. Dort schätzt man, daß jedes 2. ausländische Kind illegal in die Bundesrepublik eingeführt wird. Wieviel Geld das Münchner Ehepaar Heribert W. (40) und Frau (32) für den Säugling zahlten, ist nicht sicher. Es mögen 50.000 Dollar gewesen sein oder 15.000 Mark, die Angaben stimmen nicht überein. Die Mutter erhielt für ihr Kind 1.000 Dollar. Einer der drei Täter, Oscar Villon, soll seine Geschäfte aus der Bundesrepublik heraus führen. Er soll mehrere Namen führen.

In den folgenden Fällen gibt es lediglich Namen, Orte, Adoptionen, die als Indizien für kommerzielle bzw. Privatadoptionen wie Wegweiser gelesen werden müssen, um Kinderhandel auf die Spur zu kommen. So der Fall von "Janetta", einem polnischen Kind, das im März 1993 in einer Düsseldorfer Familie aufgenommen wurde. Ihre Mutter, eine alleinerziehende junge Frau, die mit ihren zwei Kindern in einer 1-Zi-Wohnung lebte, nahm den Kontakt zum "Babyhändler" - einem Rechtsanwalt namens Novak, der seinerseits häufig in der Nähe von schwangeren Frauen, Geburtsstationen und Krippen gesehen wurde - von sich aus auf, da sie ein drittes Kind nicht versorgen zu können glaubte. Die Staatsanwaltschaft von Stary Zamosc, einer südostlich gelegenen Stadt nahe der Grenze zur Ukraine, spricht in diesem Zusammenhang ganz unverblümt von einer Mafia. "Ja, ich glaube, daß dieser Begriff zutreffend ist." Novak, der als der Kopf der Bande gilt, tätigt seine Vermittlungen zwischenzeitlich via Kanada. Kommerzielle Vermittlungen verstoßen dort - ebenso wie in den USA - nicht gegen geltendes Recht. Auch die Düsseldorfer Adoptiv(pflege)familie bezog Janetta, die seither einen deutschen Namen trägt, über Kanada. Der Adoptionsantrag selbst wurde offenbar noch in Polen gestellt, das Kind jedoch noch vor Abschluß des Verfahrens in die Bundesrepublik gebracht. Wieviel Geld die Kaufeltern für Janetta bezahlt haben, ließ sich nicht in Erfahrung bringen. Dennoch bringt Paul Schmitz, Sachbearbeiter im Jugendamt Düsseldorf, Verständnis für die Kaufeltern von Janetta auf: "Ich verurteile die Familie nicht". Der Wunsch nach einem Kind sei wohl "sehr stark" gewesen. Allerdings sei ihm bei diesem Gedanken irgendwie "unwohl". Janetta ist jedoch nur eine von vielen, die in den vergangenen Jahren auf illegalen Wegen in die Bundesrepublik gelangten. 12.675 Kinder wurden in den Jahren 1984-1994 allein aus Polen adoptiert. "Aber niemand weiß, wieviele Kinder an den staatlichen Stellen vorbei wirklich ins Ausland gegangen sind", sagt Barbara Passini, Vorsitzende des Vereins der Kinderfreunde, einer der beiden staatlich anerkannten polnischen Adoptionsvermittlungen, "es sind Hunderte, vielleicht Tausende. Wir leben doch in einem Land, in dem Armut und Not herrschen. Polen ist ein Markt für weiße Babys."

Soweit sich die Kinder nicht über kanadische, amerikanische , französische und niederländische Agenturen beschaffen lassen, machen sich die Kaufeltern lieber selbst auf den Weg, um sich "ihr" Wunschkind - die privateste aller Varianten - persönlich auszusuchen. Es sind die Kinderheime und Empfangshallen der sog. besseren Hotels, die dabei als Marktplätze fungieren. "Dort wird die "Handelsware", Säuglinge zumeist, zwischen Dinner und Cocktail zur Begutachtung herumgereicht", beschrieb der Rheinische Merkur zum Beispiel die Szene in dem rumänischen Hotel "Presidente", "in dessen Umgebung sich die letzte Hoffnung aller Bukaresti zu ballen scheint". Tatsächlich ersetzt die öffentliche Berichterstattung häufig die im übrigen untersagte Annoncierung von Adoptionsmöglichkeiten, "wie sich an den mit dem Hinweis auf besonders leichte Beschaffung von Adoptivkindern verbundenen Ansteigen der Nachfragen belegen läßt". So erfahren wir etwa über die Illustrierte QUICK, daß "nur zwei Straßen hinter dem protzigen Hotel "Intercontinental" das Wallfahrtsziel für Babytouristen aus der ganzen Welt" liegt, wo Deutsche, Franzosen und Amerikaner "sich einen Lebenswunsch erfüllen". Die namentlich genannte Brigitte Dittmann (41) allerdings "hat sich ihr(sic!) Baby am Schwarzen Meer geholt, in der Hafenstadt Konstanza. 2.000 Dollar (3.400 Mark) in bar für Vermittler, Anwalt, Dolmetscher, Gericht und Unterkunft. 500 Dollar und ein paar Lippenstifte für die Mutter. Ledig (19), arbeitslos." Baby Alina war erst vor drei Wochen zur Welt gekommen. "Ich sah die Tränen in den Augen der Mutter. Das alles hat ihr sehr, sehr weh getan". Und Sie? "Lachen Sie nicht. Ich habe mich gefühlt wie nach einer Geburt. Darauf habe ich zehn Jahre gewartet."

"Mutterwechsel" auch zwischen der 46jährigen Traudl Steinert und der 16jährigen Mariana, die ihrem Baby Adrian "ein besseres Leben in Deutschland" wünscht. So bezahlte auch ein Limburger Ehepaar ("Bitte keinen Namen, die Nachbarn sollen nicht alles erfahren") "die 2.000 Mark gerne. Nach elf erfolglosen Versuchen mit künstlicher Befruchtung. Der Anwalt verschaffte ihnen einen vierjährigen Jungen." Der Anwalt könnte Peter Vancea (32) gewesen sein, dessen deutsch-rumänische Gesellschaft nach Auskunft der QUICK in der Bukarester Rosetti-Straße zu finden ist. Der widmete sich speziell dem deutschen Klientel und schnürte Adoptionen gleich im "Paket": "Babys, Anwälte, Gerichtstermine, Appartements, Auto mit Fahrer, Dolmetscher. Alles inklusive 4.000 Mark aufwärts." Für die Berliner Sonderkommission zur Aufklärung von Entführungen ("Soko Kinderklau") schien damit "eine üble Koalition von allerbravsten Bürgern mit allerübelsten Gangstern" heraufzudämmern , zumal die gekauften Kinder von ihren neuen Besitzern zunächst wie Räubergut verheimlicht werden - die effektivste Art, Spuren zu verwischen und zugleich Fakten zu schaffen. Nach einigen Monaten oder gar Jahren lassen sich diese Kinder - bedenkenlos - jedenfalls kaum noch zu ihren Müttern bzw. Familien zurückführen.

MITWIRKUNG VON BOTSCHAFTEN "Wrapping The Earth in Family Ties" überschrieb das Magazin TIME seine Titelstory über "The Global Baby Chace". Weil es in Zeiten niedriger Geburtenraten schwierig sei, ein Adoptivkind im eigenen Land zu finden, mache man sich eben auf den Weg nach "overseas". So fanden sich auch Eva und Matthias Bohn aus Nürnberg zu einem "Rendevous in Thailand" ein, entschlossen, das Land nicht ohne ein Kind zu verlassen. "They arrived in Bangkok on Sept. 10 to pick up 22-month-old Somrudee, whom they renamed Sina. Sina's biological mother gave birth prematurely in a hospital and then disappeared." Auch Lothar Matthäus (32) und seine Lebensgefährtin Lolita Morena machten sich ohne langes Drumherum auf den Weg, um sich "ihr" Kind selbst zu suchen. "Wir möchten ein Mädchen aus Brasilien adoptieren", präzisiert der Fußballstar seine Absichten gegenüber der Hamburger Morgenpost. Sein Mannschaftskollege Jorginho erkundigte sich derweil schon einmal über die "bürokratischen Hürden", die in Brasilien noch zu überwinden seien. "Lolita und ich müßten vier Wochen in Brasilien leben, um ein Kind adoptieren zu können", beschreibt der Bayern-Libero die mißliche Lage, "aber wir werden die Botschaft einschalten". Mehr als eine Woche Zeit ist nicht drin. Das Paar wolle sich dennoch alles ansehen, "um festzustellen, was machbar(sic!) ist". Das kleine Mädchen wurde als "ein- bis zweijähriges Schwesterchen für ihren Sohn Loris" kalkuliert. Über den Ausgang des Unternehmens fand ich leider keine Hinweise. Umso glücklicher konnte sich jedoch etwa zur gleichen Zeit sein Kollege Wolfgang Overath schätzen, dem seine Ehefrau zum 50. Geburtstag(sic!) vor 300 Gästen die 19 Monate alte Silvana in den Arm legte. "Die Overaths hatten das kleine Mädchen in Brasilien adoptiert." Ob die Deutsche Botschaft in Brasilien in diesen und anderen Fällen zu Diensten war, läßt sich aufgrund der vorliegenden Informationen nicht klären. Daß die Deutschen Botschaften de facto Kinderhandel begünstigen, ist jedoch nicht von der Hand zu weisen. So hat sich in der Vergangenheit auch die Deutsche Botschaft in Addis Abeba (Äthiopien) immer wieder bemüht gezeigt, dem Klientel aus dem eigenen Land in dieser "persönlichen" Angelegenheit hilfreich zu sein.

Daß auch Kinder aus der westukrainischen Stadt Lwuw (Lemberg) in die Bundesrepublik Deutschland verkauft wurden - jene Neugeborenen, die ihren Müttern als "tot" geborene weggenommen wurden -, steht ganz außer Zweifel, auch wenn in keinem Fall Bedenken oder Strafanzeige erhoben wurden. Nichts schien in der Ukraine einfacher zu sein, als "sein" Kind direkt von der Säuglingsstation "nach Hause" zu holen. "Die adoptionswillige Ausländerin nimmt das Kleine, bekommt vom Krankenhaus eine gefälschte Geburtsurkunde, geht zu ihrer Botschaft und meldet die glückliche Geburt eines Kindes an. Niemand forscht nach..." Die gefälschten Adoptionspapiere waren sämtlich von Nikolai Schulinski, dem Vize-Regierungschef der Ukraine, einem Ex-Gesundheitsminister und einem früheren Ministerpräsidenten unterschrieben, die "die Fälschungen eigentlich hätten bemerken müssen, weil in allen Fällen die vorgeschriebenen Beschlüsse der Vormundschaftsräte fehlten" - ein Bemerken, das offenbar auch in den deutschen Jugendämtern unterblieb. So wie im Falle des Kölner Ehepaares Sabine (27) und Rudolf A., die "ihr" Kind über das US-amerikanische Vermittlungsbüro "Hawaii International Child Placement and Family Services" erhielten, das sich auf russische Kinder spezialisiert hat. Das Babybeschaffungsinstitut unterhält in St. Petersburg ein eigenes Kinderheim, in dem nur Kleinkinder und Säuglinge aufgenommen werden, die nach Gesundheit, Aussehen und Intelligenz als "vermittelbar" (käuflich) anzusehen sind. "Dorthin reisen die potentiellen Adoptiveltern, treffen ihre Wahl, zahlen 5.000 US-Dollar und fahren dann mit dem Kind sowie von russischen Behörden ausgestellten Adoptionspapieren nach Hause." Zu diesem Zeitpunkt (1992) hatte der beim russischen Bildungsministerium angesiedelte Ausschuß "Recht des Kindes" offiziell lediglich 25 Kinder vermittelt. Ausschußvorsitzende Ludmilla Fimina: "Die Ausländer machen das lieber ohne uns."

US-BABYAGENTUREN Im Hinblick auf den osteuropäischen Markt scheint sich ein Trend zu den amerikanischen Vermittlungsbüros abzuzeichnen, "die im allgemeinen als seriös gelten, Lieferungen binnen kürzester Zeit versprechen und ihre Klientel nicht, wie die deutschen Jugendämter und Wohlfahrtsverbände, mit psychologischen Tests und ethischen Bedenken in Selbstzweifel stürzen". Neben dem "Hawaii International" ist vor allem das "European Adoption Consultans" mit Sitz in Ohio im Geschäft. Profit darf die Agentur jedoch nicht erwirtschaften, da es als Non-Profit-Organisation anerkannt ist, was als "gemeinnützig" gilt. Ms. Margaret Cole, die Besitzerin der Agentur, makelt in elf Ländern, darunter auch Rußland, Belorußland, Moldawien, die Ukraine, Usbekistan, Kasachstan und China. "Über die aktuelle Lage an der heiß umkämpften Adoptionsfront klärt eine telefonische Hotline auf: Rußland wird schwieriger, Rumänien dauert länger als erwartet, China läuft phantastisch, aus Kasachstan und Usbekistan sind Videos unterwegs." Sechs deutsche Ehepaare hat das "European Adoption Consultans" bereits bedient. Eines erhielt gegen Zahlung von 8.000 Dollar ein Girlchild aus China. 787 Mädchen exportierte der Ein-Kind-Familien-Staat China im vergangenen Jahr (1994) allein in die Vereinigten Staaten: "Girl babies only. Parents must be childless and over 35, may be single. Only through orphanages". China ist groß im Kommen, seitdem ein Gesetz (1991) in Kraft trat, das die Vermittlung chinesischer Kinder (Mädchen) ins Ausland offeriert. "The Civil Affairs Ministry plans a special center to handle overseas adoptions applications and guide foreigners through the adoption process", zitierte die Nachrichtenagentur einen "ministry official". Chinas "Market in Orphan Girls" floriert. Vor allem das Wuhan Foundling Hospital gilt international als gute Adresse. Dort fand auch Anna Schmitz und ihr Mann Jean Claude West eine Tochter - unter Tränen übergeben von der Mutter des Kindes, wie ein unterlegtes Foto sichtbar werden läßt.

GEBURTEN-VERMITTLUNGEN Daß immer häufiger auch junge Frauen und Mütter geworben werden, um ihre Kinder möglichst noch vor der Geburt ins gelobte Land bringen, deutet sich an vielen Orten an. Sei es in Szeged (Ungarn), wo rumänische (Roma-)Frauen ihre Kinder für den freien Markt entbinden, sei es in Smoljan, Kardschali (Bulgarien) oder Thessaloniki (Griechenland), wo illegal eingereiste Bulgarinnen ihre neugeborenen Kinder zu verkaufen versuchten , sei es in der Bundesrepublik selbst, wo nach einer Studie der Universität Münster ein Schleppernetz existieren soll, "über das asiatische Frauen via Deutschland in andere europäische Länder geschleust werden. Ansteigend ist die Zahl von Frauen, die mit Kind oder hochschwanger angeworben werden", wobei die Neugeborenen zum Preis von 11.000 Mark als Adoptivkinder "regelrecht verkauft" werden. Derartige Geburten-Vermittlungen sind auch in Berlin, Stuttgart und Hamburg anrüchig geworden. "Die schwangeren Frauen kommen aus Rußland und Polen, aus Bulgarien und Rumänien. Sie reisen nach Hamburg (Berlin, Stuttgart, G.W.), um hier ihr Baby zur Welt zu bringen. Kurz nach der Geburt verschwinden sie fluchtartig..." Dabei häufen sich die Fälle, in denen hier lebende Roma-Familien ihre Kinder - über kommerzielle Vermittler - zum Verkauf anbieten. Wie hoch die Dunkelziffer ist, weiß niemand zu sagen. Allerdings ist bekannt, "daß die "neuen" Eltern die leibliche Mutter häufig zur Geburt nach Holland begleiten, wo sie eine Geburtsurkunde auf ihren Namen erhalten". Es kommt jedoch auch vor, daß die Kinder direkt zum Verkauf angeboten werden. So zum Beispiel in Hameln, wo ein rumänisches Ehepaar versucht hatte, ihr zwei Monate altes Kind für 15.000 Mark an eine Familie in Hameln zu verkaufen. Die Mutter des Jungen sowie ein Mittelsmann wurden verhaftet, jedoch schnell wieder freigelassen, "als sich herausstellte, daß es im Strafgesetzbuch keinen Paragraphen gegen derartigen Menschenhandel gibt". Offenbar war es den Eltern gelungen, glaubhaft zu machen, daß sie nicht aus Gewinnsucht, sondern aus sozialer Not gehandelt haben. Das niedersächsische Justizministerium ließ mitteilen, daß es eine entsprechende Ergänzung des Strafgesetzbuches prüfen wolle.

Wie es um Recht und Gesetz bestellt ist, soll im nächsten Kapitel beschrieben werden.

2. Recht und Politik über Auslandsadoptionen Das materielle Adoptionsrecht, nach dem sich die Voraussetzungen und Wirkungen einer Adoption bestimmen, ist Teil der familienrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (§§ 1741-1766 BGB). Seine Zuständigkeits-, Verfahrens- und Sanktionsnormen werden jedoch seit 1977 durch ein eigenständiges Adoptionsvermittlungsgesetz (1977) geregelt, das wiederum mit dem "Europäischen Übereinkommen über die Adoption von Kindern" in Übereinstimmung gebracht werden mußte. Dieses ist seit 1981 auch in der Bundesrepublik geltendes Recht. In den einzelnen Bestimmungen dieses Übereinkommens spielen die Interessen und Belange der Adoptiveltern allerdings nur noch eine untergeordnete Rolle, während die des Kindes im Mittelpunkt stehen. "Generalklauselartig heißt es daher auch in unserem Adoptionsrecht, daß eine Annahme als Kind nur zulässig ist, "wenn sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, daß zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht" (§ 1741). Alle Vorschriften des Adoptionsrechtes sind diesem Ziel untergeordnet."

2.1 Das Adoptionsvermittlungsgesetz Nach dem Adoptionsvermittlungsgesetz (AdvermG) von 1977 ist eine Adoptionsvermittlung nur noch den Adoptionsvermittlungsstellen der Jugendämter, den Zentralen Adoptionsstellen der Landesjugendämter sowie den Adoptionsvermittlungsstellen freier Träger erlaubt. Verstöße konnten mit Geldbußen bis zu 10.000 Mark geahndet werden. Insoweit das Kind dabei dem Geltungsbereich des Gesetzes entzogen wurde, erhöhte sich die Geldbuße auf bis zu 50.000 Mark. Dessen ungeachtet breiteten sich die kommerziellen und privaten Vermittlungen jedoch insbesondere in den 80er Jahren derartig aus, daß der Gesetzgeber schließlich nicht (mehr) umhin kam, gesetzliche Maßnahmen gegen Kinderhandel zu ergreifen, nicht zuletzt, um der illegalen Vermittlung von Kindern (Kinderhandel) nicht länger Vorschub zu leisten. Privatadoptionen zu unterbinden, wie von terre des hommes gefordert, lag von vornherein nicht in der Absicht der Bundesregierung. Sie wollte, sieht man von dem Verbot der "Leihmutterschaft" einmal ab, nur den "Babyhändlern" das Handwerk legen - nicht aber den Kaufeltern oder denen, die ihre Adoption privat in die Tat umsetz(t)en. Aus diesem Grunde sieht das am 1. Dezember 1989 in Kraft getretene "Gesetz zur Änderung des Adoptionsvermittlungsgesetzes" auch nur einige (ergänzende) Regelungen zum bisher geltenden Recht vor. In ihrer Antwort auf die Große Anfrage der Grünen im Bundestag führt die Bundesregierung hierzu aus:

- Verboten ist nicht nur die unautorisierte Adoptionsvermittlung, sondern jede Art der Vermittlung eines Kindes zur Aufnahme auf Dauer in eine Familie. - Verstöße gegen das Vermittlungsverbot können mit Geldbuße bis zu 10.000 Mark geahndet werden. Wenn durch die Vermittlung bewirkt wird, daß das Kind in den oder aus dem Geltungsbereich des Gesetzes verbracht wird, kann eine Geldbuße bis zu 50.000 Mark verhängt werden. - Wer ein Kind entgeltlich vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft. Handelt der Täter dabei gewerbs- oder geschäftsmäßig, erhöht sich die Freiheitsstrafe auf bis zu drei Jahren. Vermittelt der Täter entgeltlich und wird das Kind dabei in den oder aus dem Geltungsbereich des Gesetzes verbracht, so droht eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Gewerbs- und geschäftsmäßiges Handeln ist in diesen Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bedroht.

Darüber hinaus war es nunmehr verboten, schwangere Frauen dazu zu bewegen, ihre Entbindung im Ausland vornehmen zu lassen, um das Kind dort zur Adoption freizugeben oder gar zu diesem Zweck schwanger zu werden (sog. Leihmutterschaft). "Im übrigen untersagt das Adoptionsvermittlungsgesetz die Suche nach oder das Angebot von Kindern oder Adoptionsbewerbern in öffentlichen Erklärungen wie insbesondere in Zeitungsanzeigen oder Zeitungsberichten. Verstöße gegen dieses Verbot können mit einer Geldbuße bis zu 10.000 DM geahndet werden. Diese Bußgelddrohung zielt ausnahmsweise auch auf die Adoptionsbewerber. Die leiblichen Eltern des vermittelten Kindes und die Personen, die das Kind auf Dauer bei sich aufnehmen wollen, werden nicht bestraft, wenn sie einen der o.g. Bußgeld- bzw. Straftatbestände verwirklichen." Darüber hinaus können auch Tatbestände des Strafgesetzbuches verwirklicht werden, insbesondere in Fällen von Kindesentziehung (§ 235 StGB), Personenstandsfälschungen (§ 169 StGB) und Betrug (§ 263 StGB).

Mit dieser Ergänzung reagierte der Gesetzgeber vor allem auf die Vermittlungstätigkeiten des Adelmann zu Adelmannsfelden, dessen bevorzugte Praktiken - insbesondere der "Vaterschaftstrick" - bisher nicht vom Recht erfaßt wurden. Nach Änderung des Adopoptionsvermittlungsgesetzes werden nunmehr auch "die geschilderten Umgehungspraktiken (des Grafen Adelmann, G.W.) von der Bußgeldvorschrift des § 14 Abs.1 Nr.1 und Abs.2 Nr.1 sowie die Strafvorschrift des § 14 a Adoptionsvermittlungsgesetz erfaßt", wonach ordnungswidrig handelt, wer unentgeltlich Vermittlungstätigkeiten ausübt, die auf das Ziel gerichtet sind, daß ein Dritter ein Kind auf Dauer bei sich aufnimmt (§ 14 Abs.1 Nr.1, Abs.2 Nr.1), wobei mit Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren rechnen muß, wer diese Vermittlung entgeltlich oder gewerbsmäßig betreibt (§ 14 a AdvermG). Das Gesetz richtet sich dem Wortlaut nach also ausschließlich an jene, die vermitteln, nicht aber zugleich auch an jene, die vermitteln lassen, wie Rolf P. Bach in seiner kritischen Würdigung bemerkte. "Entgegen der ursprünglichen Gesetzesvorlage und trotz nachhaltiger Bedenken aus Expertenkreisen werden von diesen Strafvorschriften nur die kommerziellen Vermittler erfaßt, nicht hingegen deren Kunden."

So sollte auch das falsche Vaterschaftsanerkenntnis für den falschen Vater selbst keine Konsequenzen nach sich ziehen. "Soweit es um die aus einer unwahren Vaterschaftsanerkennung zu ziehenden zivilrechtlichen Konsequenzen für die weitere Entwicklung des Eltern-Kind-Verhältnisses geht, bleibt die Entscheidung den Gerichten nach Maßgabe des Kindeswohl vorbehalten." In der alltagspraktischen Auslegung bedeutet diese Auffassung allerdings nichts anderes als: Die unrechtmäßige Inbesitznahme eines Kindes steht dem Kindeswohl vor deutschen Gerichten durchaus nicht entgegen , und zwar nicht einmal dann, wenn keine Einwilligungserklärung der Mutter bzw. der Eltern des Kindes vorgelegt werden kann. In diesem Fall können die Vormundschaftsgerichte nämlich auf § 1747 Abs.4 zweite Alternative BGB zurückgreifen. "Nach dieser Vorschrift ist die Einwilligung eines Elternteils nicht erforderlich, wenn sein Aufenhalt dauernd unbekannt ist" - was im Falle von kommerziellen oder Privatadoptionen regelmäßig der Fall sein dürfte.

terre des hommes: "Früher fanden sich Privatadoptionen und Kinderhandel im Strafgesetzbuch - heute stehen sie nur noch im Adoptionsvermittlungsgesetz. Danach ist eine Adoption, wenn sie nicht von fachlich anerkannten Stellen durchgeführt wird, illegal. Aber: Mehr als ein Verfahren wegen Ordnungswidrigkeit droht im Regelfall nicht. Strafrechtlich verfolgt werden zwar mögliche Urkunden- und Personenstandsfälschungen, Kindesentführung oder Bestechungen, wenn die Adoptiveltern selbst darin verstrickt sind. Allerdings ist es nicht verboten, sich über private Kontakte zu Heimen oder einzelnen Personen in der Dritten Welt ein Kind zu "besorgen". Wenn die Adoptiveltern dann noch eine amtliche Pflegegenehmigung in der Tasche haben, können sie ohne weiteres jederzeit mit einem Kind einreisen. Privatadoptionen ohne Einschaltung eines legalen Vermittlers und ohne nachweisbare Beteiligung eines illegalen Vermittlers sind demnach in der Bundesrepublik rechtmäßig. Eine absurde Situation."

Zur Rechtmäßigkeit von Auslandsadoptionen stellt die Bundesregierung daher ausführend lediglich "grundsätzlich" fest, daß Adoptionen durch Deutsche im Ausland ohne gerichtliche Mitwirkung nicht wirksam sind (Art. 22 Satz1, Satz 2 in Verbindung mit Art. 14 Abs.1 Nr.1, Artikel 5 Abs.1 Satz 2 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 1752 Abs. 1 BGB). Zur Anerkennung einer Auslandsadoption muß andererseits aber auch kein besonderes förmliches Verfahren eingehalten werden. "Sind die Unterlagen einer ausländischen gerichtlichen Adoption unzureichend, so wird in der Regel eine solche Entscheidung nicht anzuerkennen sein. Bei einer dann in Frage kommenden neuen Adoption im Inland ist insbesondere Art. 23 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch zu beachten. Die Erforderlichkeit und die Erteilung der Zustimmung des Kindes und einer Person, zu dem das Kind in einem familienrechtlichen Verhältnis steht, zur Annahme als Kind unterliegen zusätzlich dem Recht des Staates, dem das Kind angehört. Soweit es zum Wohl des Kindes erforderlich ist, sind die Zustimmungserfordernisse ausnahmsweise statt nach dem Heimatrecht des Kindes nach deutschem Recht zu beurteilen. Die Heranziehung deutschen Rechts kommt insbesondere bei Inlandsadoptionen von ausländischen Kindern in Betracht, wenn die Zustimmungserfordernisse des Heimatrechts nicht oder nur mit unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten erfüllt werden können."

Nun, mit "unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten" ist bei illegalen Adoptionen allemal zu rechnen, wenn man sich nur einmal der Mühe unterzieht, die Spuren des (im Ausland) adoptierten Kindes zurückzuverfolgen. So stellt sich das Recht in Fällen von Kinderhandel faktisch auf die Seite derer, die in der Tat "auf die Nachsicht der Behörden spekulieren" müssen, weil die Vermittlung bzw. Adoption "ihres" Kindes rechtsverletzend in die Wege geleitet wurde. Auch der für die Anerkennung (entscheidende) § 16 a FGG regelt schließlich nur, unter welchen Umständen eine Anerkennung der Adoption ausgeschlossen ist, nicht aber, wann diese als gegeben anzusehen ist. So heißt es unter Ziffer 4: "Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ist ausgeschlossen, wenn die Anerkennung mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist." Da der Gesetzgeber jedoch kein einheitliches und förmliches Anerkennungsverfahren vorschreibt, bleibt die Entscheidung darüber in letzter Instanz der Behörde bzw. dem/der zuständigen Sachbearbeiter/in selbst überlassen, wobei "keine Behörde an die Entscheidung einer anderen Behörde gebunden (ist)". Die Empfehlung, die ausländische Adoption daher in der Bundesrepublik Deutschland noch einmal zu wiederholen, mag daher - unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit - durchaus zweckdienlich sein. Sie leistet jedoch keinen Beitrag dazu, kommerzielle oder Privatadoptionen aufzuheben oder eine (noch) mögliche Rückführung des Kindes zu seiner Mutter bzw. Ursprungsfamilie in die Wege zu leiten. In der Konsequenz unterstreichen derartige Beschlüsse daher nur einmal mehr den besitzergreifenden Anspruch darauf, daß das, was mein ist, auch mein bleibe - selbst wenn man sich dieses "mein" zuvor auf unrechtmäßige Art und Weise bemächtigt hatte.

"Nach unserer Auffassung," so die Bundesregierung zu den von terre des hommes vorgeschlagenen Maßnahmen gegen Kinderhandel, "kann durch legislative Maßnahmen keine Verbesserung der beschriebenen Situation erwirkt werden. Die von "terre des hommes" vorgeschlagenen Maßnahmen beziehen sich überwiegend auf Fälle, bei denen ein Kind zwar ins(sic!) Ausland vermittelt bzw. von dort geholt wurde, die Adoption jedoch erst in der Bundesrepublik Deutschland erfolgt. Der bei "unsauberen" Praktiken bevorzugte Weg, das Kind schon im Ausland zu adoptieren und auf Anerkennung dieser Adoption im Inland zu setzen, wird durch die vorgeschlagenen Maßnahmen kaum eingeschränkt. Außerdem muß im Rahmen der obligatorischen Prüfung, ob die beantragte Adoption dem Wohl des Kindes dient, dem entscheidenden Vormundschaftsgericht ebenso wie dem gutachterlich Stellung nehmenden Jugendamt immer ein relativ breiter Beurteilungsspielraum zur Verfügung stehen. Hier kommt es darauf an, das Bewußtsein der verantwortlichen Stellen ebenso wie das der breiten Öffentlichkeit dahingehend zu schärfen. daß der "Kauf" bzw. die illegale Beschaffung eines Kindes auf das Eltern-Kind-Verhältnis langfristig negative Auswirkungen haben kann."

Es kann festgestellt werden, daß die Bundesregierung diesem Anspruch selbst in keiner Weise gerecht wird, und zwar weder durch eine "Änderung des Adoptionsvermittlungsgesetzes" noch durch ihre in der Großen Anfrage der GRÜNEN IM BUNDESTAG ausgeführte Begründung, nach der der Wunsch nach einem Kind das volle Verständnis der Bundesregierung findet. Als Ausgangspunkt der Betrachtung dient diese Sicht der Dinge allenfalls dem Zweck, das Ausmaß illegaler Adoptionen zu bagatellisieren, statt - wie der apostrophierte Anspruch es nahelegen würde - das Bewußtsein dafür zu schärfen, daß diese unrechtmäßig sind. So werden die beschriebenen Praktiken entweder in Abrede gestellt, als Einzelfälle bezeichnet oder der Profitgier einzelner "Babyhändler" anheimgestellt, niemals jedoch in die Verantwortung der "Adoptiveltern" selbst genommen. Dies zeigt sich schon daran, daß die Bundesregierung von Kauf immer nur in Anführungszeichen spricht, gerade so, als sei "die illegale Beschaffung eines Kindes" allein mit gutem Willen zu bewerkstelligen. Mit Verständnis können die Kaufeltern dabei offenbar selbst dann rechnen, wenn sie - wie Thomas Gottschalk - schlicht und einfach vorgeben, nicht gewußt zu haben, auf wen sie sich da einließen. Das Wohl des Kindes jedenfalls scheint sich mit Kauf doch nicht so recht verbinden zu lassen. In Anführungszeichen gesetzt, verliert die über Geld realisierte Inbesitznahme des Kindes jedoch ihren monetären Charakter. Was bleibt, ist das Wohl des Kindes - in der deutschen Kleinfamilie.

Die von den Landesjugendämtern und (Zentralen) Vermittlungsstellen mitgeteilten Daten und Trends lassen auch ohne genauere Prüfung erkennen, daß die kommerzielle und Privatadoption nach wie vor als Realität in deutschen Amtsstuben und Einfamilienhäusern existiert. Sofern die Voraussetzungen und Bedingungen ihrer Durchsetzung schwieriger geworden sind, liegt dies jedenfalls nicht an dem (Zu-)Stand der bundesdeutschen Rechtsprechung bzw. Gesetzgebung, sondern daran, daß die Herkunftsländer der adoptierten Kinder ihre Gerichte und Grenzen für ausländische Adoptionsbewerber mehr und mehr schließen. Dazu beigetragen hat nicht zuletzt auch die von terre des hommes initiierte und von ihr international unterstützte Kampagne gegen kommerzielle und Privatadoptionen, die schließlich auf der Haager Konferenz ihren (vorläufigen) Abschluß fand.

2.2 Die strafrechtlichen Rahmenbedingungen von Kinderhandel und Kinderdiebstahl Über "das Kreuz mit der Kindesentziehung" wurde bereits in Kap. 1.4 (Belege über Kinderhandel) Bezug genommen. Im folgenden soll nunmehr auf die strafrechtlichen Rahmenbedingungen eingegangen werden, in denen Kinderhandel gedeiht, als handele es sich dabei um eine rein private Angelegenheit, eine Angelegenheit jedenfalls, um die sich der Staat, das Recht, nicht zu scheren habe. "Das Interesse am Nachweis von Adoptionsgelegenheiten einerseits und das Interesse an einem adäquaten Kinderschutz andererseits müssen sich zwar nicht widersprechen. Doch kommt es in den Versuchen, die private und öffentliche Vermittlung von Adoptionsgelegenheiten aufeinander abzustimmen, zu Konfliktsituationen, die auch durch die Frage bestimmt werden, wie staatliche Aufgaben und privates Handeln grundsätzlich gegeneinander abzugrenzen sind."

Aus Anlaß einiger "spektakulärer Fälle" (Sabine Leutheusser-Schnarrenberger) und in Vorbereitung eines Gesetzgebungsvorhabens beauftragte die Bundesministerin für Justiz daher im November 1992 den Rechtswissenschaftler Hans-Jörg Albrecht von der Universität Dresden, die sichtbar gewordenen Erscheinungsformen von Kinderhandel empirisch zu untersuchen und Möglichkeiten seiner Bekämpfung aufzuzeigen. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: "Die Untersuchung hat gezeigt, daß rechtspolitischer Handlungsbedarf gegeben ist und daß die Gesetzgeber dazu aufgerufen sind, den Kinderschutz in diesem Feld zu verstärken." Interessant scheint mir in diesem Zusammenhang auch zu sein, daß der Autor sich nicht davon in die Irre leiten ließ, daß das quantitative Ausmaß des Problems, "soweit empirisch überhaupt ein Zugang geschaffen werden kann", als vergleichsweise gering anzusehen ist. "Doch sollte dies nicht den Blick dafür verstellen, daß zuallererst das qualitative Ausmaß des Problems für die Frage strafrechtspolitischer Initiativen ausschlaggebend sein muß" - ein Ausgangspunkt, von dem aus sich Kinderhandel allerdings als das erkennen läßt, was es ist: als soziales Problem einer Gesellschaft, in der Kinderlosigkeit und Armut eine "ganz prekäre Verbindung eingangen" sind.

DER STRAFTATBESTAND DER KINDESENTZIEHUNG (§ 235 StGB) Im Preußischen Landrecht wurde der Raub von Kindern - wie auch der Raub von Sklaven - als eine besondere Form der Eigentumsverletzung betrachtet. Die Rechte von Kindern wurden infolgedessen über die Verfügungsrechte Dritter definiert - eine (Rechts-)Auffassung, die in den folgenden Strafgesetzbüchern allmählich zugunsten des Schutzgedankens in den Hintergrund trat. Damit aber ging zugleich auch "der eigentliche Anknüpfungspunkt für den Unwert, der in der Kindesentziehung auch zum Ausdruck kommt und der im "Menschenraub" ganz selbstverständlich ist, nämlich das Sichbemächtigen eines anderes Menschen, verloren", so der Autor in einer rückblickenden Würdigung des preußischen Strafgesetzes, nach dem die Entführung einer minderjährigen Person durch List und Gewalt - und gegen den Willen der Sorgeberechtigten - unter Strafe gestellt wurde. Wir werden sehen, daß sich der so definierte Tatbestand der Kindesentführung bis in das heutige Strafrecht hinein nachvollziehen läßt.

So macht sich nach der heute geltenden Rechtslage, darauf wurde bereits hingewiesen, nur "derjenige strafbar, der eine Person unter achtzehn Jahren durch List, Drohung oder Gewalt ihren Eltern, ihrem Vormund oder ihrem Pfleger entzieht". Angedroht sind Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren oder Geldstrafen, in besonders schweren Fällen, d.h. immer dann, wenn der Täter aus Gewinnsucht handelte, können Freiheitsstrafen zwischen sechs Monaten bis zu zehn Jahren verhängt werden. Allerdings ist das geschützte Rechtsgut nicht das Kind selbst, sondern das elterliche (oder familienrechtliche) Sorgerecht. Als entzogen gilt das Kind bzw. die minderjährige Person daher nur dann, "wenn das Recht zur Erziehung, Beaufsichtigung und Aufenhaltsbestimmung durch räumliche Trennung für eine gewisse, nicht nur vorübergehende Dauer so beeinträchtigt wird, daß es nicht mehr ausgeübt werden kann" - was im Falle von Auslandsadoptionen regelmäßig der Fall sein dürfte. Liegt hierfür jedoch eine Einverständniserklärung der/des Sorgeberechtigten vor, liegt kein "Entziehen" vor, und zwar selbst dann nicht, wenn gegen den Minderjährigen - um sich seiner zu bemächtigen - Gewalt angewendet wurde.

Da List, Drohung und Gewalt angewendet werden muß, um den Tatbestand des Entziehens zu erfüllen, gestaltet sich die Strafverfolgung im Hinblick auf die Entziehung von Säuglingen und Kleinkindern als äußerst schwierig. "Nimmt der Täter in einem unbeobachteten Augenblick einen Säugling (ein Kleinstkind) an sich, bringt es an einen anderen Ort oder verkauft das Kleinkind schließlich an interessierte Dritte, dann wird nach richtiger Auffassung der Tatbestand § 235 StGB nicht verwirklicht. Denn die neben der tatbestandlichen Handlung Entziehung alternativ geforderten Merkmale "List, Drohung oder Gewalt" liegen bei der bloßen heimlichen Wegnahme nicht vor. Auch das Delikt der Freiheitsberaubung kann nicht verwirklicht sein, da Kleinkinder infolge der ihnen zugeschriebenen Unfähigkeit, ihren Aufenthaltsort selbst zu wählen, nicht taugliches Objekt der Freiheitsberaubung sein können. Folglich ist ein Täter dann weder aus § 235 noch aus § 239 StGB strafbar." Dies hat wiederum zur Folge, daß sich der Tatbestand des Diebstahl unter Umständen nicht auf das Kind, sondern lediglich auf den Kinderwagen bezieht, mit dem das Kind gestohlen wurde. Das bloße Sichbemächtigen eines Kindes aber verletzt niemandes Rechte. Problematisch erscheint auch, daß zum Beispiel Heime, Tagesmütter oder Pflegeeltern kein eigenständiges Sorgerecht besitzen. Eine Entziehung ist dementsprechend auch in den Fällen nicht strafbar, wo nur "ein rein tatsächliches Erziehungs- und Fürsorgeverhältnis" besteht. "Besonders krass wird die alleinige Betonung der formalen Sorgerechtsposition dann, wenn, wie es nicht selten der Fall sein wird, das Jugendamt den Strafantrag nicht stellt, andererseits aber durch das Vorgehen der Kindesentzieher erhebliche Traumen bei entzogenen oder entführten Kindern ausgelöst werden. Da § 235 StGB nicht nur das Recht der Sorgeberechtigten schützen sollte, sondern jedenfalls mittelbar auch den Minderjährigen selbst, wäre eine Ausdehnung des Antragrechts auf die materiell als Eltern fungierenden Pflegepersonen angemessen", so Hans-Jörg Albrecht in bester Absicht , die jedoch in Fällen von Kinderhandel zu der grotesken Situation führen würde, daß die "als Eltern fungierenden Pflegepersonen" (Kaufeltern) Rechte erhielten, die sie den leiblichen Müttern gegenüber auf das Eklatanteste verletzt haben.

STRAFBARKEITSLÜCKEN "Ganz offensichtlich", so Hans-Jörg Albrecht nach eingehender Prüfung der Sachlage, "ist der strafrechtliche Eigentumsschutz umfassender als der strafrechtliche Menschenschutz". Tatsächlich ist es im Falle eines Säuglings oder Kleinkindes nur der im Verkauf oder Kauf liegende Akt des Sich-eines-Anderen-Bemächtigen, der allein strafwürdig ist. "Soweit der Handel mit Kindern im engeren Zusammenhang zum Thema steht, also der Verkauf und der Ankauf von Kindern, so bietet nur das Adoptionsvermittlungsgesetz Anknüpfungspunkte... Die strafrechtliche Regelung verfährt dabei als typisches Nebenstrafrecht aus der Perspektive des Adoptionsverfahrens und bekommt so im wesentlichen nur als strafwürdig empfundene Abweichungen vom zugelassenen Adoptionsverfahren in den Blickwinkel. Damit sind Käufer und Verkäufer aus der strafrechtlichen Haftung ausgenommen. Der Adressat ist vielmehr der Vermittler, der in eine illegale Konkurrenz zur konzessionierten Adoptionsvermittlungsstelle tritt. So wären nach dem Adoptionsvermittlungsgesetz in diesem Fall weder der Verkauf noch der Kauf des "gestohlenen" Kindes strafbare Taten. Auch Ordnungswidrigkeiten kämen nicht in Betracht." Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es tatsächlich fast so, als habe sich der Staat mit Rückgriff auf das Recht lediglich eine bessere Position auf dem Kindermarkt verschaffen wollen. Der Gedanke der Konkurrenz jedenfalls verortet die Aktivitäten des Gesetzgebers in das Marktgeschehen selbst. Er wird somit - sichtbar gemacht an seinen Versäumnissen - Teil desselben.

Diesem Dilemma können sich offensichtlich auch die mit Auslandsadoptionen befaßten Behörden und Adoptionsstellen letzendlich nicht entziehen. "Deutlich sichtbar wird diese Problematik in einem Fall von Kindesentziehung und internationaler Adoption, den die Botschaft eines südostasiatischen Landes dokumentiert und mitgeteilt hat. Dieser Fall beinhaltet den Briefwechsel zwischen einem deutschen Jugendamt und der Botschaft. Es geht um ein Kind aus dem betreffenden Land, das als Säugling entführt und ohne Einverständnis nach Deutschland verbracht, zur Adoption angeboten und schließlich auch zur Adoption vermittelt wurde. Der Tatbestand der Kindesentführung im Ausland ist klar belegt und im übrigen von keiner Seite bestritten. Freilich macht sich das Jugendamt in den Verhandlungen über eine Rückführung des Kindes in sein Herkunftsland das Wohl des Kindes zu eigen und argumentiert, das Kind sei nunmehr seit knapp drei Jahren in der Pflegefamilie untergebracht, habe eine enge Beziehung zu den Pflegeeltern entwickelt und sich vollständig in die dortigen Verhältnisse eingelebt. Die Botschaft betont dagegen in ihrem Schreiben den strafrechtlichen Tatbestand, denn eine Kindesentziehung bzw. Kindesentführung ist verwirklicht und dauert gegebenenfalls sogar noch an. Das Dilemma ist freilich klar. Ist nicht mehr das Kindeswohl das einzige Kriterium der Entscheidungen, sondern tritt die Perspektive des Strafrechts hinzu, dann entsteht ein wichtiger Konflikt", der die Adoptionsvermittlung strafrechtlich überformen würde.

Die Tragik liegt nicht zuletzt auch darin, daß die Initiierung von strafrechtlichen resp. Ordnungswidrigkeitsverfahren allein von den Jugendverwaltungsbehörden und Adoptionsstellen ausgehen kann, und zwar unabhängig davon, ob sie sich auf die Tatbestände des Adoptionsvermittlungsgesetzes beziehen oder - um nur ein Beispiel zu nennen - auf den Verdacht der Urkundenfälschung. Erstatten sie, die das formale Sorgerecht besitzen, keine Anzeige, wird nicht ermittelt. "Auf eine systematische proaktive Orientierung der Strafverfolgungsbehörden, insbesondere der Polizei, gibt es bis heute keinen Hinweis." So führte die Einführung von Straftatbeständen im wesentlichen allenfalls zu einer Verlagerung der Vermittlungsaktivitäten ins Ausland. Insofern hat sich die Änderung des Adoptionsvermittlungsgesetzes also tatsächlich effektiv erwiesen, wobei jedoch einschränkend darauf hingewiesen wird, daß "noch nicht ausgemacht ist, was als kommerzieller Kinderhandel im einzelnen zu verstehen ist. Hier kommt es insbesondere auch auf die Entwicklung gemeinsamer internationaler Standards an", so Hans-Jörg Albrecht im Hinblick auf die daraus zu ziehenden politischen Schlußfolgerungen. "Denn das Ziel des Kindeswohl läßt ja, wie die internationalen Vereinbarungen zur Durchsetzung von Sorgerechtsentscheidungen zeigen, selbst dann, wenn eine kriminelle Kindesentführung am Anfang stand, nach einem gewissen Fristablauf die Wiederherstellung des ursprünglichen Sorgerechtszustandes ablehnen." Verbindet man jedoch das so verstandenen Wohl des Kindes über seine gegenwärtige Lage hinaus auch mit seiner biografischen Geschichte, seiner Herkunft, seiner Kultur und seiner unveräußerlichen Rechte als Mensch, so würde wohl auch die Instrumentalisierung dieses Wohls seine Grenzen finden - aus der Perspektive der Kaufeltern gesprochen.

2.3 Menschenhandel Kinderhandel - Menschenhandel mit Kindern - zum Zwecke der Adoption wird strafrechtlich nicht als Menschenhandel aufgefaßt. § 181 StGB bezieht sich ausschließlich auf den Tatbestand Zuführung zur Prostitution. "Er ist auf ausländische Frauen zugeschnitten, die in ihrem Heimatland angeworben oder mit List, Drohung und Gewalt entführt werden, und hier bei uns unter Ausnutzung ihrer Hilflosigkeit zu sexuellen Handlungen gebracht werden." Eine Analogie zur Kindesentziehung ist allerdings offenkundig, da auch der Tatbestand Kindesentziehung eine Entführung mittels List, Drohung und Gewalt voraussetzt. Im Gegensatz zu den von Menschenhandel betroffenen Frauen besitzen Säuglinge und Kleinkinder jedoch nicht den Status eines Subjekts (Rechtsgut) von Entziehung bzw. Entführung, obwohl sie, nicht anders als die zum Zwecke der Prostitution entführten Mädchen und Frauen, "benutzt werden wie Waren". Die Strafrechtsnormen von Menschenhandel lassen jedoch dennoch keine Anwendung auf den Handel mit Kindern zum Zwecke der Adoption zu.

Dennoch wird mit den Begriffen Kinderhandel bzw. Menschenhandel mit Kindern auf spezifische Phänomene hingewiesen, die erkennen lassen, daß unter den Bedingungen moderner Industriegesellschaften "neue und profitable (internationale) Märkte entstanden sind" , die als moderne Form der Sklaverei aufgefaßt werden müssen. "Jedoch tritt die Sklaverei nunmehr in einem anderen, in einem modernen Gewande in Erscheinung. Strukturell bedingte soziale und wirtschaftliche Zwänge und deren Nutzung in den Beziehungen zwischen Menschen haben die unmittelbare physische Gewalt als Mittel zur Ausbeutung von Menschen und als Mittel, sich eines Menschen zu bemächtigen bzw. einen Menschen in nicht tolerierbare Abhängigkeit zu bringen, abgelöst. Zu der Bekämpfung dieser modernen Formen der Sklaverei fehlen aber offensichtlich die angemessenen Instrumente. Insoweit ist der Handel mit Kindern sicher nur Teil einer umfassenderen Fragestellung, nämlich derjenigen nach dem Handel mit Menschen."

Im Hinblick auf den auch "Zuckergußsklaverei" genannten Menschenhandel mit Kindern sind jedoch auch Phänomene berührt, die das Strafrecht als opferloses Delikt bezeichnet. Die Initiierung des Strafverfahrens ist nämlich allein dem Opfer überlassen. Im Falle des Menschenhandel mit Kindern aber ist "das eigentliche Opfer, nämlich das Kleinkind selbst, wie im Falle der Kindesmißhandlung, aus physischen Gründen, handelt es sich um ältere Kinder, aus Gründen mangelnder Kompetenz und sozialer Unterlegenheit gegenüber Erwachsenen, nicht in der Lage, eine Anzeige zu erstatten oder die Unterstützung formeller Sozialkontrolle in Anspruch zu nehmen. Die hieraus resultierenden Defizite für die Strafverfolgung, teilweise auch als Implementationsdefizit benannt, können sich Ausbeuter in Form der Reduzierung des Strafverfolgungsrisikos zunutze machen." Dieses als Implementationsdefizit beschriebene Phänomen wirkt auch auf die Sorgeberechtigten der betroffenen Kinder. Denn weder haben sie in der Regel Kenntnis davon, in welches Land ihre Kinder verbracht wurden, noch wissen sie den Namen der Kaufeltern, ihren Wohnort, ihre Adresse, ja, sie wissen vielleicht nicht einmal, daß sie das Recht haben, die Herausgabe ihrer Kinder zu verlangen. Was würde es ihnen auch nützen, verfügen sie doch gar nicht über das Geld, das gebraucht wird, um ein solches Verfahren überhaupt anzustrengen.

"Das eigentliche Problem stellt hier aber der Nachweis von in den Herkunftsländern von Adoptivkindern verübten Straftaten im Empfängerland dar."

2.4 UN-Konvention über die Rechte des Kindes Im Jahre 1959 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen eine Erklärung der Rechte des Kindes, mit dem die Rechte des Kindes erstmalig als Menschenrechte anerkannt wurden. Danach sollte ein Kind, "wo immer das möglich ist, in der Fürsorge und unter der Verantwortung seiner Eltern aufwachsen, und auf jeden Fall in einer Atmosphäre der Zuneigung und moralischer und materieller Sicherheit; ein Kleinkind soll nicht von seiner Mutter getrennt werden, es sei denn; es lägen außergewöhnliche Umstände vor". Es ist kaum anzunehmen, daß die Vereinten Nationen die globale Realität von Armut als "außergewöhnliche Umstände" gelten lassen würden, auch wenn diese - im Falle von Auslandsadoptionen - immer wieder gerne als Argument benutzt wird, wenn es geboten scheint, die Inbesitznahme eines (gekauften) Kindes zu legitimieren. Die Erklärung der Rechte des Kindes hatte diese Entwicklung wohl kaum vor Augen, ging es ihr doch darum, das Interesse des Kindes anzuerkennen und zu schützen, wann immer es in Gefahr geriet, vereinnahmt oder mißbraucht zu werden.

Die Erklärung der Rechte des Kindes war in diesem Sinne auch Bezugs- und Ausgangspunkt verschiedener internationaler Abkommen über Adoptionen, von denen das Haager Übereinkommen über die behördliche Zuständigkeit, das anzuwendende Recht und die Anerkennung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Adoption (1964), das Europäische Übereinkommen über die Adoption von Kindern (1967) und das Interamerikanische Übereinkommen über das auf die Minderjährigen-Adoption anwendbare Recht (1984) besonders hervorzuheben sind. Doch gelang es erst mit der UNO-Erklärung der auf den Schutz und das Wohl der Kinder anwendbaren sozialen und rechtlichen Grundsätze, insbesondere im Blick auf die nationale und die internationale Praxis der Adoption und Fremdpflege (1986), die internationale Staatengemeinschaft in die Verantwortung zu nehmen, um das (ausländische) Adoptivkind vor "fremden" Interessen zu schützen. "Die Beachtung, die diese Erklärung gefunden hat, und die Tatsache, daß ihr Inhalt zum Teil in das Übereinkommen der UNO über die Rechte des Kindes übernommen wurde", so Marie-Francoise Lücker-Babel, "machen aus ihr ein wichtiges Instrument zum Schutz der Kinder und rechtfertigen vollends ihre Auslegung zur Bestimmung nicht nur der staatlichen Pflichten, sondern auch der Rechte des Kindes."

DIE RECHTE DES KINDES In der UN-Konvention über die Rechte des Kindes (1989) werden nunmehr auch die Voraussetzungen und Bedingungen der Aufnahme in eine Pflegefamilie sowie der Adoption dezidiert beschrieben bzw. direkt geregelt. Die Konvention hat, im Gegensatz zu der UN-Charta von 1959, rechtsverbindlichen Charakter. Sie ist seit dem 2. September 1990 in Kraft und damit völkerrechtlich verbindlich. Die Bundesregierung hat sie jedoch erst nach einigem Hin und Her und "mit verschiedenen Vorbehalten versehen" ratifiziert. So trat das Übereinkommen in der Bundesrepublik erst am 5. April 1992 in Kraft. Fast scheint es so, als sähe die Bundesregierung gar keine Veranlassung, sich auch nur gedanklich über das bereits geltende Recht hinaus zu bewegen. "Die Bundesregierung erklärt zugleich, daß das Übereinkommen innerstaatlich keine unmittelbare Anwendung findet. Es begründet völkerrechtliche Staatenverpflichtungen, die die Bundesrepublik nach näherer Bestimmung ihres mit dem Übereinkommen übereinstimmenden innerstaatlichen Rechts erfüllt." An ihre Grenzen stößt die Bundesregierung mit dieser Auffassung jedoch spätestens bei Art. 20 und 21, die die Modalitäten der Aufnahme bzw. Adoption des Kindes in seine Adoptions(pflege)familie regeln. Darüber hinaus sind aber auch Art. 3 (Wohl des Kindes), Art. 7 (Name des Kindes und Nationalität), Art. 8 (Identität des Kindes einschließlich seiner familiären Bindungen), Art. 9 (Recht des Kindes, nicht gegen den Willen der Eltern von ihnen getrennt zu werden) Art. 11 (Schutz gegen die unrechtmäßige Verbringung ins Ausland), Art. 12 (Berücksichtigung der Meinung des Kindes) und Art. 35 (Verbot der Entführung, des Verkaufs von und des Handels mit Kindern) bedeutsam, da sie einige Spezifizierungen enthalten, die ganz offensichtlich auf die neueren und teilweise prekären Entwicklungen im Bereich interstaatlicher Adoptionen rekurrieren.

DAS RECHT DES KINDES AUF EINE FAMILIE Während die Erklärung von 1986 das vorrangige Interesse des Kindes, von seinen (eigenen!) Eltern aufgezogen zu werden, zwar anerkennt, jedoch zugleich dort stehenbleibt, gehen die 1989 verfaßten Rechte noch einen Schritt weiter. So bestimmt Art. 7.1 ausdrücklich, daß das Kind das Recht hat, seine Eltern zu kennen und von ihnen aufgezogen zu werden. Dieses Recht wird durch kommerzielle und Privatadoptionen, wie wir gesehen haben, auf das Eklatanteste verletzt, gehört es doch gerade zum Management derartiger Bemächtigungsstrategien, die Identität des Kindes möglichst unkenntlich zu machen. In den meisten Fällen erhalten die Kinder unmittelbar nach Aufnahme in ihre deutsche Adoptions(pflege)familie einen neuen (deutschen) Namen, ganz zu schweigen davon, daß die Mütter bzw. die ursprüngliche Geschichte des Kindes so weit als möglich verdrängt werden, um den Integrationsprozeß als "eigenes" nicht zu gefährden.

(K)EIN RECHT DES KINDES AUF ADOPTION Da eine Adoption nur erfolgen soll, wenn eine Unterbringung des Kindes in seinem Ursprungsland, "sei es in einer Pflegefamilie, in einer Adoptionsfamilie oder in einer Umgebung, in der es eine angemessene Erziehung genießen kann, nicht möglich ist", kann von einem Recht auf Adoption oder gar auf eine Auslandsadoption überhaupt keine Rede sein. "Im Gegenteil, es muß wie seine Eltern gegen einen so markanten Eingriff in das Familien- und Privatleben geschützt werden." Das verlassene bzw. schutzbedürftige Kind hat jedoch ein Recht auf eine angemessene Lösung, wobei es unter den gegebenen die angemessenste sein soll.

DAS RECHT AUF SICHERHEIT UND KONTINUIERLICHE FÜRSORGE Diese Bestimmung richtet sich im wesentlichen auf jene Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, daß das Kind in der "ihm vertrauten Umwelt bleiben kann oder in eine solche gebracht wird, die ihm gewohnte Lebensbedingungen bieten", eine wesentliche Verbesserung gegenüber der Erklärung von 1959, die noch allein auf die moralische und materielle Sicherheit abgestellt hatte, die dem Kind geboten werden sollte. Dabei umfaßt der Begriff der Kontinuität auch die ethische, religiöse, kulturelle und sprachliche Herkunft des Kindes, ein - im Falle von Auslandsadoptionen - fast unmögliches Unterfangen, da die andere Hautfarbe, das andere Aussehen, das Anders-Sein, nicht ohne Einfluß auf die Wahrnehmung und Gestaltung der Lebenswelt adoptierter Kinder bleibt. Das Recht des Kindes auf Sicherheit und kontinuierliche Fürsorge findet sich in dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes allerdings nur (noch) in abgeschwächter Form, so daß Auslandsadoptionen nicht von vornherein gegen den Geist der Konvention verstoßen.

DAS RECHT AUF EINEN NAMEN, EINE NATIONALITÄT UND EINEN GESETZLICHEN VERTRETER In diesem Recht spiegeln sich einige der wesentlichen Kennzeichen des Mensch-Seins wider. Durch sie erhält das Kind resp. der Mensch seinen einzigartigen Charakter. Im Hinblick auf Auslandsadoptionen kommt ihnen insoweit eine besondere Bedeutung zu, als bei einer Verbringung in ein fremdes Land immer die Gefahr besteht, daß das Kind "zumindestens für eine gewisse Zeit die zu seinem Schutz wesentlichen Grundlagen verliert". Dabei verkehrt sich das hier apostrophierte Recht schlimmstenfalls sogar in sein direktes Gegenteil. So realisiert sich die Inbesitznahme des "fremden" Kindes ja gerade dadurch, daß es einen neuen Namen erhält. Soweit seine Nationalität bekannt ist bzw. preisgegeben wird, verliert es diese spätestens in dem Augenblick, wo die Adoption im Inland vollzogen wird. Und als seine gesetzlichen Vertreter treten in dieser "gewissen Zeit" ja faktisch die Adoptiveltern (Kaufeltern) selbst auf, jedenfalls so lange, bis die Jugendämter über die Aufnahme des Kindes informiert werden. Zu diesem Zeitpunkt aber wird - auch davon war bereits die Rede - mit Blick auf das Wohl des Kindes in der Regel davon abgesehen, die ursprüngliche Identität des Kindes, soweit diese überhaupt noch rekonstruierbar ist, wiederherzustellen. Das Recht auf einen Namen, eine Nationalität und eine(n) gesetzliche(n) Vertreter(in) schließt also immer auch das Recht ein, seinen früheren Namen, seine frühere Nationalität und von seine(n) frühere(n) Sorgeberechtigte(n) wenigstens zu wissen.

DAS RECHT AUF INTEGRATION IN EINER ADOPTIVFAMILIE Wenn eine Adoption als angemessene bzw. angemessenste Lösung angestrebt wird, so ist wesentlich, daß das nunmehr herbeigeführte Verfahren einem Ende zugeführt wird. Mit der Verfügung der Adoption aber findet auch die Einmischung des Staates ein Ende. Darum ist der Gesetzgeber gehalten, daß "entsprechende prozessuale und materielle Normen die Eingliederung des Kindes in seine neue Familie sicherstellen", wobei das Übereinkommen über die Rechte des Kindes die nationalen Staaten lediglich verpflichtet, "dafür zu sorgen, daß dem Kind im Falle einer Adoption ins Ausland die gleichen Rechte zustehen und vergleichbare Bestimmungen zur Anwendung gelangen wie bei einer inländischen Adoption". Die entsprechenden Regelungen sind im deutschen Adoptionsrecht allerdings "außerordentlich knapp" ausgefallen. So haben sich die Landesjugendämter schließlich auf eigene Empfehlungen zur Adoptionsvermittlung verständigt, die zwar nicht rechtsverbindlich sind, in der Praxis jedoch weitgehend als verbindlich gehandhabt werden. Dem Bereich Adoptionen mit Auslandsberührung ist darin ebenfalls ein umfangreiches Kapitel gewidmet.

DAS RECHT AUF MITSPRACHE In diesem Punkt hat das Übereinkommen über die Rechte des Kindes einen wesentlichen Schritt getan. Indem es nämlich das Recht des Kindes auf Mitsprache "in allen das Kind berührenden Angelegenheiten" sichert, kann es daher auch im Falle einer Adoption Mitsprache verlangen. Es versteht sich von selbst, daß dieses Recht nur von älteren Kindern ausgeübt werden kann.

DAS BEDÜRFNIS, SEINE HERKUNFT ZU KENNEN Dieses Recht stößt zugleich an zwei Grenzen. So kann es im Einzelfall das Interesse der Mutter bzw. der Eltern sein, anonym zu bleiben. Im Falle von Auslandsadoptionen gestaltet es sich zudem häufig so, daß die Suche nach den eigenen Wurzeln schließlich im Nichts enden, sei es, weil die Adoptiveltern (Kaufeltern) ihre Fragen nach dem Woher nicht beantworten können oder wollen, sei es, weil die staatlichen oder autorisierten Vermittlungsstellen in den Herkunftsländern mit Unverständnis reagieren oder administrativ gar nicht in der Lage sind, nach Müttern bzw. Familien zu suchen, die ihr Kind vor Jahren, vielleicht sogar vor mehr als einem Jahrzehnt, ausgesetzt, "abgegeben" oder als entführt gemeldet haben. Dennoch ist die Anerkennung des Bedürfnisses, seine eigene Herkunft zu kennen, eine wesentliche Bedingung der sozialen Menschwerdung. Die vorliegenden Lebensgeschichten von Adoptivkindern legen hierüber beredt Zeugnis ab.

KINDERRECHTE IM EIGENEN LAND Die Rechte des Kindes verlangten nach einem internationalen System, welches die Beachtung ihrer Werte und Bedingungen zu gewährleisten bzw. verteidigen vermochte. Schließlich waren die Vertragsstaaten nicht nur gehalten, Kinderhandel bei Gelegenheit zu verurteilen, sondern "alle geeigneten innerstaatlichen, zweiseitigen und mehrseitigen Maßnahmen (zu) ergreifen, um die Entführung und den Verkauf von Kindern sowie den Handel mit Kindern zu irgendeinem Zweck und in irgendeiner Form zu verhindern" (Art. 35). Die Bundesregierung ist davon weit entfernt. So sah sich terre des hommes in den vergangenen Jahren immer wieder veranlaßt, die Umsetzung der UN-Kinderkonvention anzumahnen, um den Rechten des Kindes endlich Geltung zu verschaffen. Denn das Ziel der Haager Konferenz für internationales Privatrecht, "Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, daß internationale Adoptionen zum Wohl des Kindes und unter Wahrung seiner Grundrechte stattfinden, und die Entführung und den Verkauf von Kindern sowie den Handel mit Kindern zu verhindern" , bleibt natürlich so lange Makulatur, wie die Bundesregierung nicht dafür Sorge trägt, den vorgezeichneten Entwicklungen auch im eigenen Land gerecht zu werden.

2.5 Haager Konvention Die Haager Konferenz für internationales Privatrecht nahm ihre Beratungen bereits wenige Monate nach der Verabschiedung der Konvention über die Rechte des Kindes (1989) auf. Dabei vergrößerte sich die Zahl der beteiligten Staaten im Laufe der Jahre von 50 (1990) auf 67 Staaten (1993), ganz abgesehen von einer beträchtlichen Zahl von sog. Nicht-Regierungs-Organisationen (NRO), die zwar an den Abstimmungen und Redaktionskomitees nicht teilnehmen durften, jedoch im übrigen freies Rederecht hatten. "Besonders erfreulich war", so Peter Eisenblätter, der als Delegierter der Internationalen Föderation terre des hommes (IFTDH) an den Beratungen teilnahm, "daß sich im Laufe der Zeit immer mehr Herkunftsstaaten beteiligten. Gegen Ende waren fast alle wichtigen Herkunftsländer vertreten, einschließlich vieler Staaten des ehemaligen Ostblocks. Das ist umso wichtiger, als sie (1) bis dato nicht Mitgliedsstaaten der Haager Konferenz gewesen waren, (2) ihre Rolle als von den aktuellen Problemen besonders betroffene Staaten jetzt ernsthaft wahrzunehmen begannen."

Auf der Seite der NRO war man sich deswegen allerdings noch lange nicht grün, im Gegenteil. "Während der Arbeit der Sonderkommission der Haager Konferenz war hautnah mitzuerleben, wie Vertreter von Adoptionsvermittlungsstellen sich um die Delegierten dieser Herkunftsländer scharten, um mit ihnen über bessere Adoptionsbedingungen zu verhandeln." Die unterschiedlichen Interessen spalteten die NRO schließlich in zwei Lager. So stand terre des hommes auf der Seite derer, die für eine möglichst strikte Fassung des Abkommens eintraten, während auf der anderen Seite, dominiert von lobbyerprobten US-Adoptiveltern und ihren Rechtsanwälten, eine möglichst "flexible" Version angestrebt wurde, eine Position, die offenbar auch bei den beiden Delegierten der Bundesregierung, den Herren Pirrung (BMJ) und Scholz (BMF), auf offene Ohren stieß. Im Kern ging es dabei um die Abwehr bzw. Verteidigung von "independent intercountry adoptions" , wobei sich letztere schließlich über einen Kompromiß freuen konnte, der die Absicht der Dezentralisierung mit der Absicht der Privatisierung verknüpfte. So werden auch zukünftig (Privat-)Adoptionen über nicht-staatliche Organisationen und Einzelpersonen möglich sein, wenn auch mit der Einschränkung, daß sie von den Zentralen Behörden anerkannt und ihre Namen dem Generalsekretär der Haager Konferenz mitgeteilt werden müssen. Alle weitergehenden Vorstellungen scheiterten jedoch nicht zuletzt an den betroffenen Ländern selbst, die sich offenbar zunehmend in der Gemeinsamkeit wiederfanden, sich gegen den Zugriff auf ihre Kinder zur Wehr setzen zu müssen. Es war dieser Kompromiß, der Rolf Bach (Hamburg) schließlich zu der kritischen Bemerkung veranlaßte, daß das Haager Übereinkommen schlußendlich "wohl nicht mehr als den Übergang von der bisherigen "freien" zur "sozialen Marktwirtschaft" darstellt und daher den Kinderhandel nur begrenzt eindämmen können wird". Nichtsdestotrotz ist aber auch er überzeugt davon, daß mit dem Haager Übereinkommen "ein wichtiger Schritt zum Schutz der Kinderrechte bei Adoptionen auf internationaler Ebene" getan wurde.

ZIELSETZUNG Das ursprüngliche Anliegen der Haager Konferenz aber war, gemeinsame Bestimmungen festzulegen, die von den Grundsätzen ausgehen, die in internationalen Übereinkünften anerkannt sind. Sie war damit von vornherein und ausdrücklich darauf angelegt, die adoptionsbezogenen Artikel der Kinderrechtskonvention (1989) zur Durchsetzung zu verhelfen, nach denen grenzüberschreitende Adoptionen zukünftig ausschließlich zum Wohl des Kindes und unter Wahrung seiner Grundrechte stattfinden sollen. "Mit dieser Formulierung wird Adoption eindeutig als Kinderrechtssache bestätigt und muß künftig auch als solche behandelt werden. Es darf keine Adoption mehr geben ohne die Beachtung der Rechte des Kindes." Darüber hinaus soll "ein ausgefeiltes System" der Zusammenarbeit entwickelt werden, mit dem sichergestellt werden soll, daß keine Kinder mehr entführt, verkauft und gehandelt werden, um als Adoptivkinder "verpackt" auf dem Weltmarkt verhökert zu werden. Als drittes Ziel sieht das Abkommen vor, den Rechtsstatus ausländischer Adoptivkinder grundlegend zu verbessern und die bislang noch recht komplizierten Verfahrenswege zu vereinfachen.

"Diese Ziele sollen u.a. dadurch erreicht werden, daß in jedem Staat künftig eine zentrale Behörde, mit umfangreichen Vollmachten ausgestattet, für alle interstaatlichen Adoptionen zuständig ist und den korrekten Ablauf eines jeden Adoptionsverfahrens sowie den dafür notwendigen speziellen und allgemeinen Informationsaustausch zwischen den Staaten sicherstellen soll. Die jeweiligen Verfahrensschritte sind detailliert geregelt. Einzelne Aufgaben können - je nach staatlicher Struktur - an andere untere Behörden oder auch staatlich zugelassene private Organisationen und Stellen delegiert werden. Dadurch soll eine zu starke Bürokratisierung verhindert und die Nähe zu den beteiligten Personen ermöglicht werden." Zwar haben die Herkunftsländer auch weiterhin die Möglichkeit, eine Zusammenarbeit mit privaten Vermittlern und Organisationen abzulehnen, wenn sie diese nicht wünschen. "Ob sie dies jedoch angesichts der vorhandenen sozialen Strukturdefizite und ökonomischer wie politischer Abhängigkeiten erfolgreich durchhalten können", so Rolf Bach in einer kritischen Würdigung des Abkommens, "muß zu Recht bezweifelt werden".

Trotz der (berechtigten) Kritik im Detail herrscht jedoch weitgehend Übereinstimmung darüber, daß mit dem Abkommen ein wichtiger Schritt vollzogen wurde, der nach Einschätzung Peter Eisenblätters noch über die Grenzen bisherig geschlossener Verträge und Übereinkommen hinausweist. Tatsächlich finden sich schon in der Präambel einige zentrale Aussagen, die den neuen Geist dieser Konvention besonders unterstreichen, wobei der Hinweis darauf, "daß jeder Staat vorrangig angemessene Maßnahmen treffen sollte, um es dem Kind zu ermöglichen, in seiner Herkunftsfamilie zu bleiben", fast eine Zeitenwende anzukündigen scheint. Indem nämlich die Haager Konvention das Recht des Kindes auf seine eigene Familie betont, weist es zugleich alle Bestrebungen zurück, die darauf hinwirken, das Kind in fremde Hände zu geben.

MAßNAHMEN "Nach Ansicht von Experten des internationalen Rechts wirft diese eindeutige Prioritätensetzung zugunsten der Familie bzw. der ursprünglichen Gemeinschaft des Kindes übrigens die interessante Frage auf, ob in verschiedenen internationalen Texten nicht allmählich ein (noch) ungeschriebenes Gesetz entsteht, nämlich das unveräußerliche Recht des Kindes, in seiner Ursprungsfamilile aufzuwachsen. Wenigstens gibt es Indizien für eine Wende des jetzt noch vorherrschenden Trends, wonach die Mobilität der Kinder anstelle ihres Schutzes vor Ort und Stelle gefördert wird." So legt Art. 4 des Abkommens fest, daß eine Adoption überhaupt nur durchgeführt werden darf, wenn die zuständigen Behörden des Heimatstaats festgestellt haben, "daß das Kind adoptiert werden kann" und nach gebührender Prüfung der Unterbringungsmöglichkeiten im eigenen Land entschieden haben, "daß eine internationale Adoption dem Wohl des Kindes dient", wobei sie sich u.a. auch darüber zu vergewissern haben, daß die Zustimmung der Mutter erst nach der Geburt und unbeeinflußt von Dritten gegeben und nicht durch irgendeine Zahlung oder andere Gegenleistung herbeigeführt wurde. Auch sollen sich die Behörden unter Berücksichtigung des Alters und der Reife des Kindes davon überzeugt haben, "daß die Wünsche und Meinungen des Kindes berücksichtigt worden sind".

Art. 5 nennt noch eine weitere Voraussetzung, nämlich die, daß die zuständigen Behörden des Aufnahmestaates zuvor zu entscheiden haben, "daß die künftigen Adoptiveltern für eine Adoption in Betracht kommen und dazu geeignet sind". Zukünftig sollen es also nicht mehr die Adoptionsinteressenten selbst sein, die sich für fähig und in der Lage halten, ein "fremdes" Kind aufzunehmen, sondern die "zuständigen Behörden", die sich darüber hinaus auch zu vergewissern haben, "daß die zukünftigen Adoptiveltern soweit erforderlich beraten worden sind" und die Einreise und der ständige Aufenhalt des Kindes bewilligt worden sind oder werden. Dabei fällt auf, daß hinsichtlich der "künftigen Adoptiveltern" nicht - wie im Falle der Mütter bzw. Eltern des Kindes - Wert darauf gelegt wird, daß diese ihren Kinderwunsch "nicht durch irgendeine Zahlung oder andere Gegenleistungen herbeigeführt" (Art. 4) haben. Erst später (Art. 8) wird nochmals auf mögliche "unstatthafte Vermögens- und sonstige Vorteile im Zusammenhang mit einer Adoption" Bezug genommen, wobei die zentralen Behörden aufgefordert sind, "unmittelbar oder mit Hilfe staatlicher Stellen alle geeigneten Maßnahmen" zu ergreifen, die dazu geeignet sind, "alle den Zielen des Übereinkommens zuwiderlaufenden Praktiken zu verhindern". Dem steht allerdings die Absicht gegenüber, "das Adoptionsverfahren zu erleichtern, zu überwachen und zu beschleunigen" (Art. 9). Im Hinblick auf die Schlupflöcher dieses Abkommens und dem Erfindungsreichtum potentieller Adoptiveltern und ihrer Anwälte muß man sich allerdings fragen, wie die zuständigen und Zentralen Behörden diesen widersprüchlichen Anforderungen des Abkommens überhaupt gerecht werden können.

Die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen einer internationalen Adoption wurden indessen en detail geregelt. "Hat sich die Zentrale Behörde des Aufnahmestaats davon überzeugt, daß die Antragsteller für eine Adoption in Betracht kommen und dazu geeignet sind, so verfaßt sie einen Bericht, der Angaben zur Person der Antragsteller und über ihre rechtliche Fähigkeit und ihre Eignung zur Adoption, ihre persönlichen und familiären Umstände, ihre Krankheitsgeschichte, ihr soziales Umfeld, die Beweggründe für die Adoption, ihre Fähigkeit zur Übernahme der mit einer internationalen Adoption verbundenen Aufgaben sowie die Eigenschaften der Kinder enthält, für die zu sorgen sie geeignet wären" (Art. 15). Dieser Bericht wird - auch eine alte Forderung von terre des hommes - allerdings nicht den Adoptionsinteressenten selbst ausgehändigt, sondern einzig und allein der Zentralen Behörde des Herkunftlandes des Kindes übermittelt, die nun ihrerseits einen Bericht über das zu adoptierende Kind zu verfassen hat, der mit einem Nachweis über die vorliegenden Zustimmungen zur Adoption und einer Begründung ihrer Entscheidung an die Zentrale Behörde des Aufnahmelandes zurückgeht. Die Zentralen Behörden beider Länder wachen über das gesamte Verfahren (Art. 17) und "sorgen dafür, daß das Kind sicher und unter angemessenen Umständen in den Aufnahmestaat gebracht wird und daß die Adoptiveltern oder die künftigen Adoptiveltern das Kind wenn möglich begleiten" (Art. 19).

Nach Art. 23 wird eine Adoption, die mit der Zustimmung beider Zentralen Behörden (also gemäß dem Übereinkommen) durchgeführt wurde, automatisch "kraft Gesetzes" anerkannt. Eine Wiederholung oder Nach-Adoption im Aufnahmeland ist damit nicht mehr erforderlich. "Trotz aller kritischen Vorbehalte gegenüber dem Abkommen ist anzuerkennen, daß darin erstmals der seit langem geforderte Versuch unternommen wird, Adoptivkindern und ihren Familien bei internationalen Adoptionen denselben Schutz zuzubilligen, den sie in den meisten Staaten bei inländischen Adoptionen schon lange genießen". So darf eine Adoption zukünftig nur noch untersagt werden, "wenn die Adoption seiner öffentlichen Ordnung offensichtlich widerspricht, wobei das Wohl des Kindes zu berücksichtigen ist" (Art. 24). Es bleibt abzuwarten, ob die Rechte des Kindes mit diesem Artikel tatsächlich ausreichend geschützt werden, denn die große Zahl der Privatadoptionen hat der öffentlichen Ordnung - wenigstens bislang und für die Bundesrepublik gesprochen - "offensichtlich" nicht widersprochen.

Von großer Bedeutung scheint mir auch die Bestimmung (Art. 30) zu sein, nach der die zuständigen Behörden dafür Sorge zu tragen haben, "daß die ihnen vorliegenden Angaben über die Herkunft des Kindes, insbesondere die Identität seiner Eltern, sowie über die Krankheitsgeschichte des Kindes und seiner Familie aufbewahrt werden", wobei gewährleistet werden soll, "daß das Kind oder sein Vertreter unter angemessener Anleitung Zugang zu diesen Angaben hat, soweit das Recht des betreffendes Staates dies zuläßt". Das Recht des Kindes auf Identität umfaßt also prinzipiell auch das Recht, über seine frühere Identität Auskunft zu erhalten. Soweit dieses Recht nicht in allen (Herkunfts-)Staaten verbürgt ist, sollte dafür geworben werden, es politisch in die Wege zu leiten.

Der Handel mit Kindern soll u.a. auch dadurch verhindert werden, als "niemand aus einer Tätigkeit im Zusammenhang mit einer internationalen Adoption unstatthafte Vermögens- und sonstige Vorteile erlangen darf", wobei in Art. 32 als unstatthaft angenommen wird, was über die "Kosten und Auslagen, einschließlich angemessener Honorare an der Adoption beteiligter Personen" hinausgeht. So dürfen auch die Leiter, Verwaltungsmitarbeiter und Angestellten von (staatlichen) "Organisationen, die an einer Adoption beteiligt sind", keine "unangemessen hohe Vergütung" verlangen bzw. erhalten. An diesem Punkt wird deutlich, daß die Rechte des Kindes durch eine "flexible" Handhabung des Übereinkommens auch weiterhin käuflich sein werden, nur daß der Preis keine unstatthafte Vermögens- und sonstige Vorteile in Aussicht stellen darf. "Es ist offensichtlich, daß mit dem Bezug auf unstatthafte Vermögensvorteile eine konträre Beurteilung von materiellem Gewinn im Falle der Organisation internationaler Adoptionen verbunden war. Denn eine Einigung ist nicht erfolgt auf dem Ausschluß jeglichen Vermögensvorteils bei der Vermittlung von Adoptionen." Stellt jedoch eine zuständige Behörde fest, "daß eine der Bestimmungen des Übereinkommens nicht beachtet worden ist oder mißachtet zu werden droht" (Art. 33), so ist sie gehalten, die Zentrale Behörde ihres Staates "sofort" zu informieren. Diese - nicht die zuständige Behörde - trägt in diesem Falle die Verantwortung dafür, "daß geeignete Maßnahmen getroffen werden", die einer tatsächlichen oder vermuteten Verletzung des Übereinkommens entgegenwirken. "Ob unverantwortliche private Praktiken nun wirklich unterbunden werden, oder ob ihnen auf diese Weile doch noch eine Hintertür offenbleibt (...), wird sicher entscheidend davon abhängen, wie professionell die einzurichtenden Zentralen Behörden selbst arbeiten, und wie effektiv sie ihrerseits die Professionalität der anderen beteiligten Personen oder Stellen überprüfen. Die Zukunft wird's zeigen."

RATIFIZIERUNG Vorbehalte sind jedenfalls "nicht zulässig" (Art. 40), weshalb etwaige Bedenken oder dem Abkommen entgegenstehende Auffassungen nach Verabschiedung der Konvention nicht (mehr) geltend gemacht werden können. Und das ist, nach der Erfahrung der Kinderrechtskonvention, auch gut so. "Wie bei diversen anderen Konventionen liegen auch hier die Hauptprobleme nicht beim Vertragstext selbst, sondern vor allem bei der Frage, was in den einzelnen Staaten schließlich damit gemacht wird. Erfolge wird dieses Übereinkommen deshalb nur unter der schlechterdings entscheidenden Voraussetzung bringen, daß auf den nationalen und internationalen Ebenen nicht nur die Einsicht in die dringende Notwendigkeit von Reformen vorhanden ist, sondern auch der starke politische und gesellschaftliche Wille, es nunmehr in die Tat umzusetzen." Bisher (Stand: 31.10.1995) haben 23 Staaten das Abkommen unterzeichnet und 9 (Mexico, Rumänien, Sri Lanka, Zypern, Polen, Spanien, Ecuador, Peru und Costa Rica) ratifiziert. Die Bundesrepublik hat die Konvention bislang noch nicht einmal gezeichnet, obwohl sie bereits - nachdem sie von drei Staaten ratifiziert worden war - am 1.5.1995 in Kraft trat. Wie es aussieht, ist mit der Ratifizierung des Abkommens frühestens Ende 1997(!) zu rechnen, auch wenn die Justizministerin in ihrer Pressemitteilung vom 21. Dezember 1994 anzudeuten scheint, daß die Bundesregierung das Ratifizierungsverfahren wenigstens nicht vor sich herzuschieben beabsichtigt. Jedenfalls sollte Frau Leutheusser-Schnarrenberger tunlichst auf die Dringlichkeit dieses Prozesses angesprochen werden, zumal aus dem BMF bereits (inoffiziell) zu hören war, daß das Abkommen nicht vor Ende 1997 ratifiziert werde. Im Zusammenhang ihrer Gesetzesinitiative dürfte terre des hommes mit diesem Anliegen wohl nicht gerade auf taube Ohren stoßen. So hat sich auch der für Auslandsadoptionen zuständige Fachausschuß der Landesjugendämter in seiner vom 27. bis 29.9.1995 in Königswinter durchgeführten Tagung für eine baldige Ratifizierung des Haager Übereinkommens ausgesprochen. In einer bisher nur inoffiziell vorliegenden Stellungnahme wird das BMJ jedenfalls nachdrücklich aufgefordert, "rasche Schritte zur Unterzeichnung und Ratifizierung des Übereinkommens einzuleiten".

Soweit das Haager Übereinkommen hierzulande das Bewußtsein stärken wird, daß (auch) Auslandsadoptionen uneingeschränkt den Rechten des Kindes unterzuordnen sind und der persönliche Kinderwunsch ggf. dahinter zurückzutreten hat, so haben wir - die Nehmerländer dieser Welt - darüber hinaus auch "dem Umstand Rechnung zu tragen, daß für die Umsetzung der Haager Konvention die größte Last den Herkunftsländern aufgebürdet ist" , die doch in jedem einzelnen Fall gefordert sind, nach der bestmöglichen Lösung zu suchen und rechtmäßige Entscheidungen zu treffen, wobei den Lösungen im Heimatland - fast möchte man sagen: strafverschärfend - Vorrang eingeräumt werden soll. "Diese Leistungen werden aber eben von solchen Staaten verlangt, die nur mit großer Mühe überhaupt die Bedürfnisse ihrer Gesamtbevölkerung im Bereich der sozialen, verwaltungsrechtlichen und gerichtlichen Dienste befriedigen können. Und jetzt rechnen wir auch noch damit, daß sie für eine ganz kleine Minderheit ihrer Kinder, nämlich die adoptierbaren Kinder, strapazierfähige und reibungslos funktionierende Institutionen anbieten und eine echte Auslandsadoptionspolitik betreiben. Ob dies eine gerechte Verteilung der Lasten ist, darf bezweifelt werden."

RESUMEE Neben einer auch weiterhin geforderten aufklärenden und bewußtseinsbildenden Arbeit im eigenen und einer Fortsetzung und Verstärkung der Projektarbeit im Ausland wird es daher vonnöten sein, die von Kinderhandel betroffenen Ländern - den Herkunftsländer von Adoptivkindern - darin zu unterstützen, Strukturen und "Professionalität" zu entwickeln, die sie zur Bewältigung dieser Aufgabe(n) befähigen. Die mit dem Haager Übereinkommen notwendig gewordenen administrativen und rechtlichen Voraussetzungen von Auslandsadoptionen (AdVermiG) bieten dabei Gelegenheit und Anlaß, den Rechten des Kindes nochmals eine (öffentliche) Stimme zu geben. Denn "in diesem Sinne ist die Haager Konvention viel mehr als ein gewöhnlicher internationaler Privatvertrag, der lediglich Reibungen in bestimmten Bereichen zwischenstaatlicher Zusammenarbeit begrenzen oder eliminieren soll. Und erst recht stellt sie etwas völlig Anderes dar als das Bild, das so manche Adoptions-Lobbygruppen von ihr haben, wonach sie doch nur den Bürokraten in Behörden und Ämtern dabei helfe, ihr vermeintlich so selbstloses und spontanes, humanitäres Engagement (nämlich "Kinder zu retten"), zu erschweren oder gar zu verhindern. Vielmehr ist dieses Übereinkommen ein wirksames Mittel zur Durchsetzung bestimmter Menschenrechte; und sogar noch mehr: Es präzisiert und vervollständigt diese Rechte für den Bereich der Auslandsadoption. Es bietet sowohl Garantien zum Schutz des Kindes, seines Wohles und seiner Grundrechte, als auch gleichzeitig ein Instrumentarium für deren Verwirklichung, so u.a. durch die Schaffung der Zusammenarbeit zentraler Behörden. Damit wird die Untrennbarkeit von Adoptionspraxis und Achtung der Kinderrechte festgeschrieben. Mit anderen Worten: eine gerechte Adoptionspolitik muß künftig konsequent die Kinderrechte einbeziehen, mit dem Ziel, dem Kind eine würdevolle Adoption zu garantieren."

3. Denkmuster, die zu Kinderhandel führen bzw. ihn begünstigen Wie wir gesehen haben, ist der Schritt "vom Kindeswohl zum Kindesmarkt" schnell getan, wenn die Erfüllung des Kindeswunsches zu lange auf sich warten läßt. "Es ist ein Symptom unserer Gesellschaft", so Annegret Winter-Stettin in einem Interview "über Sinn und Unsinn der Auslandsadoption" , "daß jeder meint, er habe das Recht auf alles, und alles sei käuflich, auch das Elternglück. Wenn es aufgrund einer veränderten Lebensplanung damit nicht klappt, besorgt man sich ein Kind und redet sich ein, es aus dem Elend gerettet zu haben. Tatsächlich geht es dabei um die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse."

Was aber treibt Menschen dazu, auf der Suche nach "ihrem" Kind bzw. ihrer Idee von einem Kind durch alle Welt zu reisen, um es, überglücklich, dort in die Arme zu schließen, wo die Rechte des Kindes am wenigstens geschützt und beachtet werden? Rolf Bach: "Für viele Paare, deren materieller Wohlstand die Sättigungsgrenze erreicht hat, die auch beruflich saturiert sind, soll ein Kind an der Schwelle zur zweiten Hälfte ihres Daseins jenen Lebenssinn stiften, der vielen Mitgliedern der Wohlstandsgesellschaft abhanden gekommen ist und der auch durch den Erwerb und Konsum noch so luxuriöser Güter nicht zurückgewonnen werden kann. Diese ohne Zweifel bedrückende psychische Situation kann in letzter Konsequenz dann dazu führen, daß auch das Subjekt "Kind" der Logik der Warenwirtschaft unterworfen wird. Das Kind verkommt zu einem psychischen Surrogat, es wird käuflich wie andere Artikel aus dem florierenden Markt der Psychohygiene auch."

So aber möchte man sein Handeln natürlich nicht verstanden wissen, weshalb man sich (und andere) davon zu überzeugen versucht, daß das adoptierte Kind nur um seiner selbst willen aus der Dritten (Zweiten) Welt "geholt" wurde. Auf welche Weise dieses geschieht, soll anhand einiger markanter Publikationen verdeutlicht werden, die als besonders geglückte Tarnung der eigenen Anschauungen und Bedürfnisse gelten dürften. Es sind dies Beiträge über "Wunschkinder aus der Dritten Welt", die an das Gefühl (Kind) bzw. Mitgefühl (Kinderlosigkeit) appellieren und als "backlash" (Gegenreaktion) gegen eine zunehmend kritische öffentliche Debatte und Reaktion auf Auslandsadoptionen (Privatadoptionen) aufzufassen sind, mit der die Inbesitznahme dieser "Wunschkinder" als ebenso selbstverständlich wie moralisch geboten (re-)inszeniert wird.

3.1 Wunschkinder aus der Dritten Welt Im Dezember 1991 offenbarte sich der STERN mit einer Titelgeschichte über "Wunschkinder aus der Dritten Welt", mit der sich die Geschichte von Bethlehem (fast) zu wiederholen schien. Nur handelte es sich in diesem Fall nicht um die Geburt des Jesukindes, sondern um die "zweite Geburt" von Woudassie, einem "Findelkind" aus Äthiopien. Die Geschichte des STERN handelt namentlich von Monika und Florian Hilmer, die mit dem STERN nach Äthiopien gereist waren, um Woudassie "zu sich zu holen". "Immer mehr Deutsche nehmen Babys aus der Dritten Welt auf", verkündet der STERN frohlockend, "aus humanitären Gründen, aber auch, weil es fast aussichtlos ist, hierzulande ein Kind zu adoptieren". Monika und Florian Hilmer hatten bereits zwei Kinder, als in ihnen der Wunsch (auf)keimte, ein ausländisches Kind zu adoptieren, "eines, dem wir die Liebe, Kraft und Geborgenheit unserer Familie schenken können". Nicht, daß man ihnen nicht glauben möchte, daß sie es gut meinen damit, aber die Art und Weise, wie Christoph Fasel, der Autor von "Woudassies zweiter Geburt", ihre "Spurensuche" im STERN in Szene setzt, läßt erkennen, daß "die Hilmers" nur als Sympathieträger für "immer mehr Deutsche" fungieren, die sich ihre Wunschkinder aus der Dritten Welt selbst holen, weil es im eigenen Land "fast aussichtslos" ist, ein Kind zu bekommen. Man kann es ihnen, folgt man dem STERN, aber auch gar nicht verübeln.

Die Verhältnisse im eigenen Land werden von den interviewten Adoptiveltern als "menschenverachtend" beschrieben. Wer ein Kind adoptieren will, so wird suggeriert, muß sich auf einen zermürbenden Kleinkrieg mit den Behörden einstellen. "Der erste Schritt führte die Hilmers zum Jugendamt. Eltern, die dort vorsprechen, geraten in die Mühle der Bürokratie: Sie brauchen..." Und dann folgt alles, was angehende Adoptiveltern so brauchen, wenn sie die Verantwortung für ein "fremdes" Kind übernehmen wollen. "Ich habe mich oft wie nackt ausgezogen gefühlt", erinnert sich Monika Hilmer. "Denn man muß doch sehr viel Intimes preisgeben." Doch selbst, "wenn alle Hürden in Deutschland genommen sind, verlangen manche Länder für das Verfahren vor Ort noch spezielle Unterlagen", setzt der STERN noch einen drauf. Als besonders kurioses Verlangen wird kolportiert, daß ein Münchner Ehepaar ein Foto seines Autos hätte beifügen müssen, "wohl als Nachweis des Wohlstandes". So gefällt es dem STERN: hier die Bürokraten, die dem Begehren um ein Adoptivkind nur nachkommen, wenn man "wie nackt ausgezogen" vor ihnen steht, dort die Drittwelt-Hinterwäldler, die wenigstens Chrom sehen wollen, wenn sie schon ein "Findelkind" zur Adoption freigeben sollen. Wo auch immer der STERN hinschaut: allüberall verprellte, gedemütigte und von den Jugendämtern "fachlich oft unqualifiziert" beratene Adoptionsinteressenten, die doch in ihrer unendlichen Güte und Reinheit nichts anderes wollen, als einem armen Kind Heim und Familie zu sein.

"Das modische, weil medienwirksame Klischee vom kindergeilen Yuppie-Paar, dem nach Erwerb von Eigentumswohnung und Zweitwagen zum Hausstand noch ein niedliches braunes Baby fehlt - es zerbröselt bei den persönlichen Begegnungen mit Eltern, die ein Kind aus der Dritten Welt adoptiert haben. Die Konfrontation mit dem Elend in den Heimatländern ihrer(sic!) Kinder läßt viele deutsche Adoptiveltern die Ärmel hochkrempeln." Ja, so sehen sie sich gerne, die Deutschen: mit hochgekrämpelten Ärmeln in aller Welt zupackend und für das Glück "ihrer" Kinder kämpfend, kämpfen gegen alle und alles: "Kämpfen gegen Unverständnis und Unterstellungen, gegen Fremdenfeindlichkeit (...) und nicht zuletzt gegen ideologisch motivierte Kritik" , eine Kritik, für die vor allem Rolf Bach seinen Kopf hinzuhalten hat, der geradezu "fixiert darauf ist, daß bei Auslandsadoptionen Schmiergelder im Spiel sein" müssen, wie leidgeprüfte Adoptiveltern erfahren mußten.

Vom STERN ist im übrigen zu erfahren, daß auch in den Ländern der Dritten Welt "die Schwierigkeiten für Adoptionsbewerber wachsen". Keine Frage, welche Gründe in den betroffenen Ländern zu diesen "Schwierigkeiten" geführt haben, kein Gedanke, warum die dort ergriffenen Maßnahmen zum Schutz ihrer Kinder als "Schwierigkeiten für Adoptionsbewerber" angesehen werden, nicht der geringste Zweifel daran, daß diesen nichts Besseres passieren kann, als von den Hilmers, Krulls und Schumanns adoptiert zu werden. "Schuld daran sind nicht zuletzt Horrormeldungen in einheimischen Zeitungen, wonach adoptierte Kinder im fernen Ausland angeblich als Organbanken benutzt, als Hausmädchen versklavt oder als Prostituierte mißbraucht würden", nichts als Horrormeldungen, mit denen gegen Auslandsadoptionen Stimmung gemacht wird. "Das dümmste Niveau der Vorurteile gegen Auslandsadoption", zitiert der STERN das US-amerikanische Nachrichtenmagazin TIME, "verfehlt in den Ländern der Dritten Welt seine Wirkung nicht. Dort macht das Schlagwort von der neuerlichen Ausbeutung die Runde: "Erst habt ihr unsere Rohstoffe genommen, dann unsere Frauen, jetzt nehmt ihr uns unsere Kinder".

Die Ängste der Mütter, der Horror des Verdachts, der Gedanke, es könnte sich dabei womöglich um eine reale Beschreibung gegenwärtiger Verhältnisse handeln, ist dem STERN so abwegig, daß er nicht ein Wort über sie verliert. FREMD - ABER MEIN lautet die Devise. Im Vordergrund stehen jene, die adoptieren, nicht jene, die adoptiert werden. Von ihren Müttern erfahren wir auch nichts, nur von "Mißhandlungen, Hunger und trostlosen Heimen" , Realitäten, die von niemanden abgestritten werden, die aber - für sich allein genommen - ein gleichwohl verzerrtes Bild von der "Dritten Welt" entstehen lassen. "Bei uns enden sie als Müll", gibt Rainer Fabian seinem Kollegen Christoph Fasel aus dem fernen Brasilien Schützenhilfe, weshalb "immer mehr Brasilianer" (Christoph Fasel: "immer mehr Deutsche") den "Export von Babys ins Ausland" (Christoph Fasel: "Wunschkinder aus der Dritten Welt") für moralisch vertretbar halten. Ja, warum eigentlich nicht?

Denn was wir über die Lage von Kindern in Brasilien erfahren, ist in der Tat niederschmetternd: Maria Sirene, 17 Jahre alt, sucht via teleshow nach Adoptiveltern für "ihr ungeborenes Kind", minderjährige Mädchen verdingen sich in den Goldgräbercamps "als Huren", "Straßenratten" (Gamines) werden mit Benzin übergossen und in Brand gesetzt oder von Todesschwadronen ermordet, Säuglinge von ihren Müttern auf Äckern, in öffentlichen Toiletten oder gar in Mülltonnen abgelegt - ist es da nicht "eine Barmherzigkeit" für jedes Kind, diesem "Miniholocaust" (ein "O Globo" zugeschriebenes Wort) durch Adoption zu entkommen? "So sieht es auch Raimunda. Die schwarze Frau ist 37 Jahre alt, hat 21 Kinder geboren, von denen noch sieben am Leben sind. Eins hatte sie zur Adoption freigegeben, "und deshalb lebt es wohl noch, gracas a deus, in Italien wohl", aber wo genau, das weiß sie nicht, und sie will es auch nicht wissen." Augenfällig auch hier, wie die Mutter des (adoptierten) Kindes dem Bild der Adoptivmutter entgegenkommt bzw. widerspricht. "Als sie dann auf der Station lag, "liefen draußen zwei Frauen vorbei, richtige Damen, und sagten, da hast du aber ein hübsches Kind, willst du es nicht weggeben, und da habe ich geschrieen: Sofort, meine schönen Damen!"

Raimunda zögerte keinen Moment, ihr Kind wegzugeben an die fremden, schönen Damen; keine Tränen, kein langes Hin und Her, kein Handel. Glück gehabt, arme Frau, denn sonst wäre es Dir am Ende vielleicht so ergangen wie Maria Sirene, die es schließlich doch nicht "übers Herz" gebracht hatte, ihr Kind wegzugeben. Sie hatte, dumm genug, den "großspurigen Versprechungen" Glauben geschenkt, die ihr Hoffnung gemacht hatten, das Kind alleine großziehen zu können. "Jetzt arbeitet sie für einen Hungerlohn als Hausangestellte. Ihr Kind darf sie zur Arbeit nicht mitbringen. Es ist bei Nachbarn untergebracht, mal hier, mal dort." Dieser letzte Satz der "Wunschkinder aus der Dritten Welt" bringt m.E. auf den Punkt, was den STERN umtreibt: Ein Kind, dessen Mutter für einen Hungerlohn arbeiten muß, die es mal hier, mal da unterbringen muß, ein solches Kind gehört in eine deutsche Mittelklassefamilie, alles andere käme einem Todesurteil gleich. In der individuellen Interpretation beklagenswerter Verhältnisse ereignet sich schließlich genau das, was in letzter Konsequenz dazu (ver-)führt, daß das adoptierte Kind, wie Rolf Bach formulierte, zu einem "psychischen Surrogat" verkommt, das, käuflich wie alle andere Ware auch, dem Verzehr bedürftiger Wohlstandbürger zugeführt wird.

"Wir nehmen ganz selbstverständlich für uns in Anspruch, die natürlichen Ressourcen anderer Regionen der Erde gegen unverhältnismäßig geringe Bezahlung verkonsumieren zu dürfen. Wir kaufen bedenkenlos deren billige Industrieprodukte auf, bedienen uns so der ausgebeuteten Arbeitskraft von Männern, Frauen und Kindern in diesen Ländern und erwerben Frauen aus Asien, Südamerika und Osteuropa als Prostituierte oder Ehefrauen. Daß es bei einer solchen gesellschaftlich überwiegend tolerierten Sichtweise der Beziehungen zwischen Erster und allen "anderen Welten" auch Kinder zur Handelsware werden können, liegt nahe. Der in den entwicklungspolitischen Diskussion geprägte Begriff der "Körperkolonien" (G. Wuttke) beschreibt treffend diese neue Form kolonialistischer Expropriation." Der Verdienst des STERN ist es, dieses ganz spezifische Ausbeutungsverhältnis als privates Glück in Szene gesetzt zu haben, wobei alles, was diesem Glück im Wege stehen könnte, ausgeblendet oder denunziert wird.

3.2 Fabiana, Tochter aus der fremden Welt "Fabiana ist dunkelhäutig, kraushaarig und sehr mager, sie sieht aus wie knapp vier, ist aber fünfeinhalb. Bis vor drei Monaten wohnte sie in einem Kinderheim am Rand von Sao Paulo, davor in einer Favela mitten in der Riesenstadt, mit ihrer Stiefmutter und zwei kleinen Brüdern. Sie mußte die Jungen hüten, wenn die Stiefmutter fortging, was ihr schwerfiel, weil sie einen Gehfehler hat und nie schnell genug war, wenn die Kleinen etwas anstellten. Als sie selber gerade laufen gelernt hatte, wurden ihr von ihrer leiblichen Mutter die Füße zusammengebunden, damit sie nicht ausrücken konnte - sie blieb nämlich oft allein."

So beginnt die Geschichte von "Fabiana F., Tochter aus der fremden Welt", mit der sich Barbara Sichtermann gegen "eine neue Form von political correctness" zur Wehr setzen zu müssen glaubt, die besagt, daß "Kinder aus der Dritten Welt auch dann in ihrer Umgebung zu verbleiben haben, wenn dort nicht als Hoffnungslosigkeit auf sie wartet." Das Wort von der "politischen Korrektheit" taucht in der Geschichte von Fabiana bzw. in der Geschichte von Barbara Sichtermann gleich ein halbes Dutzend mal auf. Es ist denunziatorisch gemeint und soll jene treffen, die Auslandsadoptionen nicht unhinterfragt gut finden. Barbara Sichtermann zufolge sind es nämlich "nicht nur die kriminellen Auswüchse", über die sie im übrigen kein Wort mehr verliert, die Adoptionen aus der Dritten Welt "ins Gerede gebracht" haben. "Die überlebende Solidarität mit der Dritten Welt hat sich an diese Front geflüchtet und geht dort mit der neueren Angst vor zu viel Zuwanderern, ausgefallenen Familienkonstellationen und schwarzen Menschen in deutschen Städten eine ungute Allianz ein", eine Allianz, die dazu führt, daß die Adoptiveltern ausländischer Kinder in der Öffentlichkeit wie "Kinderschänder" angesehen werden. Gemeint sind damit die Jugendämter sowie die "politisch korrekt" denkende Öffentlichkeit. Diese haben sich also mit Rassisten, Nationalisten und reaktionären Beschwörern der heiligen (weißen) Familie verschworen, um "Front" zu machen gegen Adoptionen aus dem Ausland.

"Adoptionsbewerber gelten als unfähig, mit ihrer Kinderlosigkeit fertig zu werden, als besessen vom Zwang zur Wohltätigkeit und von der Sucht nach moralischer Überlegenheit, als nicht imstande zu verzichten und deshalb bereit, selbst Menschen zu kaufen..." Wer darum auf dem Weg zum Jugendamt noch auf ein "freudiges Entgegenkommen" gehofft hatte, wird dortselbst in einer Art und Weise zur Strecke gebracht, die ihresgleichen sucht. Denn "Adoptiveltern in spe müssen nicht nur erklären und nachweisen, daß sie in ihrem Herzen und in ihrem Hause Platz für ein fremdes Kind haben, sie müssen nicht nur, was einsehbar wäre, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse darlegen, sondern obendrein ihre Lebensgeschichten, ihre Familiensituation, ihre Herzensangelegenheiten, ihre sittliche Lebensführung, ihre psychische Verfassung - zu schweigen von Selbstverständlichkeiten wie politischer Anmeldung, Heirats- und Geburtsurkunden, Pflegeerlaubnis des Jugendamtes. Sie müssen es hinnehmen, ja gutheißen, daß Berichte über ihre soziale Lage, über ihre Wohnverhältnisse abgefaßt und psychologische Gutachten über ihr Innenleben erstellt werden. Wenn man bedenkt, wie dramatisch der Unterschied ist zwischen der "Lizenz", ein Kind in die Welt zu setzen - es gibt sie, glücklicherweise, nicht - und der, ein verlassenes Kind anzunehmen, hat man den Eindruck, daß im zweiten Fall eine prohibitive Strategie am Werke ist, die Adoptionen unmöglich machen soll." Als wahre Verfolgte erscheinen in dieser Dramaturgie also die von den Jugendämtern bzw. terre des hommes in die Dritte Welt vertriebenen Wohlstandsbürger (Adoptiveltern), die sich dem Verdacht aussetzen, "sich auf politisch unkorrekte Weise gerade dort an den Schwächsten, den verlassenen Kindern, zu vergreifen, wo sie am Elend der Eltern, wenn nicht persönlich, so doch historisch schuld sind".

Die Geschichte von Fabiana resp. Barbara Sichtermann funktioniert nicht anders als die Geschichte von Woudassie resp. Christoph Fasel. Soweit ersichtlich, handelt es sich in beiden Fällen um eine Adoption - im Falle von Fabiana gar um die eines älteren behinderten Kindes -, die einen offiziellen Weg genommen hatte. Beide Kinder waren, glaubt man den geschilderten Verhältnissen, verlassene Kinder, denen im eigenen Land womöglich "nichts als Hoffnungslosigkeit" geblieben wäre. Diese "politisch korrekten" Adoptionen werden sodann gegen die fixierte (Bach), prohibitive (Jugendämter) und angewiderte (terre des hommes) Anti-Adoptions-Front aufgeboten, um zu beweisen, daß es ihnen "gar nicht darum geht, was Adoptiveltern fühlen und wollen, sondern darum, das Image des "Kinderjägers" zu behaupten". Indem der persönliche (gute) Wunsch gegenüber der (schlechten) Gesellschaft verteidigt wird, erscheint unversehens auch nachvollziehbar, warum der eine oder andere Adoptionsbewerber, von "dem gigantischen bürokratischen Aufwand" deutscher Jugendämter verschreckt, nach anderen Wegen Ausschau hält.

In der Verknüpfung individueller und gesellschaftlicher Deutungsmuster verliert sich schließlich der Blick auf die Strukturen. Armut und Ausbeutung erscheinen so als schicksalhaft. Der im STERN erhobene Vorwurf des "Verrats an Kindern" findet hier seinen Ausgangspunkt. Er bietet zugleich eine individuelle Perspektive aus gesellschaftlicher Misere: die Adoption. "Die Dritte Welt versinkt im Elend, sie braucht Hilfe, das ist bekannt. Aber warum sollen alle Maßnahmen, die unterhalb der Globalrevolution verbleiben, sinnlos sein? Warum soll ein verlassenes Kind elternlos bleiben, solange Millionen andere es weiterhin sind, sprich "die Strukturen" sich noch nicht geändert haben? Diese Logik", so Barbara Sichtermann in der Reportage "Das fremde Kind" , "ist mir so unverständlich wie die Überheblichkeit hiesiger Dritte-Welt-Experten, die allen Ernstes zu glauben scheinen, eine Veränderung der sog. Strukturen in Indien oder Peru liege in ihrer Macht."

Barbara Sichtermann weiß die Geschichte auf ihrer Seite. "Dadurch daß wir uns der Ärmsten und Schwächsten annehmen und sie zu uns in Haus holen, zeigen wir uns und anderen, daß wir über unseren europäischen Tellerrand hinausgucken und hinausfühlen können. Und wir zeigen uns und anderen, daß Brüderlichkeit nichts mit Blutsbanden zu tun hat und daß der Rassenwahn wirklich Geschichte ist." Die Moral von der Geschicht(e) ist so schlicht wie ergreifend: Wer gegen Adoptionen aus dem Ausland argumentiert, entlarvt sich als nationalistisch beschränkter "Sesselpuper" , dem "die Strukturen" wichtiger sind als "das fremde Kind", wer adoptiert, trägt in seiner buchstäblich grenzenlosen Liebe dafür Sorge, "daß das Menschenleben weitergeht und daß Menschen nicht nur gezeugt und geboren, sondern gehegt, geschützt, geliebt und so zur Freude an ihrem jungen Leben fähig werden". Der Sozialpädagoge und langjährige Vorsitzende des Internationalen Sozialdienstes (ISD), Reinhart Wolff, beschrieb diesen als "Kinderwunsch hier, hungernde Kinder dort" verkleideten Traum vom fremden Kind anläßlich einer Tagung als "ein Phantasma, das für die Rettungsphantasien seiner Adoptiveltern herhalten müsse". Der vordergründige Wunsch, ein Kind glücklich zu machen, sei in jedem Fall gründlich zu hinterfragen, denn: "Ein Kind kann zwar zum Glück der Eltern beitragen, es darf jedoch nicht als Instrument des Erwachsenenglücks mißbraucht werden."

3.3 Unser Sohn aus Indien Die Geschichte von Gabriel resp. Ulrike Willecke führt die bereits beschriebenen (Selbst-)Bilder und (Adoptions-)Wege auf geradezu schicksalhafte Weise zusammen. "Den Gedanken, ja eigentlich den festen Vorsatz, ein Kind zu adoptieren, hatten wir schon vor unserer Heirat. Der Wunsch entstand bereits während unseres Pädagogikstudiums und wurde im Laufe der Jahre zu einem Lebenstraum, zu einem Ziel, das wir unter allen Umständen erreichen wollten." Der Gedanke, der Vorsatz, der Wunsch, der Lebenstraum, das Ziel, "wenigstens einem Kind ein Zuhause zu geben" , erschien den Willeckes, dessen Leben bisher ganz nach Plan verlief, "eigentlich erfüllbar" . "Dabei wußten (und wissen) wir sehr wohl, daß wir damit nicht die Welt verbessern können. Aber wir fühlten uns dazu berufen, wenigstens einem Kind ein Zuhause zu geben, einem Kind, das sonst keine Chance hätte." Da ist es wieder, das "Phantasma", das geradezu danach drängt, erfüllt zu werden. Schon kommt der Wunsch nach einem Kind als Berufung daher, weshalb man allmählich auch begreift, warum die Willeckes "unter allen Umständen" darauf bestehen müssen, ein Kind aus der Dritten Welt zu sich nach Hause "zu holen".

Die Geschichte, die dann folgt, führt exemplarisch vor Augen, welche Mittel und Wege ein ordentliches Düsseldorfer Lehrerehepaar schließlich einzugehen bereit war, um ihre Berufung über alle "unüberwindbaren Hindernisse" hinweg doch noch Fleisch werden zu lassen. Am Anfang geht sich (wider Erwarten?) alles noch recht vorbildlich an. Das Ehepaar Willecke begibt sich zunächst zum Jugendamt, um die für eine Adoption notwendige Pflegeerlaubnis zu beantragen. Die zuständige Sachbearbeiterin erweist sich sogar als "ausgesprochen entgegenkommend", von Ablehnung und Zurückweisung keine Spur. "Noch stießen wir auf keinerlei Schwierigkeiten". Auch die häuslichen Besuche von Frau Keller (Name geändert) "verliefen (stets) durchaus erfreulich". "Ihr Eindruck war positiv, die Pflegeerlaubnis bekamen wir unverzüglich". Frau Keller ist sehr erfreut zu hören, daß das Ehepaar Willecke sich bei terre des hommes bewerben will. Sie erklärt sich bereit, "uns auf jede mögliche Art zu unterstützen". Am 1. September 1977 stellt das Ehepaar Willecke seinen Antrag auf Adoption bei terre des hommes, der jedoch im August 1978 abschlägig beschieden wird.

Die Suche nach neuen Wegen führte das Ehepaar Willecke zunächst nach Sri Lanka. Über private Kontakte, die Botschaft und einen ceylonesischen Anwalt hofften sie sich den Kinderwunsch zu erfüllen. Doch trotz der Beilage von zwanzig Dollar in die Briefe an den Anwalt, von dem sie nie wieder etwas hörten, endete auch dieser Weg in einer Sackgasse.

Wieder mußten sie "neue Wege finden, die wir beschreiten konnten, Wege, die legal und seriös waren". Man wendet sich an den Internationalen Sozialdienst und Pro Infante, "den beiden wohl letzten Möglichkeiten", wie Ulrike Willecke annahm. Der ISD sah sich jedoch aufgrund personeller Probleme derzeit (1980) weder imstande, Bewerbungen zu bearbeiten noch anzunehmen. Pro Infante übersandte einen Fragebogen, der - mit einer näheren Begründung des Adoptionswunsches und einiger Fotos versehen - allerdings ebenfalls zu einer Ablehnung führte: "die Auflagen besagten, Kinder aus Indien (...) ausschließlich in praktizierende katholische Familien zu geben." Allerdings erklärte sich Frau Wiedeking bereit, die Willeckes auf die Warteliste für protestantische Eltern aufzunehmen, "und das", mokiert sich Ulrike Willecke in diesem Fall wohl zu Recht, "obwohl wir weder katholisch noch evangelisch sind". Der Wunsch, ein Kind aus der Dritten Welt zu adoptieren, schien in weite Ferne gerückt. Da ereilt sie ein "schicksalschwerer Anruf".

"Eine Kollegin meines Mannes, selbst Mutter eines kleinen indischen Mädchens, erzählte uns von einer ihr bekannten Familie Burger aus Ratingen. Diese Familie hatte damals bereits eine Tochter aus Indien und war im Begriff, ein zweites Kind aus demselben Kinderheim zu adoptieren. Im Zusammenhang mit diesem Verfahren war gefragt worden, ob die Eltern nicht bereit seien, auch noch einen kleinen Jungen bei sich aufzunehmen oder - sollte dies nicht möglich sein - andere Eltern für den Kleinen zu benennen(sic!). Da unser Anliegen ja weit und breit bekannt war, fragte man bei uns nach..." Bei den von Ulrike Willecke "Burgers" genannten Ehepaar handelt es sich um eben jenes Ehepaar, nach dem bereits in der Großen Anfrage der GRÜNEN IM BUNDESTAG gefragt worden war. Die Bundesregierung zeigte sich damals sogar informiert darüber, daß das im Rheinland lebende Ehepaar "in Zusammenarbeit mit einer Inderin, deren Schwester ein Kinderheim in Madras leitet, privat Kinder in die Bundesrepublik" vermittelt. Für die Willeckes aber waren Burgers "ein Hoffnungsschimmer" , "unverzüglich" begab man sich daher nach Ratingen, um die Adoption des im Angebot stehenden kleinen Jungen zu besprechen.

Im Wohnzimmer der Burgers kommt man schnell zur Sache. "Familie Burger war befreundet mit einer indischen Krankenschwester - Anna Gotaman -, die an einem Düsseldorfer Krankenhaus arbeitete. Deren Schwester wiederum leitete ein Krankenhaus(sic!) im indischen Kumbakonam, etwa dreihundertfünfzig Kilometer südlich von Madras. In diesem "St. Anne's Hospital for Women and Children"", begeistert sich Ulrike Willecke, "wurden nun häufig Kinder unverheirateter Mütter geboren und anschließend dort zurückgelassen. Auch gab es oft Findelkinder, die vor dem Tor des Krankenhauses ausgesetzt waren. Bei den Babys", und nur darum dreht es sich schließlich bei den Willeckes, "handelt es sich also quasi um Waisen." Quasi um Waisen! Ulrike Willecke glaubt den Burgers nur zu gerne. "Alles lief über die indische Botschaft in Bonn, die als offizieller Mittler zwischen indischen und deutschen Behörden fungierte." Die Grenzen der Legalität - sie werden über die Mitwirkung einer Botschaft sanktioniert. Das Ehepaar Willecke wiegt sich in der Sicherheit, daß alles in bester Ordnung sei. "Wie wunderbar reibungslos jetzt plötzlich alles vonstatten ging!" In "Rekordzeit" werden die benötigten Bescheinigungen beschafft. Daß sie sich bereits auf dem kürzesten Weg in eine Privatadoption befanden, wird ihnen nicht bewußt. Sie wähnen sich im Glück, und von allen Seiten wird ihnen Hilfe zuteil.

So hilft die "sehr verständnisvolle Schulleiterin meines Mannes" dabei, einen katholischen Priester, "der an derselben Schule unterrichtete und unsere Kinder nie gesehen hat", zu überreden, den Willeckes die benötigte Bescheinigung über die christliche Erziehung ihrer Kinder(sic!) auszustellen. Die zweite Hürde nehmen die Willeckes sozusagen im vorbeigehen: "Ein mit uns befreundeter Richter vom Verwaltungsgericht verbürgte sich für unseren einwandfreien Lebenswandel". Und selbst "die schwierigste Hürde" - eine ärztliche Bescheinigung darüber, daß Ulrike Willeckes unfruchtbar ist - ist im Nullkommanix genommen. Schwester Anna Gotaman hatte sie ("wie auch immer") über einen Gynäkologen beschaffen können. "Ich habe nicht nachgefragt, nach unseren bisherigen Erfahrungen und Enttäuschungen hatte ich zumindest in diesem Punkt keinerlei Skrupel." Von Skrupeln wird Ulrike Willecke auch später nicht (mehr) geplagt. Sie will ihren Sohn aus Indien - koste es, was es wolle.

Der Mai (1980) ist noch nicht vorüber, als die Willeckes bereits einen Brief von Schwester Mary Magda aus Kumbakonam in den Händen halten, "in dem sie uns nicht nur als Eltern akzeptierte(sic!), sondern in dem sie uns auch schon ein Foto unseres Sohnes mitschickte." UNSER SOHN AUS INDIEN - er ist schon der Sohn der Willeckes, bevor auch nur geklärt ist, ob dieses Kind tatsächlich zur Adoption freigeben ist. "Als wir das Bild sahen, bestand für uns kein Zweifel: Das war unser Kind. Nichts und niemand würde uns nunmehr davon abhalten, den Jungen aus Indien nach Hause zu holen. Paul Raj wurde er noch genannt, aber das würde sich ja nun bald ändern. Für uns war er schon damals Gabriel..." Optimistisch gestimmt überweisen die Willeckes "die für die Durchführung der Adoption entstehenden Kosten: 1.163,80 DM an Sister Mary Magda vom St. Anne's Hospital in Kumbakonam, 701,40 DM an Sister Philomena vom Mercy Home in Madras." An diesem Punkt angekommen, kommt Ulrike Willecke, die doch nichts mit Kinderhandel zu tun haben will, schließlich doch nicht mehr an einer Erklärung vorbei: "Diese Beträge wären notwendig, so hatte man uns aus Indien mitgeteilt, um die Auslangen der Anwälte, Notare, Paßbeamten etc. zu begleichen." In Madras befand sich die Hauptstelle des Ordens der Salesianerinnen, die zugleich auch das Krankenhaus in Kumbakonam betreuen. Offenbar wurden die von dort in die Wege geleiteten Adoptionen Hand in Hand vorbereitet. Eine der dortigen Schwestern, Sister Philomena, würde die Willeckes in Madras vor Gericht vertreten.

Dann aber treten Schwierigkeiten auf. Das Geld, das die Willeckes bereits im Mai auf den Weg gebracht hatten, war nicht eingetroffen. "Um nur ja keine Verzögerungen zu riskieren, wiesen wir die geforderten Beträge noch einmal an, aus Sicherheitsgründen jetzt aber drahtlich und in indischen Rupien." Die Willeckes durchleben ein Wechselbad der Gefühle. Erhielten sie soeben noch Nachricht darüber, daß man zuversichtlich sei, "in den nächsten Tagen" Bescheid geben zu können, wann sie Paul Raj resp. Gabriel "abholen" können, so müssen sie wenige Tage später lesen, daß die Adoption negativ beschieden worden sei. Interessant ist die Begründung, die Sister Mechthilda - eine weitere im Dienste der Willeckes bzw. Burgers tätige Schwester - mitzuteilen versucht: "Der Magistrat ist sehr streng, und er hat dem Gerichtshof keine Erlaubnis für die Adoption des Kindes erteilt... Der neue Richter ist gegen Adoptionen. Er sagt, daß es heutzutage Menschen gibt, die ein Geschäft daraus machen. Es ist sehr schwierig, ihn zu überzeugen..." Ulrike Willecke gerät außer sich. Wieder führt der erste Weg in Jugendamt. Aber natürlich kann Frau Keller in diesem Fall auch "nicht weiterhelfen". Sie gibt gegenüber der völlig aufgelösten Adoptionsbewerberin lediglich "ihrer Befürchtung Ausdruck, der zuständige Richter sei von den Schwestern möglicherweise nicht hoch genug bestochen worden". Nicht nur, daß die Dame vom Jugendamt offenbar selbstverständlich davon ausgeht, daß in diesem - von ihr positiv begutachteten - Adoptionsverfahren mit Geld operiert wird, sie äußert sogar den Verdacht, daß der vorsitzende (indische!) Richter bestechlich ist und mit seinem abschlägigen Bescheid womöglich nur den Preis in die Höhe treiben will! Das landläufige Vorurteil, daß in der Dritten Welt bzw. außerhalb der eigenen Grenzen ohne Bestechung nichts geht, wird offensichtlich auch in deutschen Jugendämtern gepflegt.

Noch einmal finden sich die Willeckes im Wohnzimmer der Burgers ein. Dort treffen sie diesmal auch den Ehemann der Schwester Anna Gotaman, Vincent. Gemeinsam kommt man zu dem Schluß, daß Ulrike Willecke gemeinsam mit Vincent Gotaman nach Indien fliegen solle, um sich "an Ort und Stelle (selbst) um die Angelegenheit zu kümmern. Selbstverständlich", fügt Ulrike Willecke vorsichtshalber dazu, "würden wir die Kosten für alle Auslagen übernehmen." Nie zuvor war Ulrike Willecke so weit gereist, doch jetzt galt es, den gewünschten Sohn persönlich aus dem Heim abzuholen. Eine Privatadoption nimmt ihren Lauf, in aller Unschuld in Szene gesetzt von Leuten, die es - glaubt man ihren Selbstbeschreibungen - eigentlich besser wiessen müßten.

Es ist unmöglich, den schrecklich mißlungenen Aufenthalt der Ulrike Willecke in Indien nachzuzeichnen. Nur soviel: Vincent Gotaman war ihr zwar zu Beginn ihrer Reise noch behilflich, setzte sich aber schließlich, ohne ein Wort des Abschieds, ab. Die Schwestern des Mercy Home reagieren zunächst eher panisch auf den ihnen aufgezwungenen Gast, der seinerseits einige Mühe hat, sich - fernab gewohnter (Lebens-)Standards - in den fremden Verhältnissen zurechtzufinden. Vor allem muß sich Ulrike Willecke erst einmal damit abfinden, daß sie sich in einem Land befindet, in dem ihre Anwesenheit - anders als in Italien - offensichtlich nicht erwünscht ist. "Ein paarmal versuche ich, mich auf Englisch einzuschalten, was aber mehr oder weniger übergangen wird." Ihrem Verlangen, "mein Kind zu sehen", wird ebenfalls nicht auf der Stelle entsprochen. Der Junge befindet sich in einem beklagenswerten Zustand. Bei seinem Anblick ist Ulrike Willecke tief erschüttert, während der 11 Monate alte Paul resp. Gabriel seinerseits "offensichtlich Angst (hat) vor dieser großen weißen Frau, die so ganz anders gekleidet ist als die Nonnen und die sich so ungewohnt verhält." Über seine Mutter wissen die Schwestern des Mercy Home nichts Genaues. Woher sie kam, wissen sie nach eigenem Bekunden auch nicht. Das ist Ulrike Willecke nur recht. "Es interessiert mich auch nicht."

Wie lange sich Ulrike Willecke in Indien aufhielt, wird zunächst nicht so recht deutlich. Man möchte annehmen, daß es drei oder vier Wochen sind, aber dann erfährt man - erst nach ihrer Rückkehr - daß es nur elf Tage waren. In diesen wenigen Tagen setzt sie Himmel und Hölle in Bewegung, um Paul resp. Gabriel mit "nach Hause" nehmen zu können. Einen Versuch, die Mutter des Jungen zu finden bzw. wenigstens zu suchen, unternimmt sie gleichwohl nicht. Sie will "Gabriel", sonst nichts. Aber dafür ist sie auch bereit zu zahlen. Schließlich befindet sie sich in einem Land, in dem niemand etwas macht, ohne Geld zu verlangen, nicht wahr? Ihre Erkundigungen außerhalb des Mercy Home erlebt sie als "Alptraum" , alles ist entsetzlich, chaotisch, dreckig, ekelerregend. "Wieder einmal schwöre ich mir, jeden Weg zu beschreiten, auf dem ich Gabriel aus diesem furchtbaren Land bringen kann." Schließlich kommt Hoffnung auf. "Sister Mechthilda berichtet uns (ihr und Vincent, der sie jedoch kurz darauf sitzenlassen wird, G.W.) ausführlich, daß unser Anwalt - gegen entsprechende Bezahlung, versteht sich - nun doch gute Chancen sehe, die Adoption durchzusetzen. Sollte ich als Europäerin nicht als Mutter akzeptiert werden, halte er auch eine Scheinadoption durch Vincent für möglich. Damit würden wir auf jeden Fall den Paß bekommen, mit dem Gabriel dann ausreisen könnte. Mir ist inzwischen jedes Mittel recht, ob legal oder illegal, wenn ich nur bald mit meinem Kind dieses Land verlassen kann."

Ulrike Willecke "spielt" mit. Dem Anwalt gegenüber über gibt sie - einem Rat der Salesianerinnen folgend - sicherheitshalber vor, der Unterredung nicht folgen zu können. Dieser präsentiert sich gegenüber den Salesianerinnen weltmännisch und überzeugt davon, daß die Entscheidung positiv ausfallen werde. Ulrike Willecke weiß sich darüber kaum zu beherrschen. "Ich habe es eilig, zum Postamt zu kommen, um meinem Mann per Telegramm über meinen Erfolg zu informieren." In wenigen Tagen würde sie also mit Paul Raj resp. Gabriel das Land verlassen können. Die Zeit scheint stille zu stehen. "Sister Mechthilda und eine Begleiterin sind gegen zehn Uhr zum Gericht gefahren, und ich kann ihre Rückkkehr kaum erwarten. Endlich, gegen vierzehn Uhr, erscheinen die beiden weißen Gestalten im Tor. Aufgeregt laufe ich ihnen entgegen." Doch die Nachricht ist niederschmetternd. "Haben Sie Geduld", versucht Sister Mechthilda zu trösten, "heute war die Gelegenheit nicht günstig, die Sache zur Sprache zu bringen. Vielleicht ergibt sie sich in den nächsten Tagen, vielleicht auch erst in einigen Wochen, Monaten oder Jahren. Gott alleine weiß es, er wird uns helfen." Ulrike Willecke aber glaubt nicht an diesen Gott, daß sie Katholikin ist, gehörte ja nur zum Spiel. "Als ich mich endlich wieder gefaßt habe, weiß ich nur eines: Ich will nach Hause, ich werde nicht länger in diesem Land bleiben." Die Salesianerinnen reagieren verständlicherweise erleichtert und versprechen auf der Stelle, "gleich nach dem Mittagsessen eine Schwester mit mir in die Stadt zu schicken, um meinen Rückflug zu buchen."

Ulrike Willecke fühlt sich in den nächsten Tagen und Wochen "ziemlich schlecht" "Am schlimmsten war es, immer Gabriels Bild vor Augen zu haben und ihm nicht helfen zu können." In dieser unglückseligen Situation traten die Willeckes "dem Gedanken an ein drittes leibliches Kind näher", doch riet der zu Rate gezogene Gynäkologe im Augenblick davon ab. "Aus Indien kam eine Abrechnung über die Ausgaben, die mein Aufenthalt dort verursacht hatte; danach war das ganze Geld, das wir überwiesen hatten - fast viertausend Mark! - aufgebraucht. Wir sahen nicht einen Pfennig davon wieder." Von den Burgers nahm man nun Abstand. "Ich möchte zwar auch heute noch zugunsten der Familie Burger annehmen, daß sie bei ihren - wie sich mehr und mehr herausstellte - illegalen Aktionen in erster Linie das Wohl der Kinder im Auge hatte, aber wir fühlten uns dennoch betrogen und brachen alle Kontakte ab." Wie sich mehr und mehr herausstellte! Hatten die Willeckes nicht selbst daran mitgewirkt? Aber wir fühlten uns dennoch betrogen... Das in Aussicht gestellte Kind war nicht geliefert worden. "Immerhin war es aber auch Frau Burger, die irgendwie Frau Wiedeking von der Organisation pro infante, bei der wir ja schon seit geraumer Zeit auf der Warteliste standen, von unserer Geschichte in Kenntnis setzte."

Frau Wiedeking lädt die Willeckes und drei weitere Ehepaare bzw. Mütter, "die wir wir vergeblich auf ihre Kinder gewartet hatten", zu sich nach Kempen ein. Sie schlägt vor, die Kinder von Kumbakonam in eines "von ihr gegründetes und betreutes Heim in Solur im Bezirk Bangalore" zu bringen. Dort würden die Kinder als "Findelkinder" aufgenommen und zur Adoption freigegeben werden, falls die leiblichen Eltern - die von der Verlegung ihrer Kinder durch Zeitungsannoncen in Kenntnis gesetzt werden sollten - sich nicht innerhalb einer bestimmten Zeit melden würden. "Wieder hieß es, alle Papiere zusammenzustellen. Routiniert, wie wir inzwischen waren, hatten wir sie innerhalb einer Woche komplett. Dabei gab es eine neue Variante: Um das indische Gericht von unserem Wohlstand zu überzeugen, mußten wir Fotos von unserem nicht vorhandenen Eigenheim und unserer ebenfalls fiktiven Haushälterin beilegen. Wir wählten ein repräsentatives Haus in der Nachbarschaft aus, vor dem wir uns dekorativ aufbauten, bevor wir es fotografierten. Als Hausgehilfin fungierte meine Schwägerin, die wir mit einer um den Kopf drapierten Sanitaswindel beim Wäscheaufhängen ablichteten." Was mit einem hohen moralischen Anspruch begann, endet nun als Operette. Warum sie auf diese Variante zurückgreifen mußten, wie Ulrike Willecke schreibt, wird mit keinem Wort erklärt. Die Willeckes sind wild entschlossen, ihren Sohn zu sich zu holen. Da darf man in der Wahl der Mittel nicht zimperlich sein.

Frau Wiedeking aber "versetzt Berge" , und schließlich geschah doch noch ein "Wunder": dem Antrag der Willeckes auf Adoption vor dem Gericht in Bangalore City wird stattgegeben! Der Richter ordnet ohne weiteres an, das Kind Paul Raj "nach Westdeutschland fortzuführen". Pro Infante erhält umgehend 3.200 Mark, damit die mit der Abwicklung der Adoption entstanden Kosten beglichen werden können, "eine vergleichsweise geringe Summe", wie Ulrike Willecke hinzufügt. Am 7. Dezember 1980 landen die sehnsüchtig erwarteten Kinder schließlich mit einer von Pro Infante gecharterten Maschine der Swiss Air auf dem Düsseldorfer Flughafen. Die Willeckes haben ihr Ziel schließlich doch noch erreicht. "So kamen nach einer zermürbenden Zeit von fast fünf Jahren und einer Investition von zwölftausend DM unsere Bemühungen letzlich zu einem guten Ende." Man mag sich fragen, was Ulrike Willecke bewogen haben mag, DIE DRAMATISCHE GESCHICHTE EINER ADOPTION (Untertitel) in dieser bedenkenlosen und fast exhibitionistischen Art und Weise zu Markte zu tragen und sich selbst auch gleich der öffentlichen Absolution zu versichern. "Mir jedenfalls war es ein Bedürfnis, diese für uns gar nicht so langweilige Geschichte aufzuschreiben - nicht zuletzt auch deshalb, um Anfeindungen zu begegnen, denen sich Eltern von Kindern aus der dritten Welt in jüngster Zeit immer häufiger ausgesetzt sehen. Allzu vorschnell und leichtfertig werden Begriffe wie Kinderhandel oder gar Snobismus ins Spiel gebracht. Die Leser meiner Geschichte mögen selbst darüber urteilen."

Ich erlaube mir, dieser Aufforderung freigiebig nachzukommen: Die Geschichte von der Adoption des Kindes Paul Raj ist ein exemplarisches und geradezu hervorragend inszeniertes Beispiel dafür, daß Kinderhandel von denen, die sich hineinbegeben, nicht als Kinderhandel empfunden wird, und vorgebliche Bedenken sich in Nichts auflösen, wenn die legalen Möglichkeiten erschöpft sind oder nicht ausreichen, um das Verlangen nach einem Kind bzw. nach einem Kind aus der Dritten Welt zu stillen. Ulrike Willeckes Geschichte zeigt, daß überall und bereitwillig Hilfe angeboten - und in Anspruch genommen - wird, wenn die legalen Wege allzu hindernisreich werden und schließlich auch verlassen werden. Ulrike Willecke fühlt sich im Recht und setzt mit dem glücklichen Ausgang ihrer Geschichte terre des hommes zugleich ins Unrecht, während Karla Wiedeking sich als jene Lichtgestalt der Adoptionsszene feiern lassen kann, die am Ende alles zu einer glücklichen Familie zusammenfügt. Nicht einmal der elftägige Horrortrip der Ulrike Willecke nach Indien wird andere davon abhalten, sich unter Umständen selbst auf den Weg zu machen, dienen die Beschreibungen des Erlebten doch allenfalls dazu, die Mittel zu rechtfertigen, die man eingesetzt hat, um das gewünschte Kind aus seinem traurigen Dasein zu befreien. Eine Geschichte ganz nach dem Geschmack derer, die - wie Christoph Fasel und Barbara Sichtermann - das persönliche Glück, nicht die persönliche Verantwortung, zum Maßstab ihrer eigenen Entscheidungen und Handlungen machen.

Ulrike Willecke ist sich indes sicher: "Er ist unser Sohn. Er wird es bleiben. Für immer!" Die Geschichte seiner Herkunft beginnt erst mit seiner Entdeckung durch die Adoptivmutter. Die Mutter des Jungen bleibt hinter der von ihr entworfenen (erschreckenden) exotischen Kulisse eines fremden Landes verborgen. Ulrike Willecke will von ihr nichts wissen. Jean-Pierre Wils zu dem von ihm als "Undurchsichtigkeit der genealogischen Zugehörigkeit" bezeichneten Problems von Adoptionen: "In der Regel muß die gegenseitige Verwiesenheit von biologischer Herkunft im Sinne eines unbeliebigen, verläßlichen Musters der Genealogie einerseits und der Schaffung des Bewußtseins der eigenen Identität andererseits als folgenschwer eingeschätzt werden... Die Forderung, daß Adoption eine Ausnahme bleiben muß (und nicht etwa der Identitätsfindung der Adoptiveltern dienen kann), impliziert an erster Stelle, daß die Faktoren, die eine Abgabe des Kinder zu erzwingen scheinen, dahingehend abzustellen sind, daß finanzielle und soziale Vorkehrungen und Einrichtungen geschaffen werden müssen, die Adoptionen tendenziell überflüssig machen. Abgebende Mütter und adoptierte Kinder dürfen nicht zum Opfer des Alibis einer Gesellschaft werden, worin das "Kind" quasi-mystifiziert wird, ohne das diese Gesellschaft auch nur die elementarsten Mittel zur Verfügung stellt, die Kinder und insbesondere deren Mütter davor bewahren, den hohen Preis für diese Projektion bezahlen zu müssen." Dem ist nichts mehr hinzufügen.

NACHWORT

Kinderhandel: "weltweit verbreitete Form der Kindesmißhandlung" Brockhaus Enzyklopädie

In Fachkreisen gilt terre des hommes Deutschland (tdh) seit langem als eine der wichtigen entwicklungspolitisch engagierten, basisnahen NROs, deren Stimme von den politischen Repräsentanten dieser Republik wahrgenommen wird. Nichtsdestoweniger war tdh lange Zeit - und ist es wohl nicht selten auch noch heute - vielen Menschen hierzulande lediglich als caritativ arbeitendes Kinderhilfswerk, genauer: als Vermittlungsstelle für Adoptivkinder aus der Dritten Welt bekannt. Das kann kaum verwundern, hat dieser als Bürgerinitiative entstandene Verein in den bald 30 Jahren seines Bestehens doch mehr als 2800 verlassene Kinder vor allem aus Vietnam, Korea, Kolumbien, Indien und den Philippinen mit Eltern in Deutschland versorgt und so nicht unerheblich dazu beigetragen, die Möglichkeit der Auslandsadoption in Deutschland bekannt und populär zu machen. Keine Entscheidung in der Geschichte von terre des hommes ist darum jemals so ausführlich, so intensiv und so emotional diskutiert und später kommentiert worden wie der Beschluß 4/1 der Mitgliederkonferenz von 1994, der vorsah, Kinder nur noch an jene Bewerber zu vermitteln, die sich zum Zeitpunkt des Beschlusses schon im Auswahlverfahren befanden oder das Verfahren abgeschlossen hatten und auf der Warteliste standen, d. h. im Klartext: die Vermittlung von Auslandsadoptionen endgültig einzustellen. Auch außerhalb des Vereins stieß dieser Beschluß nicht selten auf Unverständnis oder bittere Polemik, die in der Unterstellung gipfelte, tdh habe sich damit aus seiner Verantwortung für die ihm advokatorisch anvertrauten Kinder davongestohlen. Daß dieser Vorwurf in die Irre ging, wird nicht nur daran deutlich, daß tdh sich nach wie vor aktiv zu der Verpflichtung der Nachbetreuungs- und Familienarbeit bekennt, sondern unter Ziffer 4/2 des Beschlusses von 1994 darüberhinaus entschieden hat, die Arbeit für verlassene Kinder "weiterzuführen und weiter zu entwickeln". Das gilt insbesondere hinsichtlich finanzieller Unterstützung von Projekten zugunsten verlassener oder von Verlassenheit bedrohter Kinder in ihren jeweiligen Herkunftsländern sowie für die Arbeit an Themen, die - wie der internationale Kinderhandel - in der gegenwärtigen Diskussion um die zukünftige Ausgestaltung des Instituts der Auslandsadoption von Bedeutung sind. Die vorliegende, von tdh in Auftrag gegebene Studie von Gisela Wuttke ist nicht zuletzt Zeichen dessen, daß tdh sich aus der Adoptionsdebatte so lange nicht zurückzuziehen gedenkt, als die Rechte und Würde verlassener Kinder und ihrer Eltern unter der Vorgabe, unschuldiges Leben zu retten, immer noch und immer wieder mit Füßen getreten werden.

Die fehlenden Daten

Wer das 1986 erschienene schockierende Buch Rolf P. Bachs "Gekaufte Kinder, Babyhandel mit der Dritten Welt" mit der vorliegenden Studie vergleicht, wird bald feststellen, wie wenig sich im zurückliegenden Jahrzehnt tatsächlich zum Guten geändert hat. Das gilt nicht zuletzt für die von Bach immer wieder benannte, in einem statistikbesessenen Land wie dem unseren ebenso erstaunliche wie beschämende Tatsache, daß exakte Daten auch nur über Anzahl, Herkunftsländer oder Einreisealter der in der Bundesrepublik lebenden Adoptivkinder aus dem Ausland bis heute Mangelware sind. Verschärfend tritt hinzu, daß auch die Kriminologie und Strafrechtswissenschaft sich des Themas Kinderhandel bislang nur selten angenommen hat, wie denn überhaupt die einschlägige sozialwissenschaftliche Forschung hierzulande wenig entwickelt ist, sich der im Bereich Adoption liegenden interdisziplinären Aufgaben jedenfalls noch kaum bewußt geworden zu sein scheint. Wären da nicht einzelne Behörden und freie Träger, die trotz großer personeller und finanzieller Engpässe die Mühe sachdienlicher Recherchen und Einzelstudien auf sich nehmen oder entsprechend übergreifende Projekte initiieren und finanzieren, die sozialstatistische Wüste im deutschen (Auslands-)Adoptionswesen wäre noch um ein Erhebliches größer und böte noch mehr Sand, um ihn bei Bedarf der interessierten Öffentlichkeit in die Augen zu streuen.

"Kinderhandel" und "Privatadoption"

Auf die Frage "Gibt es bei uns Kinderhandel?" antwortete die Zeitschrift STERN noch im September 1996 mit der beruhigenden Behauptung: "Er ist zurückgegangen, seit Anfang der 90er Jahre kaum noch möglich, weil ein ausländisches Kind ohne die notwendigen Dokumente nur sehr schwer nach Deutschland gebracht und hier angemeldet werden kann" (38/1996, S. 169). Was es aber gibt, so der STERN, sind "Auslandsadoptionen ohne deutsche Vermittler, sogenannte Privatadoptionen, die völlig legal sind". Die beiden Behauptungen enthalten, wie die vorliegende Studie nachweist, bestensfalls halbe Wahrheiten; solche werden aber bekanntlich schnell zu ganzen Lügen. Richtig ist, daß der Gesetzgeber mit der Änderung des Adoptionsvermittlungsgesetzes zum 01.12.1989 nach verbreiteter Auffassung ausreichend Vorsorge getroffen hat, Aktivitäten von Kinderhändlern auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland wirkungsvoll zu unterbinden. Zutreffend ist auch, daß Privatadoptionen, d. h. die Suche von Bewerbern nach vermittelbaren Kindern auf eigene Faust und ohne Einschaltung einer staatlich lizensierten Stelle, nach geltendem Recht nicht verboten sind. Ob sich solche Bewerber im Ausland aber gezielt an kommerzielle Vermittler wenden bzw. unbeabsichtigt an solche geraten, und ob sie dabei nolens volens die einschlägigen Gesetze des Heimatlandes "ihres" Kindes übertreten, ist von der verschärften Normen, Buß- und Strafvorschriften des deutschen Adoptionsrechtes völlig unabhängig. Konsequent dazu macht die Studie Gisela Wuttkes die zunächst so plausibel klingende Unterscheidung Kinderhandel hier - Privatadoption da nicht mit. Ganz auf der Linie etwa der von terre des hommes 1989 geforderten "Maßnahmen gegen Privatadoption/Kinderhandel" vertritt vielmehr auch sie die These, wer über Kinderhandel sprechen wolle, dürfe von Privatadoptionen nicht schweigen. So vieles diese erfahrungsgesättigte Behauptung des im konkreten Einzelfall oft nur graduellen moralischen Unterschieds von privater Adoption und krimineller Kinderbeschaffung für sich hat, so sehr setzt sie sich dem Mißverständnis aus, unterschiedslos jede nicht von einer der anerkannten Adoptionsvermittlungsstellen in freier Trägerschaft durchgeführte Auslandsadoption als illegal und kriminell zu stigmatisieren und damit auch den nicht a priori auszuschließenden "sauberen" Privatadoptionen und den von ihnen betroffenen Kindern einen Bärendienst zu erweisen. Diesbezüglich hat der Hinweis auf die notwendigen juristischen Differenzierungen, wie er seit langem nicht nur seitens einer interessierten Adoptivelternschaft, sondern auch von juristischen Experten angemahnt wird, alles Recht auf seiner Seite. Zugleich aber darf nicht in Vergessenheit geraten, daß es dieselben Juristen aus Wissenschaft und Praxis sind, die mit allem Nachdruck betont wissen wollen, daß das real existierende Adoptionsvermittlungsgesetz den spezifischen Erfordernissen des Prozesses interstaatlicher Adoption nicht gerecht werde und dabei nicht zuletzt die an sich legale Praxis der Privatadoption einen erheblichen "Risikofaktor" darstelle. Die vorliegende Studie unterstreicht dies nachdrücklich und ist damit ein erneuter Appell an die Bundesregierung, das am 29. Mai 1993 in Den Haag verabschiedete "Übereinkommen über die internationale Zusammenarbeit und den Schutz von Kindern auf dem Gebiet der grenzüberschreitenden Adoption" umgehend zu ratifizieren und für seine Implementierung in die bundesrepublikanische Rechtswirklichkeit Sorge zu tragen. Erst damit käme die in § 1741 BGB beschworene Kindeswohlforderung auch potentiellen Adoptivkindern aus dem Ausland wirklich zu Gute.

Der Ruf nach neuen Vermittlungsstellen

Doch wie auch immer die durch die Ratifikation der Haager Konvention unumgänglich werdende Neufassung des Adoptionsrechtes in der Bundesrepublik endgültig aussehen wird - als Antwort auf die neue "sozialpsychologischen Geißel des 20. Jahrhunderts" (Bach), d. h. die große und wohl wachsende Zahl unfreiwillig kinderloser und unter dieser Kinderlosigkeit leidender Paare, dürfte sie denkbar ungeeignet sein. Selbst wenn, worauf Wuttke in ihren Ausführungen eigens hinweist, das Ausmaß ungewollter Kinderlosigkeit nach einer noch nicht veröffentlichten neueren Studie der Universität Rostock erheblich niedriger sein sollte als bisher vermutet, und selbst wenn, wie zu hoffen ist, die Erfolgsquote reproduktionsmedizinischer Bemühungen schon bald erheblich weniger Frauen und Männer in eine als zutiefst sinnlos empfundene Realität entläßt als bis dato, dürfte die Zahl potentieller Bewerber um ein Adoptivkind auch in Zukunft immer noch erheblich höher liegen als die Zahl der verlassenen Kinder aus den Elends- und Krisenregionen dieser Welt, die durch die bestehenden Instanzen den fachlichen Standards gemäß legal vermittelt werden können. Die Gefahr eines auch weiterhin wachsenden Marktes im Bereich grenzüberschreitender Adoption ist nicht von der Hand zu weisen. Was tun? Im Bewußtsein, daß striktere rechtliche Rahmenbedingungen allein wohl untauglich sind, den Profiteuren des internationalen Kindertransfers das Handwerk zu legen (und vor allem so lange nicht wirklich greifen können, als es den meisten Herkunftsländern aus eigener Kraft unmöglich sein dürfte, das von der Haager Übereinkunft geforderte Vermittlungs- und Kontrollsystem aufzubauen), verweist die vorliegende Studie darauf, daß die Auseinandersetzung mit den Motiven, Einstellungen und legitimatorischen Hintergrundannahmen der unfreiwillig kinderlosen Kinderretter und ihrer WortführerInnen in den Medien verstärkte Aufmerksamkeit zu widmen ist. Solange das Kinderhaben als menschliches "Grundbedürfnis" verkauft und die nicht zu leugnende seelische Not unfreiwillig kinderloser Paare zur Rechtfertigung jedweden Verfahrens der Kinderbeschaffung herhalten muß, wird die internationale Adoptionsszene von Marktgesetzen dominiert bleiben. Der von besorgten Beobachtern dieser Szene seit längerem formulierte Eindruck, die Bundesrepublik sei mit Fachstellen, die adoptionswilligen Frauen und Männern eine spezielle Beratung anbieten und Bewerbungen für internationale Adoptionen annehmen, de facto unterversorgt, da die von den gegenwärtig konzessionierten fünf oder sechs Vermittlungsstellen in freier Trägerschaft geleisteten Vermittlungen zahlenmäßig kaum ins Gewicht fielen, wirkt demgegenüber eigentümlich unentschieden. Denn auch wenn sich die Zahl der deutschen Fachstellen vervielfachen ließe - wie sollten sie zu den Tausenden gewünschten Kinder kommen, ohne sich selber im Interesse einer betuchten kinderlosen Klientel in Deutschland zu Agenten des Marktgeschehens zu machen? Damit aber würden sie das doch als oberstes Kriterium aller Vermittlungsarbeit in Deutschland beschworene "Wohl des Kindes" verraten und zur Verschwendung finanzieller Ressourcen beitragen, die beim Engagement für menschenwürdige Zustände im Heimatland der Kinder erheblich besser eingesetzt wären. Mit anderen Worten: Solange mangels überzeugender Gegenargumente davon auszugehen ist, daß die Nachfrage nach adoptierbaren gesunden Säuglingen und Kleinkindern deren Zahl in globalem Maßstab bei weitem übertrifft, solange droht der Ruf nach neuen Vermittlungsstellen und größeren Vermittlungszahlen das in § 21b der UN-Kinderrechtskonvention festgeschriebene und mit der Haager Konvention bestätigte Recht eines verlassenen Kindes auf Inpflegenahme oder Adoption in seinem Heimatland in moralisch inakzeptabler Weise zu konzentrieren. Daß diese Position vielen unfreiwillig kinderlos gebliebenen und mit ihrer Enttäuschung, Wut und Scham alleingelassenen Paaren alles andere als verständlich erscheinen dürfte, versteht sich von selbst. Angesichts der herrschenden gesellschaftlichen Unfähigkeit, mit dem Faktum der wachsenden Sterilität bzw. Impotenz in einer den Betroffenen gerecht werdenden Weise umzugehen, kann es darum nicht verwundern, daß der Kampf ums Adoptivkind sich längst auch in anderen Feldern breitzumachen beginnt: Wo die Adoption aus Polen, Rußland oder Brasilien nicht gelingen will, hilft ja vielleicht die Bewerbung um ein "Dauerpflegekind" aus Deutschland - natürlich eines "ohne Rückführungsperspektiven"...

Man muß nicht mit allen Beschreibungen, Interpretationen und Wertungen der Studie Wuttkes oder jeder der bei terre des hommes vertretenen Position einverstanden sein. Nichtdestoweniger sollten die vorgelegten Fakten und Argumente zu denken geben. Wer sie mit bloßen Verdächtigungen - terre des hommes sei ja bekanntlich prinzipiell gegen jede Form der Auslandsadoption - abtun zu können glaubt, zeigt damit nur, daß er sich aus der ernstzunehmenden Diskussion um die adäquate Form der Hilfe für verlassene Kinder längst verabschiedet hat.

Dr. Bernd Wacker terre des hommes BRD Arbeitsgruppe "Verlassene Kinder"

Anhang Literaturauswahl

Literatur zum Thema allgemein

Albrecht, Hans-Jörg: Kinderhandel. Der Stand des empirischen Wissens im Bereich des (kommerziellen) Handels mit Kindern. Hrsg. Vom Bundesministerium für Justiz, Solberg 1994,

Bach, Rolf P.: Daten und soziale Hintergründe der Adoption von Kindern aus der Dritten Welt, Zentralblatt für Jugendrecht 7/88

Bach, Rolf P.: Gekaufte Kinder, Reinbek b. Hamburg 1986,

Bach, Rolf P.: Zum gegenwärtigen Stand der Adoptionsgesetzgebung in Deutschland, in: Wacker, Bernd: Die letzte Chance?, Adoptionen aus der Dritten Welt. Reinbek bei Hamburg, 1991, S. 229-238; aktualisiert in: Bernd Wacker (Hg.): Adoptionen aus dem Ausland. Erfahrungen, Probleme, Perspektiven. Reinbek b. Hamburg 1994, S. 253-266

Bach, Rolf P.: Der Handel mit Adoptivkindern aus der Dritten Welt, in: blätter des iz3w Nr. 148/April 1988, S. 15-19

Bach, Rolf P.: Vom Kindeswohl zum Kindermarkt, in: Wacker, Bernd: Adoptionen aus dem Ausland. Erfahrungen, Probleme, Perspektiven. Reinbek b. Hamburg 1994, S. 109 f.

Eisenblätter, Peter: Kein Kind um jeden Preis, in: Inlandsadoption, hrsg. von terre des hommes (1990),

Marx, Angsgar: Chronologie eines Kinderhandelsfalles, in: Auslandsadoptionen. Dokumentation der Fachtagung am 26.04.1994 in Augsburg, hrsg. vom Bayerischen Landesjugendamt (1994

Müller, Roland: Adoption - Hilfe für verlassene Kinder, in: terre des hommes: Verlassene Kinder, 3. Quartal 1986

Marx, Ansgar: Perspektiven der Internationalen Adoption. Adoptionsrecht und Adoptionspolitik in ausgewählten Staaten Asiens unter Berücksichtigung der UN-Deklaration über Jugendwohlfahrt, Pflegekindschaft und Adoption (1986). Frankfurt / Main 1993,

Schmidt, Heinz G.: Kindermarkt. Reportagen vom schmutzigsten Geschäft der Welt, Basel 1988

Verlassene Kinder - Woher kommen sie?, in: Adoptiveltern, hrsg. von terre des hommes (August 1985) S. 5-8

Wacker, Bernd (Hg.): Die letzte Chance? Adoptionen aus der 3. Welt, Reinbek bei Hamburg 1991, S. 93

Wacker, Bernd (Hg.): Adoptionen aus dem Ausland. Erfahrungen, Probleme, Perspektiven. Reinbek b. Hamburg 1994,

Literatur zu bestimmten Themenbereichen

1. AUSLANDSADOPTION Eine zusammenfassende Darstellung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des internationalen Sozialdienstes, Frankfurt, für das Bayerische Landesjugendamt (1991) S. 1-5

2. TRENDS IN DER ADOPTIONSPOLITIK IN ASIATISCHEN LÄNDERN. Ansgar Marx, ISD Frankfurt, S. 6-13

3. NEUENTWICKLUNGEN IM ADOPTIONSWESEN IN OSTEUROPA E.M. Böhmer, ISD Frankfurt, S. 14-17 aus: GZA-Rundbrief Nr. 2/92

4. VERMITTLUNG VON AUS POLEN STAMMENDEN ADOPTIVKINDERN IN DIE BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND Christine Sommer, ISD Frankfurt, S. 23-25 aus: GZA-Rundbrief Nr. 4/91

5. ALLGEMEINE INFORMATIONEN ZUR ADOPTIONSVERMITTLUNG VON KINDERN IN RUMÄNIEN Karin Obtmeier, Bayerisches Landesjugendamt, S. 17-21 aus: Auslandsadoptionen. Dokumentation der Fachtagung am 26.4.1994 in Augsburg, hrsg. vom Bayerischen Landesjugendamt (1994)

6. ADOPTIONEN MIT AUSLANDSBERÜHRUNG Länderberichte des ISD Frankfurt (S. 5-11) aus: Tätigkeitsbericht 1994

7. INTERSTAATLICHE ADOPTIONEN IN WESTFALEN-LIPPE Interstaatliche Adoptionen in Westfalen-Lippe 1993 (S. 39-53) aus: Tätigkeitsbericht der Zentralen Adoptionsstelle des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe in Münster

(Anmerkung: Diesen Bericht erhielt ich erst vor wenigen Tagen. Eine Auswertung war deshalb nicht mehr möglich.)

8. CHRONOLOGIE EINES KINDERHANDELSFALLES Ansgar Marx, ISD Frankfurt (S. 8-12) aus: Auslandsadoptionen. Dokumentation der Fachtagung am 26.4.1994 in Augsburg, hrsg. vom Bayerischen Landesjugendamt (1994)

9. ADOPTIERTE KINDER UND JUGENDLICHE 1992 und 1993 Amtliche Statistiken nach 1990

 

 

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